Rezension 2009

Hans Salcher, Steinwurf   
Innsbruck: Skarabaeus, 2009

„Im Augenblick / ist die Welt Bühne ohne Boden“

Steinwurf – eine neue Textsammlung des Ostiroler Malers und Dichters Hans Salcher ist erschienen und es ist typisches Salcher-Bändchen geworden. In ungewohntem Taschenkalenderformat ist es ein ‚Notizen- und Skizzenbuch’, das auch zahlreiche Pinselzeichnungen des Autors enthält und in dem seine sparsamen Wortnetze ausgelegt sind. Salchers kräftige Pinselzeichnungen lassen an japanische Holzschnitte denken und sind mit energischen Strichen ins Buch gezeichnet. Auf 121 Seiten sind einzelne Sätze ausgestreut, hineingeworfen ins beiläufige Sinnieren wie Steinwürfe, zielgenau. Manchmal treffen sie wie flache Kiesel auf einen Denk-Fluss und machen Sprünge – Salcher’sche Gedankensprünge.
Hans Salchers lyrische Notate wirken, als ob der Dichter mit einem Fangnetz durchs Leben ginge und darin Sätze einfinge, Wortschleifen, Gedichtfragmente, denen mitunter der eine oder andere Vers abhanden gekommen ist, Zeilen, Inschriften, einsilbige Botschaften sowie dem Sprechen abgehorchte, mehr noch: dem Einander-zu-sprechen abgehorchte Mitteilungen. Salchers Texte sind in ihrer Sparsamkeit manchmal dem Haiku nahe und geradezu das Gegenteil von ‚üppig’ – aber sie haben die Leuchtkraft von Blumen, die nur auf Böden karger Hochalmen gedeihen.
Der Himmel ist immer noch eines seiner Lieblingsmotive, war er für seinen letzten Gedichtband „Himmelschauen“ Titel gebend, so findet man auch im neuen Band den ‚Himmel’ beinahe auf jedem Blatt, jeder Seite, wie auch die Berge, die Schafe, die Sonne und den Mond. Hans Salcher beschreibt, notiert und beobachtet die allernächste ländliche – seine Osttiroler – Umgebung, denn in ihr ist alles zu finden: die Heimat, liebevoll ironisch, manchmal auch kritisch bedacht: „Liebesgedanken der Heimat, / der Schnee im Tal / und Geld im Haus“ (S. 40), auch Lebensphilosophie, epigrammatisch festgehalten: „In Gedanken / reden alte Welten in neuen Kleidern“ (S. 111)  oder: „Kultur / den Stein von der Erde aufheben / und den Stein wieder auf die Erde fallen lassen.“ (S. 39). In unmittelbarster Umgebung ist auch die Erinnerung ans Kindsein enthalten und so ins poetische Bild gebracht: „Bergkind / ich nahm Maß an mir / und erschrak vor dem Berg.“ Sie ist voll der Inspirationen, auch für Aphoristisches: „Was einem auf den Kopf fällt / hatte man schon mal in den Händen“ (S. 92), wie auch für Nachdenkliches: „ Im Gleichschritt / ist der Mensch verloren“ (S. 99), und sie ist voll Szenerien zum Schmunzeln: Das Bergschaf / die Ohren Berge / im weißen Wollmantel / tanzt eine Schönheit / am grünen Teppich (S. 83).  Dass die Welt in jedem Dorf zuhause ist, und dass Salchers Texte voll „unaufdringlicher Weisheit“ sind, wie der Umschlagtext verspricht, stimmt und bewirkt einen Lesegenuss am Rande umtriebiger Alltagsgeschäfte.   

Christine Riccabona