Rezensionen von Barbara Hoiß
- Bernhard Aichner,
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Mathias Klammer,
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Christine Hackl-Neuner,
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In siebenundzwanzig Kapiteln gliedert Bernhard Aichner seinen zweiten Max-Broll-Krimi. Der Totengräber Max, der nach dem Tod seines Vaters dessen Geschäft übernommen hat, und sein Freund, der ehemalige Fußballstar Baroni kämpfen sich nach der Entführung von Max’ Stiefmutter Tilda näher und näher an den Täter heran. Tilda, die selbst bei der Polizei arbeitet, wird von ihrem Peiniger nur mit einem Handy ausgestattet in einer Kiste an unbekanntem Ort vergraben. Als Täter identifiziert sie übers Telefon einen Arzt. Leopold Wagner soll bei künstlichen Befruchtungen sein eigenes Sperma verwendet und seine Frau getötet haben, als diese ihn verraten wollte. Diesen Mann hat Tilda Broll vor Jahren ins Gefängnis gebracht. Obwohl der Autor den Leser von Anfang an darüber im Klaren lässt, wer der Täter ist, gilt es das Rätsel zu lösen, wie er es angestellt hat – er sitzt seit achtzehn Jahren im Gefängnis – und wo sein Opfer zu finden ist. Max spricht den Namen aus. Wagner. Er sagt der Welt, wer für diese Verbrechen verantwortlich ist. Leopold Wagner. Aichners zweiten Broll-Krimi könnte man zum ‚roman noir’ zählen, die Trennung zwischen Gut und Böse ist nicht so deutlich wie in klassisch geschnittenen Krimis. Max, der Held, scheut nicht davor zurück, Gewalt anzuwenden. Über rechtliche und humane Grenzen setzt er sich hinweg. Ein Gegenpol zu dieser hartgesottenen Männerwelt, in der Alkohol in Strömen fließt und Fäuste fliegen, ist die Liebe zur Stiefmutter und vor allem die Liebe zu seiner Freundin Hanni. Kapitel ‚Zweiundzwanzig‘, das einzige, das aus der fortschreitenden Handlung fällt und eine Rückblende auf eine gemeinsame Italienreise mit Hanni beschreibt, ist der Liebe gewidmet. In den Momenten, wo der Held Max den Frauen in seinem Leben nahe ist, ändert sich auch die Sprache. Sie wird rhythmischer und erinnert mehr an die Romane Nur Blau oder Schnee kommt. Nebeneinander saßen sie an der Theke. Sie küssten sich. Er nahm ihre Wangen und hielt sie, ihr Mund kam auf seinem an. Es war besser als alles sonst. Die Sekunden mit ihr, die Minuten, Stunden, die Tage, er wollte Jahre mit ihr. Mit ihr zusammen sein. Aufwachen, einschlafen, sie halten. (S. 188) An manchen Stellen häuft Aichner eine seiner sprachlichen Lieblingsfiguren so, dass man als Leser ungeduldig wird. – Wie, wie, immer nur wie. Immer wenn er die Augen aufmacht. Egal wo er hinschaut. Aus dem Fenster, die Menschen am Friedhof, am Kirchplatz. Wie alles unendlich weh tut. Was er sieht, was er nicht mehr sieht. Ihre Zahnbürste im Bad, ihr Bademantel, alles von ihr. Wie die Tage beginnen. Wie sie aufhören. Wie Baroni ihn zurückholen will und es nicht kann. (S. 233) Für immer tot entwickelt einen Sog, den ein guter Krimi haben muss. Die Frage ist nur, wie viel von dem schnell gelesenen, vielleicht auch schnell geschriebenen ‚Hau-drauf-Text‘ haften bleibt? |
Mathias Klammer, geboren 1988 in Osttirol, legt seinen ersten Roman vor. Barbara Hoiß, Anton Unterkircher |
Doch Valentino, der noch immer Tobi auf dem Rücken übers Pfitscher Joch schleppt, soll sich zu einer kurzen Rast seiner Last entledigen und uns inzwischen seine Geschichte erzählen. Der Sohn eines italienischen Weinbauern und einer Tirolerin wird aus Rache – seine Mutter hatte ihn und seinen Vater aus Sehnsucht nach den Tiroler Bergen verlassen – zum Spitzel der Franzosen. Mit dem Auftrag, die Gegend und die Gegebenheiten Tirols auszukundschaften, findet er auf dem Gutshof Ferdinand von Auersperg Arbeit. Beim Schachspiel mit dem Gutsherrn erzählt Valentino nach und nach von seinen Lehrjahren bei seinem Onkel in Rom und auf einem Gestüt in Spanien. Als der Knecht des Schwiegersohnes verstirbt, schickt von Auersperg den italienischen Knecht als Hilfe auf den Schönberghof. Dort trifft Valentino auf den 18-jährigen Tobias und dessen ältere Schwester Franziska. Die Tochter des Hauses hat von ihrer verstorbenen Mutter viel über Pflanzen und Krankheiten gelernt, deshalb ist sie als einzige Frau am Schönberghof nicht nur für Küche und Keller zuständig, sie gilt im Dorf als Pflanzenkundige und Heilerin. Immer wieder ruft man sie zu Hilfe. So muss sie ihre Freundin Katharina zusammenflicken, die vom Vater verprügelt worden ist. „Wenn Kathi ein Krüppel bleibt, dann bringe ich den Schneider Emmerich um“, gab er aufgebracht von sich. Tobias Nachsatz „sie wird wieder gesund“ verweist bereits auf diesen Teil von Romans Rede. Den Nachsatz des auktorialen Erzählers braucht der Leser nicht mehr, der Text würde stärker. Für Franziska, die mit einer schweren Kraxe am Rücken aufstieg, schien es eine gewohnte Anstrengung zu sein. Eisenbeschlagene, grobe Bergstiefel gaben im abschüssigen, steinigen Gelände Halt. (S. 58) Andere wirken wie belehrende Episoden, die hätte man besser in den Text einfließen lassen sollen. Ein Beispiel dafür ist der Holztransport auf Schlitten im Winter: Zum Erreichen der Holzlagerstätte wird mit Schneereifen, heute sagt man meist Schneeschuhe, eine Spur getreten. Ein Satz wie „Aus spannfähigen Weiden wird ein ovaler Holzrahmen gebogen, mit Schnüren, fallweise auch mit Tiersehnen, ein festes Gitterwerk gespannt.“ (S. 305) könnte auch in einem Buch über ein Heimathaus zu lesen sein. Neben den Arbeitstechniken greift die Autorin auch die fehlende Bildung und die zum Teil große Armut auf. Franziska wird von einem Jungen aus Trostlos gebeten, seiner kranken Mutter zu helfen. Trostlos macht seinem Namen alle Ehre. Mit kargem Feld müssen viele hungrige Mäuler gestopft werden. Der Vater der Familie arbeitet den Sommer über bei seinem Vetter, um den erstandenen Hof abzustottern. Die Mutter erkrankt hochschwanger an Lungenentzündung. Die sieben Kinder müssen ohne Brot im Haus sehen, wo sie bleiben. Valentino und Franziska kommen der Familie im Nachbartal zu Hilfe und einander näher. Sie lernen einander schätzen. Er (Valentino) suchte Tobias. Nach dem Gemetzel der Sensenmänner hatte er ihn aus den Augen verloren. Gliedmaßen von französischen Soldaten lagen abgeschlagen, wie von Strohpuppen, neben ihren Körpern. Tobias wird im Kampf schwer verwundet. Bis zuletzt hält er an den hären Idealen der Vaterlandstreue fest. „Weißt du, Vale, eines ist für mich sehr wichtig, und das war all das Leid wert.“ Noch nie hatte Valentino den Schönbergsohn so ernsthaft erlebt. Valentino nimmt sich vor, den Bruder seiner geliebten Franziska, so, wie er es versprochen hat, wieder nach Hause zu bringen. Von Sterzing geht es am Karren eines Bauern ins Pfitschtal. Vom Talschluss schleppt Valentino den Schwerverletzten über das Pfitscher Joch heim auf den Schönberghof. Dort sind wir ihm begegnet. Valentino bringt ihr zwar wie versprochen den Bruder wieder. Dieser verstirbt, am Schönberghof angekommen, an Blutvergiftung. Es kommt zum Bruch zwischen Valentino und Franziska. Diesem fehlt ein wenig die Motivation. Franziska findet die Aufzeichnungen des Italieners, die für den Feind bestimmt sind. Auf Grund dieses Verrats wendet sie sich von ihmab, ihrer großen Liebe. Der Tod des Bruders spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle. „Vale“, dabei sah sie ihn bedrückt und vorwurfsvoll aus ihren verquollenen Augen an. „Ich habe die Landkarten und den Brief an deine Zia Antonella Antonelli gefunden.“ Kurz hielt sie inne, dann sagte sie tonlos: „Du wolltest uns verraten.“ Valentino irrt verzweifelt weg vom Schönberghof ins Gebirge Richtung Pfitscher Joch. Es ist eine Krux mit den Lasten, die man sich so aufbürdet. Die Schultern sind oft nicht breit genug, das Rückgrat nicht stark genug, um alles zu ertragen. Der Kraxentrager zerbricht an der Last. |
Vergangenheit ist nicht wegzudenken, auf diesen Satz ließe sich den Roman Geiger von Otto Licha zuspitzen. Im ersten Teil „Vergangenheit“ bildet die Reichskristallnacht in Innsbruck den Ausgangspunkt, der das Leben einer ganzen Familie zerstört. David springt aus dem Fenster und flüchtet nach Sizilien, von dort weiter nach Tanger. Seine erste große Liebe, die Geige, lässt er in Innsbruck zurück, spielen kann er nach seiner Flucht über die österreichische Grenze nach Südtirol in einem Schneesturm mit seinen erfrorenen Händen nicht mehr. Im Exil trifft er sein großes Vorbild, den Geiger Fritz Keller. Die Liebe zur Musik und insbesondere die Liebe zur Geige lässt ihn nicht mehr los, und als er nach 1945 wieder nach Innsbruck zurückkehrt, muss er feststellen, dass diese Liebe das Einzige ist, was ihm bleibt. Seine zweite große Liebe, Ilse, ist nach dem Krieg unauffindbar, das Spirituosengeschäft, das David gerne übernommen hätte, bleibt ihm verwehrt. Seine Heirat und seine Beschäftigung als Buchhalter sind für ihn Nebensache. Erst als sein Sohn Simon mit dem Geigenunterricht beginnt, blüht David auf. Er drängt Simon zum Üben und sucht für ihn die – seiner Meinung nach – besten Lehrer aus. Gemeinsam besuchen sie Geigenkonzerte und Simons Talent wird von den Lehrern bestätigt. Der Sohn lebt zwischen Schule und Geige. Obwohl David seine Vergangenheit vor seiner Frau und seinem Sohn nie anspricht, wird die Familie von ihr eingeholt. Simons Geigenlehrer ist eben jener Fritz Keller, den David in Tanger kennengelernt hat. Angst flammt wieder auf, als David einen Drohbrief gemeinsam mit der Unvollendeten von Schubert erhält. Eine Anzeige verläuft im Sand. David, gefangen in seiner Vergangenheit, erleidet einen Zusammenbruch, als er bei einem Konzertbesuch ehemalige SS-Leute wiedererkennt, die in der Reichskristallnacht die Wohnungen der jüdischen Einwohner Innsbrucks zerstört und sie verprügelt und verschleppt hatten. Musikalisch schwingen Erinnerungssätze im Text. Musik und Erinnerung verweben sich zu einem dicken alles erstickenden Tuch.
Im zweiten Teil des Romans, „Zukunft“ betitelt, begibt sich Simon auf die Suche nach den Spuren der Vergangenheit seines Vaters, er begibt sich auf die Suche nach dem Ursprung des eigenen Talentes. Simon gibt seine Solokarriere auf und bestreitet seinen Lebensunterhalt als Geigenlehrer. Er sucht nach den wenigen Spuren, die ihm sein Vater hinterlassen hat. Die Frage nach der Freiheit der eigenen Person stellt sich im Hinblick auf die Verstrickung des Sohnes mit der Vergangenheit des Vaters. Trotz der eigenen psychisch labilen Verfassung gelingt es Simon auf Umwegen wieder zu seinen Eltern zurückzugelangen. Er lernt Italienisch und begibt sich auf die Spuren von Davids Flucht nach Sizilien. Er forscht bei den ehemaligen Musikerkollegen seines Vaters nach, jeglichen Kontakt hat der Vater nach der Rückkehr nach Innsbruck mit ihnen vermieden, und findet schließlich nach langjähriger Suche mit seinem Freund Heinz eine Erklärung für die Vorgänge des Jahres 1938. Er entdeckt Vaters große Liebe Ilse im Stadtbild von Innsbruck, für sie ist eine Gedenktafel an ihrer ehemaligen Schule angebracht worden. Simon findet aber auch zu einer ganz neuen Art der Erinnerung, zusammen mit Bert Breit nimmt er eine „Radiophonie“ auf mit dem Titel Memento vitae et mortis.
Simons Suche endet mit philosophisch anmutenden Überlegungen des Protagonisten, hinter denen leider oft der Erzähler zu nahe spürbar wird. Der Wunsch, der Autor hätte sich mehr auf die Musikalität seiner Prosa verlassen, keimt auf. Auch wenn philosophische Fragen nur gestellt und nicht beantwortet werden, empfindet man ihren belehrenden Charakter oft als überflüssigen Zeigefinger.
Simons Suche endet mit einer Hoffnung, die sich vom Selbstmord ab- und dem Leben zukehrt. Es endet der Roman Geiger, ein schönes Stück Gedächtnis. |
Alles Erzählen ist Übertreibung Im Vorwort schreibt der Herausgeber Norbert Florineth von den Grenzen, die überall im Buch Bild Schrift Laas sichtbar werden, Grenzen, die auch den Großteil der Texte und Bilder beschäftigen. Bei genauerem Hinsehen entpuppen sich diese Grenzen aber auch als Verbindungslinien, die wie Adern durch den Stein, einmal schwächer, einmal stärker, sich kreuzend oder verschwindend in Bild und Schrift verlaufen. Florineth wirft in seinem Vorwort Fragen auf, die zum Nachdenken anregen, Fragen, die sich nicht zuletzt in der Auseinandersetzung mit der Literatur Franz Tumlers herauskristallisiert haben. Da geht es um das Wort und die Wahrheit und das Bild bzw. die Gestalt. Das Wort gehört im Buch den Dichtern, den Chronisten, den Zeitzeugen, den Archivaren und den Biographen. In der Zusammenstellung erinnert die Bild-Schrift an das Lesebuch Hugo von Hofmannsthal, herausgegeben 1922/23, dieser führt belletristische und nicht belletristische Literatur näher zusammen, fügt Reiseberichte an Gedichte, Biographien an Romanauszüge. Bildnerische Arbeiten stellt Florineth den Texten gegenüber, klare Fotos Jakob Tappeiners von Laas, den Bergen und den Steinen, Bilder und Skulpturen von Joseph Brunner, Therese Eisenmann, Jörg Hofer, Michael Höllrigl, Luis Stefan Stecher, Hans Strimmer, Martin Strimmer, und Reinhold Tappeiner. Dem ausgesprochen schönen und sinnlich-sinnenden Buch wäre nur hinzuzufügen, dass die ein oder andere heutige Stimme das Buch besser abgerundet hätte. Hinter der Auswahl der Texte und Bilder steht ein Mensch, der an die Kraft des Wortes und an die Kraft des Bildes glaubt. |
Schwerelosigkeit und Krankheit, diese zwei Begriffe assoziiert man selten miteinander. Anna Stecher verbindet in Aus der Flügelstadt eine Todkranke mit dem Motiv des Fliegens. Mora, eine vom Hals abwärts gelähmte Südtirolerin, fährt mit ihrer Freundin und treuen Begleiterin Elisa nach China. Dort im Krankenhaus ist eine Zelltherapie ihre einzig noch verbleibende Chance auf Linderung oder gar Heilung. Die Figuren in diesem Krankenhaus sind zuerst ähnlich geheimnisvoll wie das Land, das vor dem Fenster des Krankenzimmers liegt. Elisa, die Lupa, passt auf Mora auf wie ein Wolf, der sein Junges verteidigt. Sie sieht skeptisch auf die Krankenschwester, die ihrer Meinung nach keine Ahnung hat, was Mora gut tut. Sie muss sich sehr zurückhalten als Dr. Pain versucht Moras Nerven aufzuwecken. Doch als sich auch noch Doktor John in Mora verliebt und Mora in ihn, ist das Fass für Elisa am Überlaufen. Weg gedrängt zu werden von der Seite der geliebten Freundin und ein eigenes Leben mit eigenen Zielen führen zu müssen, das kann sich Elisa erst nicht vorstellen. Sie ist es gewohnt, immer für Mora zu sorgen, ihr ganzer Lebensrhythmus richtet sich danach. Die Loslösung gestaltet sich schwierig und bedarf einiger Zeit. Nach und nach erst akzeptiert sie die liebenswürdige Signora Rosa, die mit ihren Kochkünsten gute Laune herbeihext. Oneko, die kleine, rosa gekleidete Krankenschwester, stößt bei Elisa lange auf eine ablehnende Wand, die nicht kleiner wird, als sich Elisa in Yamu verliebt. Yamu ist Masseur im Krankenhaus und strotzt vor Lebensfreude. Er hat als Akrobat gearbeitet und bringt Mora mit seiner Beweglichkeit und seinem Körpergefühl zum Lachen und Weinen. Elisa muss sich eingestehen, dass das nicht ihre Welt ist, dass sie sich verabschieden muss und ihr eigenes Leben suchen. Bodenständig ist die Lupa das erdverbundene Element der Freundschaft. Mora hingegen flüchtet sich weg von ihrer Krankheit in Tagträume, die es ihr erlauben zu fliegen. Sie ist der Schmetterling, auf den Dr. John schon so lange gewartet hat. Eine Schmetterlingsfrau, der nichts Schweres anhaftet. Das Vermögen, ernsten Themen Flügel zu verleihen und sie damit umso deutlicher anzusprechen, findet man in der Literatur nicht oft. Meist hat man das Gefühl, es handle sich beim Sterben um ein Ermordetwerden von der Hand einer lieblosen Umgebung. Im Mittelpunk steht bei Stecher im Gegensatz dazu die Suche nach Flügeln, die Suche nach der Liebe. Sie sind das Gegenteil von Schmerz und Angst, über die Mora die Herrschaft erlangen soll. So leicht und federnd die Themen Krankheit und Tod umgesetzt werden, ist auch die Sprache der Erzählung.
Innere Monologe, Träume, Dialoge und Einschübe, die sich ums Fliegen und um die Liebe drehen, wechseln mit den Begebenheiten im Krankenhaus. Die durchbrochene Erzählstruktur lässt den Eindruck von Leichtigkeit entstehen. Das kommt nicht zuletzt daher, dass einfache Wörter in ihrer Bedeutung wie ein Schmetterlingsflügel je nach Sonneneinstrahlung zum Leuchten gebracht werden.
Stecher spielt mit Extremen, sie lässt unterschiedliche Kulturen aufeinanderprallen. Da treffen die ernste mitteleuropäische Sicht auf Krankheit und Tod, die ein trauriges Gesicht als Pflicht ansieht, und die italienische Fröhlichkeit, die den Tod akzeptiert und mit ihm lebt aufeinander. Am deutlichsten ist der Unterschied zur chinesischen Kultur, die von ganz anderen Prämissen ausgeht. Der Patient ist nicht mit der Krankheit geschlagen, er lernt durch sie vielmehr neue Seiten an sich selbst kennen.
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Allein wegen dieses ersten Satzes muss man die Erzählung Vater lieben. Nach Und Worte haben ein Bild gemalt (2006) legt Hans Salcher dieses Jahr seinen ersten längeren Prosatext vor. Salcher reiht sich damit nicht in die Abrechnungen mit dem eigenen Vater bzw. der Vatergeneration ein, wie es noch bei Franz Kafka und bis herauf in die 1970er Jahre häufig der Fall war. Einen liebevolleren Blick werfen Jürg Amann oder Martin Pichler und nun eben Hans Salcher in ihren Texten auf den Vater. Aus der Perspektive eines noch kindlichen Ich-Erzählers gewährt der Osttiroler Einblicke in eine Heimat, die erst zu einer werden muss. Das Oberhaupt der Bauernfamilie in Salchers Erzählung mag Pferde, kämpft immer noch mit den Kriegserlebnissen im Zweiten Weltkrieg in Norwegen und flüchtet vor einer grausamen Welt in eine friedfertige. In seinem dicken Wintermantel gehüllt kämpft der Vater gegen eine Kälte, die einerseits aus den Erinnerungen herauf kriecht. Vor dieser Kälte muss er nicht nur sich, sondern auch seine Familie schützen. In der Erzählung spricht die Mutter die Qual des Vaters aus, sie leiht ihm ihre Stimme, was nicht einfach ist für sie:
Andererseits manifestiert sich die Kälte aber auch in der Herzlosigkeit des Dorfes. Alles was anders, fremd ist, wird schlecht gemacht oder zerstört. Dabei wählt Salcher alltägliche Bilder, wie ein Begräbnis im Dorf.
Der Vater hat keine Sprache, er hat aber seine Spiegel und er hat Bilder. Letztere trägt er statt der Arbeit aufs Feld hinaus. Am Ende der Erzählung löst sich die Kälte des Dorfes wie im Märchen – vor allem durch die gegenseitige Hilfe und das gegenseitige Interesse der Menschen aneinander, die mit den sichtbar angebrachten Spiegel ans Licht kommen – in Gemeinschaft auf. Die Bilder, die der Vater malt, bewundern die Dorfbewohner. In diesen Bildern in Schnee gemalt verschwindet er zuletzt.
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- Fortsetzung folgt hoffentlich - 1) Hirlanda spielt immer wieder eine Rolle in Bernharts Stücken, er edierte die Handschrift auch selbst: Hirlanda. Durch falschheit zu feir verdamte unschuld. Edition des Legendenspiels nach der Laaser Handschrift von 1791. Wien: Folio Verlag 1999. |
Am besten finde ich die Erzählung, die nicht aus der Ich-Perspektive geschrieben wurde. „Bodemanns Tag“ ist in einer sehr sauberen Sprache verfasst und passt so gut zu dem Handelsvertreter für Reinigungsmittel, dessen Berufsleben sauber und genau am Beispiel eines ganz bestimmten Tages vor dem Leser ausgebreitet wird. Bodemann ist so reinlich, dass er sogar etwas gegen unfertige Sätze und schlampig verwendete Wörter hat. Er spricht in ganzen, vorgefertigten Sätzen, deren einziges Ziel es ist, Glasoglanz – ein Geschirrspülmittel – und Ähnliches an den Mann bzw. meist an die Frau zu bringen. Ihn interessieren die Menschen nicht, solange sie seinem geschäftlichen Erfolg nicht im Wege stehen. Als er jedoch einer Frau begegnet, die ihm nahe geht, kommt er selbst ins Stottern und verheddert sich in seinen Putzmittelfloskeln. Was bleibt, ist ein Saubermann mit Happy End. |
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