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Forschungsinstitut Brenner-Archiv

Rezensionen von Sabine Eschgfäller

 



Gerald Kurdoğlu Nitsches EYE on Wenigerheiten 
UND von den Quellen rätoromanischer zum Gipfelsturm ladinischer Lyrik
 

Anmerkungen zu
Poesie-Album. Gerald Kurdoğlu Nitsche, 50 Jahre Malerei und Allerlei. Landeck/ Tirol/ Österreich: Emirgãn Yayinlari Editions, 2006. 199 S.

Da Las Funtanas, Von Den Quellen. Rätoromanische Anthologie (mehr-, vielsprachig) mit deutscher Übersetzung. Am Herzen Europas 8. Landeck/ Tirol/ Österreich: Emirgãn Yayinlari Editions, 2006. 89 S. ISBN 3-901735-21-6

Bernardi, Rut (Hrsg.), DOLOMIT ein Gipfelbuch. Gedichte von den Dolomiten. Poejies dala Dolomites (mehr, vielsprachig).Am Herzen Europas 9. Landeck/ Tirol/ Österreich: Emirgãn Yayinlari Editions, 2007. ISBN 3-901735-20-8

 
Poesiealben
sind ein Hort der Erinnerung. Und, wenn man sich die Eintragungen und Abbildungen darin vor Augen führt, auch einer der Grenzen und Grenzüberschreitungen von Kreativität. Blättert man späterhin darin, so erinnert man sich der „Lebensmenschen“ einer bestimmten Zeit und ebenso daran – durch das uns ins Album Gezeichnete, Geklebte und Geschriebene – wie man selbst  damals wahrgenommen worden ist. Die Zeit der Poesiealben endet für die Meisten mit der Schulzeit. Nicht so für Gerald Kurdoğlu Nitsche, dessen „Schulzeit“ sich durch seine Lehrtätigkeit – schwerpunktmäßig – am BRG Landeck noch verlängert hatte. Für ihn scheint das Lernen/Lehren ein Medium zu sein, in welchem er sich ebenso bewegt und (aus-)lebt wie in seiner Kunst und seinen literarischen Arbeiten, eine – um das strapazierte Wort an dieser Stelle trotzdem zu bemühen – „Lebenshaltung“. So zumindest mag es demjenigen erscheinen,  welcher durch sein Album schaut, liest, lächelt und staunt.
Denn es ist tatsächlich allerhand „Malerei & Allerlei“, was G.K.N. seinem Leser/Betrachter präsentiert, man wird zu einem regelrechten Gelage von Beiträgen aus eigener und Freundes- bzw. Verwandtenhand, Fotografien, Bildern und Zeitungsartikeln, sowie Rezensionen, eingeladen und man nimmt diese Einladung gerne an. In G.K.N.’s Sammelsurium erfährt man, wie Gerald Nitsche zu „G.K.N.“ geworden ist, welche Menschen zwischen Tirol und der Türkei seine Weggefährten, Lehrer und Schüler waren und sind, wie sich seine Kunst und sein literarisches Interesse entfaltet haben und nicht zuletzt, woran sich der Produzent von „50 Jahre Malerei & Allerlei“ stößt und stört: Darin schlägt sich auch eine Brücke zu dem Verlag, in welchem das Poesiealbum erscheint, dem in Landeck, dem räumlichen Dreh- und Angelpunkt G.K.N.’s, angesiedelten „Verlag der Wenigerheiten“ EYE (Emirgãn Yayinlari Editions). Dieser macht sich zur Aufgabe, die Stimmen all derer hörbar zu machen, welche sonst gerne und mit (traditioneller) Konsequenz – eben als „Minderheiten“ abgetan – überhört werden: Stellvertretend für die zahlreichen Publikationen, welche EYE unter diesem Motto bereits hervorgebracht hat, seien „heim.at“ genannt, eine „Anthologie türkischer Migration“, „Jenische Reminiszenzen“ oder „Gehabt hob ich a Heym/ Ich hatte ein Zuhaus’. Zeigenössische jiddische Lyrik“ genannt.
In jüngerer Zeit hat sich G.K.N.’s EYE auf die rätoromanische und ladinische Lyrik gerichtet – mit fassbaren und eindrucksvollen Folgen, wie die Anthologien „Da Las Funtanas/ Von Den Quellen“ und „DOLOMIT ein Gipfelbuch“ belegen.

„Da Las Funtanas/ Von Den Quellen“ belegt, wie Lucia Walther im Vorwort feststellt, dass die Schweizer Rätoromanen tatsächlich noch da sind und Gedichte schreiben – die Betonung liegt auf „noch“, wobei dieses „noch“ auch als Kampfansage gegen eine (nicht nur) deutschsprachige Literatur gewertet werden kann, welche sich mit Dasein & Dichten dieser „Wenigerheit“ nicht aktiv auseinandersetzt. Die Anthologie will (und ist) mehr, als lediglich eine Konserve rätoromanischer Lyrik zu sein; sie will – wie auch DOLOMIT – im eigenen und übersetzten (deutschen, italienischen, spanischen oder sogar lateinischen) Wortlaut den Dialog suchen mit denen, die sonst nicht zuhören, heraus aus dem Reservat des Folkloristischen.
Dass rätoromanische (und ladinische) Dichtung der Gegenwart mehr will und kann als das Besingen der eigenen „Exotik“, belegt die thematische und stilistische Vielfalt der Texte aus der Feder der 15 AutorInnen, welche zur Anthologie beigetragen haben. Das, was an Poesie „von den Quellen“ kommt, glänzt facettenreich: Zeitkritisch-aktuell, polemisch (s. z.B. Jacques Guidon, Las duos Engadinas, Linard Bardill, Ir a turnar a Kabul) oder humorvoll-verspielt (s. Göri Klaingut), märchenhaft-mystisch bis „naturmagisch“ (s. z.B. Vic Hendry, Leta Semadeni, Alfons Clalüna, Dora Lardelli, Flurin Caviezel oder Renate Weber) und verinnerlicht-intim, Existenziellem zugewandt (s. Chatrina Gaudenz, Martin Fontana, Oscar Peer, Thresa Rüthers Seeli, Anita Campill, Madlaina Stuppan-Pitsch, Aita Dermont Stupan oder Linard Candreia). Das Spektrum ist zu breit, die Vermessung des poetischen Terrains, welche an dieser Stelle stattfindet, kann darum nur eine grobe und willkürliche sein. Auf jeden Fall aber zeigt sich, dass dieses ein weit größeres darstellt denn das der „Wenigerheit“ geographisch zugemessene: Der Leser liest sich durch die Texte, fühlt sich in die eine und andere Übersetzung hinein, ertappt sich beim lauten Vortragen des rätoromanischen Originals, versteht und empfindet, wie kongenial die Sprache den Texten entspricht, wie anders, aber auch eigenartig ähnlich, die Übertragungen wirken (können).

Jene Grenzen, welche der „Wenigerheit“ von der Mehrheit gezogen und zugetraut werden, will auch „DOLOMIT ein Gipfelbuch“ durchbrechen. Hier versammelt sich eine Gruppe von AutorInnen um die Herausgeberin/Dichterin Rut Bernardi, um ihren Beitrag dazu leisten, dass die zeitgenössische ladinische Dichtung sich durch sich selbst Gehör verschafft. Wiederum bewegt sich diese EYE-Anthologie nicht auf einer einzigen sprachlichen Ebene, dem Ladinischen, sondern sucht über Übersetzungen u.a. ins Deutsche, Italienische und auch Spanische, die Begegnung mit anderen Sprachen. Es entsteht so ein polyphones Gebilde, welches lyrisch erzählt von dem, womit sich die 14 vertretenen ladinischen LyrikerInnen heute beschäftigen wollen: Dabei gehen die AutorInnen jeweils in derart unterschiedlicher Weise mit ihrem Sprach-„Dolomit“ um, dass es ein Ding der Unmöglichkeit darstellt, den Gedichten der Einzelnen gerecht zu werden.
Der behandelte Themenbogen ist auch hier – wie schon in Bezug auf die rätoromanische Dichtung festgestellt – ein weiter und spannt sich von der politisch-kämpferischen Auseinandersetzung mit der Gegenwart (s. z.B. bei Josef Kostner, Erica Senoner, Frida Piazza, Mateo Taibon, Christian Ferdigg) über das gegenwärtige Erfassen der Natur- und Bergwelt (s. z.B. bei Roberta Dapunt, Stefen dell’ Antonio Monech, ) bis hin zu Liebes-, Todes-,und „Lebens“-Gedichten (s. z.B. bei Tresele Palfrader, Veronica Zanoner Piccoljori, Ulrica Perathoner, Ingrid Runggaldier, Markus Vallazza, Rut Bernardi, Roland Verra). Die Grenzen sind fließend und die Spannweite des Bogens hiermit noch lange nicht erschöpfend beschrieben.
Die Vielfalt und Unterschiedlichkeit, mit welcher die AutorInnen hier ihre Sprache(n) im Gedicht anwenden, beweist – wie die Anthologie insgesamt, die Lebendigkeit des Ladinischen/ der ladinischen Dichtung. In ihrem Vorwort bezeichnet Rut Bernardi das Unternehmen „DOLOMIT ein Gipfelbuch“ als eine poetische Offensive – zurecht, denn als solche kommt sie beim Leser auch an: zu lesen gibt es hier eine Menge von starken Texten, an denen man (um die Metapher Gerald Kurdoğlu Nitsches aufzugreifen) herumklettern kann, von der einen zur anderen Sprache und vor allem immer wieder hin zum Ladinischen. Lyrik, die den Leser fordert – das ist diese sprachliche Gratwanderung allemal wert.
  

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Regina Hilber, ich spreche bilder.
Mit Bildern von Herbert Fuchs.
Innsbruck: TAK – Tiroler Autoren Kooperative 2005,  66 S.

In kühlen Fabrtönen präsentiert sich der Lyrikband von Regina Hilber, sieht man auf den Umschlag des Bandes. Auf den zweiten Blick dann, beim Öffnen desselben, beginnt eine Serie von Bildern abzulaufen, wie der Titel der Sammlung ankűndigt, tritt mit leis-leidenschaftlicher Geste vor Aug und Ohr des Lesers. Der synästhetische Lyrikbach, in den man von der ersten Seite an hineinfűhlen kann, um ihm eventuell bis zur letzten Biegung zu folgen, fließt mal wortreich, mal lakonisch dahin, mal handelt es sich um lyrische Prosa, verdichtete Monologe eines lyrischen Ichs, dann wieder um mehr oder weniger heftig alliterierende Sprachspiele oder aber um poetische Prosaskizzen aus dem Alltag der dichtenden Instanz. Vor dem inneren Auge entfaltet sich ein breites, wiederum nur auf den ersten Blick,   unhomogenes Repertoire von poetischen (Sprach-) Reflexionen.
Was dem Lyrikbach seinen Verlauf gibt, was konstant bleibt, so scheint es,   ist der sehr persönliche, geradezu intime Ton, welcher die Textstűcke verbindet – und wenn der Ton „privat“ anmutet, so tun dies die Perspektiven, in welche das lyrische Ich sich  versetzt, mindestens ebenso. Diese, daraus entspringende Grundgestimmtheit amalgamiert mitunter disparat wirkende Aus- (etwa zur Gstaadbäuerin nebenan) und  Einblicke (innere Zwiesprache mit der Dichtermuse Semja) und bringt somit  die Wege tatsächlich zum Laufen (s. „ ich spreche bilder/ und wege laufen“, S. 7), indem sie  gleichermaßen den lyrischen Schaffenprozess durchwirkt, wie auch – was sich als sinnig-komplementär darstellt – die Wesen- und Behaustheit des lyrischen Ichs daraus entfaltet. Die Bilder, die gesprochen werden, die Wege die Laufen lernen, steuern immer wieder auf ein Inneres zu, sei es nun, ob ein Blick in die Dichterstube geworfen wird

Eine karge Kammer oberflächlich betrachtet, bei näherem Hinsehen aber eine Schatztruhe, ein Silbenlager, vollgestopft mit Lettern, verstaubte Schimmelsätze in jeder Ecke, Wortfetzen in den Ritzen des Riemenbodens. / Nur nicht lűften, sonst kommt mir noch ein Wort abhanden“ (S. 10)

oder ins Dorf, woraus Passagen mit manchmal – im wahrsten Sinne des Wortes – geradezu stichartiger Prägung entstehen

„Selbst die Kirche hat sich das Erwachen seiner Bergschafe zu Eigen gemacht. In keiner Jahreszeit treibt michdas Glockengeläute so vehement in den Wahnsinn wie im Frűhling. […] Die Weidenzweige haben sich gerade noch rechtzeitig mit pelzigem Kätzchen geschműckt, die Erika blűht schon länger./ Von mir aus kann das Heilige Pflaster mit seinen Bräuchen in seinen gedrungenen Hausfluren bleiben.“ (S. 26)

Die Autorin zirkuliert also dichtend in ihrer unmittelbaren (Um-)Welt, reibt sich am Dorf- und Stadtleben, hadert mit eigenen Sprachlosigkeiten, hält mehr oder weniger ergiebige Zwiesprachen und fädelt nebenbei viele Facetten von Einsamkeiten auf. Das lyrische Ich, welches meist aus einem   konkreten Anlass herausbricht, verfűgt über demenstprechend viele Untertöne wie Räume, in denen sich die Texte ausbreiten: das Repertoire erstreckt sich mal mehr, mal weniger abrupt vom Sarkastisch-Furiosen bis zum Nachdenklich-Anmutigen. Natur, Sprach- und Selbstreflexion greifen ohne fühlbare stilistische Ebenenwechsel ineinander űber, was das Unprätentiöse der Sprache und die einfach-prägnant Form sowohl der Gedichte als auch der längeren Prosapassagen zusätzlich unterstűtzt.
Vieles „läuft“ also in diesem Lyrikband und einiges kann an Bildern ausgelőst werden bei demjenigen, welcher Lust hat, sich darauf   einzulassen, wenn das lyrische Ich sich beim Besprechen  seiner Welt belauschen lässt.
 

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Christoph W. Bauer, supersonic. logbuch einer reise ins verschwinden.
Wien: Edition Korrespondenzen, 2005. 132 S. 

Wo Dichterworte um Tod und Liebe kreisen, bedrohen sie Absturzgefahr. Hin zum Sterben, durch den Exitus und darüber hinaus ist es eine gefährliche Reise, eine Expedition ins Verstummen, welche für den Dichter bedeuten muss, die Grenzen seiner Wortgewalt einzugestehen, ja vorauszusetzen. Dennoch wagt C.W. Bauer in seinem neuen Poesieband diesen Trip ins Herz des Sterbens hinein, indem er das Thema vielmehr (lyrisch) recherchiert als – um mit Rilke zu sprechen – „poetisch abtastet“.
In seinem „Logbuch einer Reise ins Verschwinden“ betätigt sich Christoph W. Bauer als lyrischer Spurenleser des Todes – und dies gleich auf mindestens drei Ebenen, wie im Folgenden aufgezeigt werden soll.
Nicht nur sammelt er in seinen 70 Gedichten, welche insgesamt ein einziges „Lied vom Tod“ ergeben sollen, kulturgeschichtliche und religiöse Bilder des Jenseits quer durch die Weltgeschichte. Auch switcht der Dichter vor dem Leserauge vom ägyptischen Totenreich über den Hades zur Jenseitskonzeption Dantes, streift babylonische Vorstellungen und blendet antike Anekdoten, wie jene um Simonides und den Faustkämpfer Skopas, sowie Querverweise auf die mittelalterliche Scholastik ein, um last, but not least auch noch schlaglichtartig auf das tibetanische Totenbuch oder Ansichten der Etoro auf Papua Neuguinea zu verweisen. Dazwischen spürt der „Trittbrettfahrer“, wie er sich im Nachwort nennt, der Bedeutung des literarischen Schrifttums über den Tod quer durch (fast) alle Epochen nach. Aus dem hier nur gerafft Aufgezählten wird deutlich, dass der Autor vieles aufgreift, was kulturhistorisch den Tod behandelt. Die lyrische Recherche zum Tod entfaltet demzufolge schon allein durch die erwähnten Verweise nolens volens einen gewissen Anspruch auf Belesenheit. Von diesem ist auch im Nachwort insofern die Rede, als dass dort (indirekt) angemerkt wird, dass es doch eigentlich gelten muss, die „Fakten, Zeilen von Angelesenem“ (131) zu transzendieren, indem der Dichter den „hinterm Gelehrsamkeitsnickel“ (ebd.) versteckten Blick über das erworbene Wissen hinaus wagt.
Folgerichtig erweitert der „Logbuchführer“ die Reise von der beschriebenen abstrakt-kulturgeschichtlichen und –philosophischen um eine weitere, nämlich die geographische Dimension; die Expedition durch die Zeit erscheint dadurch gleichzeitig als ein Forschungstrip durch den Raum: Von fernen und entferntesten Ländern (u.a. Spanien, Australien, Indien, Papua-Neuguinea, Argentinien, Nowosibirsk) bis hin zu kleinen, begrenztesten Lebens- bzw. Todesräumen, deren ultimative Steigerung die Intensivstation darstellt, wechseln die Orte, an denen man per Gedichten an Land gelassen wird, um dann aber immer wieder weiterzureisen und schließlich sogar im All zu kreisen, ohne jedoch je an ein Ziel zu gelangen. Das einzige Ziel bildet ja die Reise selbst, wie dem Leser in den zehn Zyklen progressiv verdeutlicht wird. Ebenso klar zeigt sich vom exhortativen „lets go“ des Anfangs bis zu den letzten, unter „exitus“ zusammengefassten und wiederum mit „lets go“ ausklingenden Texten heraus, dass sich neben physischen Landschaften auch „psychische“ im „Logbuch“ festschreiben müssen, nämlich Erinnerungen, wie etwa die eines alternden Menschen, welchem seine Verortung in der Welt (und in sich selbst) in Todesnähe allmählich abhanden kommt (s. „aprikosen“, 21 – 33) oder auch Verortungsschwierigkeiten einer ganzen Generation, welche erwachsenwerdend ihre Helden und sich selbst vergisst (s. v.a. „aeronauten“, 79 – 93). Die Dimension des Erinnerns bzw. Vergessens vermengt sich    in den von I bis LXX durchlaufend nummerierten lyrischen Logbucheinträgen mit der kulturhistorischen und der „geographischen“ Dimension, welche – in wechselnder Konstellation und Intensität – die einzelnen Texte bestimmen und dazu beitragen, dass der Dichter es doch schafft, den Ballast des „Angelesenen“ in den Griff zu bekommen.
Wie schon festgestellt, nimmt ein Poet sich mit einem derartigen Projekt einiges vor und erarbeitet sich in diesem speziellen Fall viel „Faktenwissen“, um sich dem „Thema Tod“ anzunähern -   dies vermag dem Leser sicher die Komplexität und die Tradition des Themas zu illustrieren. Zu berühren vermag der Dichter jedoch am stärksten dort, wo in seinen Gedichten am deutlichsten die dritte Dimension dominiert, wo Erinnerungslandschaften  in/mit lyric-ähnlichen Passagen   angestimmt werden, welche zwischen dem Deutschen und Englischen oszillieren.
Das eine Gedicht vom Tod führt den Leser nach siebzig Einzelschritten folgerichtig wieder zum Ausgang zurück, fordert dazu heraus, mit auf dem Trittbrett der gestreiften Kulturen und Länder zu fahren, mitzurecherchieren, sich mitzuvernetzen  und vor allem auch das eigene Bildrepertoire vom Sterben zu überprüfen. Das Nachdenken über den Tod bestimmt den gesamten, ebenso nüchtern wie geschmackvoll gestalteten Band und bildet sinngemäß auch die „Moral von dem Gedicht“. In diesem Sinne und um das charakteristische, fortgesetzte Enjambement in Bauers Dichtung aufzugreifen: „lets go/ on“.
 

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