Rezensionen von Bernhard Sandbichler
- Irene Heisz, Julia Hammerle,
- Judith W. Taschler,
-
Raoul Schrott, Arthur Jacobs:
- Bernhard Aichner,
- Thomas Schafferer,
Thomas Schafferer, jahrzehnt ligurien
Thomas Schafferer, fujiyama hinter dächern – 4013 stunden ...
Thomas Schafferer, Kaiserschmarrn - Jeannine Meighörner,
Sonja Ortner & Verena Wolf, Als ich Ander Hofer traf [März 2009]
Jochen Gasser & Norbert Parschalk, Andreas Hofer [März 2009] - Irene Prugger,
Oswald von Wolkenstein, Lieder [Aug. 2007]-
Hermann Winkler,
-
Ingrid Strobl,
Bernhard Kathan, Nichts geht verloren [Dez. 2006] -
Jakob Philipp Fallmerayer,
-
Oswald Egger, Prosa, Proserpina, Prosa [März 2005]
Raoul Schrott, Weissbuch [März 2005] -
Raoul Schrott,
- Raoul Schrott,
Bernhard Aichner, Totenfrau. Thriller. Bernhard Aichner ist am Zenit angekommen und strahlt. Am Bücherhimmel gibt es ja viele Gestirne, manche sieht man mit freiem Auge nicht, andere leuchten so stark, dass sie einen unübersehbar blenden, viele changieren irgendwo dazwischen. Wie es dazu kommt, ist jeweils interessant. Wie also kommt es bei diesem Autor zum unübersehbaren Funkeln? |
Irene Heisz, Julia Hammerle, Tirol - hoch hinaus und tief verwurzelt. Von Zugspitzblick bis Aguntum. Magische Zahlen für Reisende |
Problematische Ironie des Schicksals Am Dienstag, 17.06.2014, hielt Sigurd Paul Scheichl, emeritierter Professor für Österreichische Literaturgeschichte und Allgemeine Literaturwissenschaft am Institut für Germanistik der Universität Innsbruck, seine Abschiedsvorlesung. Darin war unter anderem vom Wohl und Wehe der Germanistik die Rede. Zum Wehe der zukünftigen Germanisten-Generation gehöre, dass ihr das genaue Lesen zugunsten des Schauens abhanden gekommen sei, was Scheichl unter anderem daran festmachte, dass in schriftlichen Arbeiten der Studierenden vermehrt der Begriff “Hauptdarsteller” anstelle von “Hauptfigur” auftauche. |
Norbert Gstrein, Eine Ahnung vom Anfang. Roman. Eine Ahnung vom Glück Wir Österreicher leben in Zeiten der Schulreform. Demnächst wird alles anders, alles neu, alles besser: das Dienstrecht, die Unterrichtenden, die SchülerInnen. Jeder weiß: Es muss sein. Der schulische Zustand (die Lehrer-Gewerkschaft!) ist himmelschreiend! Und die Experten, also fast alle, schreien es auch zum Himmel: Früher war es nicht besser! Vermutlich werden Bücher wie Das fliegende Klassenzimmer oder Der Schüler Gerber oder Die Klosterschule oder Der Musterschüler oder Der Zögling Törleß oder Jakob von Gunten exotisch werden. Die Altvorderen müssen es den nächsten Generationen ausdeuten: Was Frontalunterricht war und was Zucht und was Ordnung und was ein Internat. Und überhaupt: Vielleicht müssen sie demnächst klären, was ein Buch ist. Denn auch das ist ein Gegenstand, der reformiert wird, und über die Grenzen Österreichs hinaus. Mit diesen brennenden Themen der Jetzt-Zeit hat Norbert Gstreins neuer Roman nichts gemein. Zum einen: Sein Erzähler ist ein Gymnasiallehrer, der „bald zwanzig Jahre im Schuldienst“ ist, ein in sich Ruhender, für den „die Dinge auf festem Grund standen“ und der die „Brüchigkeit“ der Existenzen um ihn mit verständnisvollem Interesse notiert: eine „komfortable Haltung“, gerade so altmodisch wie „die beiden Anzüge, die ich mir in Istanbul hatte machen lassen“. Umgekehrt taxieren ihn diese Existenzen mit belächelnden oder verwunderten oder auch lauernden Blicken. Zum andern muss man sagen: Norbert Gstrein ist ein kluger Autor und er hat einen wunderbaren Roman geschrieben. Mehr noch: Es ist ein ganz und gar schönes Buch, das man da in Händen hält, optisch und haptisch ein Glücksfall! Schön, dass es Bücher noch gibt. Der Romananfang ist konventionell, aber genauso gekonnt kalkuliert wie etwa der Anfang seiner frühen Erzählung Anderntags: „An einem Nachmittag, plötzlich, wie ohne mein Zutun, stand der erste Satz da, keine Zeile lang. Ich hatte begonnen.“ So unversehens kommt auch der Gymnasiallehrer dazu, diese Geschichte aufzuschreiben, am Ende des Romans, der tatsächlich „eine Ahnung vom Anfang“ spiegelt: scheinbar einfach komponiert, aber eben genial. Was dazwischen erzählt wird, ist „ganz und gar herausgefallen aus der Zeit“. Es ist in drei Teile gegliedert (Damals im Sommer, Der Reverend, Draußen am Fluss, und einen kurzen Schlussteil, Nach allem – In das dunkelste Blau), die Welt einer Provinz, in der sich ein Direktor Aschberner, Pfarrer Bleichert, ein „grimmiger Verweser der ewigen Wahrheit“, ein Inspektor Hule oder ein Herr Frischmann von der lokalen Presse tummeln – nicht ganz unähnlich dem Universum, ja: des Räuber Hotzenplotz oder der Pippi Langstrumpf? Natürlich: Es ist dies auch eine Geschichte des Lesens, in der so gewichtige Werke wie Der Kinogeher von Walker Percy, Der große Gatsby von Scott Fitzgerald oder Himmel über der Wüste von Paul Bowles vorkommen. Es geht um „diese literarische Sehnsucht und dieses literarische Glück. Sich in einer Situation vorzustellen, wie man sich später daran erinnern würde, nur um dann zu erkennen, dass man das, woran man sich erinnerte, nicht mehr haben konnte … Man schob den Augenblick in die Zukunft, um von dort aus alles in der Vergangenheit zu haben, in der es dann verloren war, und was einem blieb, ging auf in der bleierne Schwebe der Melancholie.“ Beides, die tief bohrende Reflexion und das abenteuerlich flirrende Paradies, gehen ungestelzt und kitschfrei ineinander auf. Beim Lesen ergeht es einem nicht viel anders als dem Erzähler, der die Familie des Reverends englisch sprechen hört: „Sie sprach englisch, doch mir kam es eher vor, als würde sie eine Sprache aus einer anderen Zeit sprechen. Es hätte aus einem mittelalterlichen Versepos stammen können, und ich wäre ein Ritter gewesen, der nach langer Irrfahrt nach Hause kam und vor der Lösung des Rätsels stand, das ihn um die ganze Welt getrieben hatte.“ Norbert Gstrein hat eine scheinbar einfache Geschichte mit scheinbar einfachen Mitteln erzählt. Wenn das Wort nicht so abgedroschen und daher unpassend wäre, könnte man meinen: eine gelungene Reform. |
Es gibt Robert Walsers Mikrogramme Aus dem Bleistiftgebiet und Daniil Charms Miniaturen aus dem Archipel Gulag; es gibt Italo Calvinos Cosmicomics aus den unendlichen Weiten der Science Ficton und Claudio Magris‘ Microcosmi aus den Détails der großen Welt; es gibt schließlich Ingo Schulzes Simple Storys aus der ostdeutschen Provinz und Judith Hermanns Geschichten aus dem Berlin der 1990er-Jahre; und endlich – um regional näher zu rücken – gibt es Irene Pruggers Erzählungen am Scheideweg der Geschlechter und, ja, jetzt gibt es Christoph W. Bauers Erzählungen „In einer Bar unter dem Meer“. Warum werden sie gerade dort erzählt? (Denn „In einer Bar unter dem Meer" ist keine titelgebende Story, sondern der Titel von Bauers erstem Erzählungsband. Das Meer kommt nur als „Dahingeplätscher, das Emira ans Meer denken ließ“ vor, und die Bar durchaus oberirdisch als „Stammkneipe“ etwa, die eine Figur „ansteuerte“, ein gewisser Landmann, der „eine Frau in seinem Rücken laut und deutlich ‚Arschloch‘ sagen hörte.“) Nun, man mag sich die Literatur wie ein riesengroßes Meer vorstellen. Leicht möglich, dass ein Autor die Orientierung verliert ob der Weite. Oder aber er sondiert die Lage und nimmt das Steuerrad in die Hand, um von lyrischen und prosaischen in epische Gewässer zu gelangen. Wer kundig ist, wird einen guten Lotsen anheuern, Tschechow etwa, der seinen Figuren folgt und Umstände dann weglässt und verknappt. Und die Bar „unter dem Meer“? Hier muss es jedenfalls ruhig zugehen, hier lässt es sich gut beobachten, eventuell auch, wie andere Meereskundige dieses elementare Reich durchpflügen. Warum aber überhaupt sollte man so ein Aufheben machen um Erzählungen? Einfach deshalb, weil es noch immer und wieder das Klischee gibt, dass Literatur-Aficionados Erzählungen nicht kaufen und nicht lesen. Warum eigentlich, bitte schön?! Es ist eine ungemeine Lust, Erzählungen zu lesen, so auch diese, weil sie auf kleinem Raum große Vielfalt zulassen. Die Schwedische Akademie hat heuer eine «Meisterin der zeitgenössischen Kurzgeschichte» nobilitiert, sie ist, so wollen es die Medien „die kanadische Antwort auf Tschechow“. Sie ist „eine Meisterin der Knappheit“ (Die Zeit) sowieso, „Melancholie färbt ihre Sprache“ (Tagesspiegel), „stupende Menschenkenntnis“ und ein „denkbar abwechslungsreicher, technisch höchst entwickelter, dennoch scheinbar simpler“ Erzählstil sind ihre Atouts (Die Welt). Munro, so sagt Jonathan Franzen, habe Tschechow sogar übertroffen – und der war doch nun wirklich kein Anfänger! Wie auch immer, und zurück zum 'jungen Mann und dem Meer': Bauer bleibt in jedem Fall auf hoher See, das hier ist nichts Seichtes. Mit der ihm eigenen Bescheidenheit würde er sich – angesichts der genannten Meister – sicher als Geselle einstufen, aber die hier abgelieferten Erzählungen sind beileibe nicht bloße Gesellenstücke. Munro mag im besten Sinn altmeisterlich sein, Bauer ist im besten Sinn neumeisterlich. Er verkörpert nicht Klassisches, sondern kommt doch viel eher von der coolen Lakonik der Amerikaner. An den alten, immer wieder neuen Raymond Carver erinnert das, mit einem bissig witzigen Schuss T. C. Boyle: „In einer Bar unter dem Meer“ das reimt sich ja nachgerade auf „Wenn der Fluß voll Whisky wär“. Aber nein, es ist nicht so wie bei Bauers Filmemacher in der Erzählung „Full Shot“, der „froh war, seine Ausbildung in den USA gemacht zu haben.“ Gute Plots, gekonnter Schnitt, rasant wechselnde Stillagen – das sind durchaus auch europäische Tugenden. Vielleicht sollte man einfach dazusagen, dass diese Erzählungen sehr originell, wohl überlegt und keinesfalls abgekupfert sind. Es macht wenig Sinn, hier Geschichten nachzuerzählen oder Passagen zu zitieren – man käme aus dem Zitieren gar nicht mehr heraus. Hier findet man einen kleinen Kosmos von 19 Geschichten, subtil vernetzte Erzählstoffe, die man unbedingt zur Lektüre empfehlen kann. Bauer liest auch noch sehr gut, daher auch Lesungen besuchen! Das Schönste aber überhaupt ist, und das spürt man bei jeder Zeile: Dieser Autor wird nicht stehen bleiben, er wird sich noch weiter entwickeln.
|
Rosendorfer geht – und bleibt doch Rosenbach ist eine Künstlerin und Beuys-Schülerin, Rosenberg, Alfred, ab 1923 Leiter des „Völkischen Beobachters“, die Rosenbürstenhornwespe etwa 1 cm groß und Herbert Rosendorfer Schriftsteller und Jurist. Diese zufällige Reihenfolge sieht Band 12 des Brockhaus 1998 vor. Der Stein-Satz „Rose is a rose is a rose is a rose“ hat nichts von dieser Zufälligkeit, und auf ihn anspielend könnte man durchaus (und nicht zufällig) den Grund-Satz „Rosendorfer is a Rosendorfer is a Rosendorfer is a Rosendorfer“ prägen. Er trifft zu. Seit Rosendorfers erste Erzählung Die Glasglocke 1956 in Wort im Gebirge veröffentlicht wurde, sind viele Bücher dieses Autors erschienen, bis hin zum vorliegenden postumen Erzählungsband vom Oktober 2012. Dass dieses letzte Buch, Die Kaktusfrau, ein echter Rosendorfer ist, so echt, wie es Die Glasglocke Jahrzehnte früher war, ist unverkennbar. Rosendorfers Kaktusfrau hat so richtig gar nichts von einer Esther Greenwood, jener literarischen Figur, die in der Glasglocke eine Rolle spielt, aber eben in einer ganz anderen… Die Frauen, die in diesem Erzählungsband titelmäßig auftreten – Das Mädchen mit dem Nasenringelchen, Die junge Wasserträgerin, Die Heimat der grünlichen Schwestern, Die Jung- und Die (bereits erwähnte) Kaktusfrau –, haben so richtig gar nichts von Selbstzerfleischung, Bekenntnis und permanenter Innenschau Plath’schen Zuschnitts. Diese Frauen, und nicht nur diese in Titeln angeführten Frauen, treten gern bar auf, sei es bar jeder Kleidung, also nackt, sei es bar jeder Persönlichkeit, also typenhaft. Irgendwie. Wie? Nehmen wir das weibliche Personal der Erzählung mit dem Titel Steinmann. Da haben wir zunächst einmal die sprechend benamsten: Herrn Zeppers Mutter, Erna Witwe Zepper geborene Silberwastl; dann Fräulein Hirschler; schließlich eine Gattin, die von einer Schlange attackiert wird: „Sie (die Schlange) biß die Gattin eines Parlamentsabgeordneten, die gerade auf der Kundentoilette eines Kaufhauses saß, wohin sich die Schlange verirrt hatte. Durch den Biß quoll die Parlamentariergattin zu etwa der zweieinhalbfachen Dicke auf, weshalb der Parlamentarier sich weigerte, sie weiterhin als seine Ehefrau anzuerkennen“; und endlich eine Geliebte, eine „Schriftstellerin namens Müller (nicht zu verwechseln mit der bekannten Autorin Hingerta Müller, der Verfasserin des berühmten Bestsellers Rapunzels Schamhaar)“, die eine Gasexplosion „durch ein Wunder“ überlebt: „Sie wurde aus dem Haus gefegt, wobei sie allerdings durch den Luftdruck restlos entkleidet wurde. Sie stand nackt vor den Trümmern des Hauses, als die Feuerwehr kam, und hielt das Manuskript ihres Romans krampfhaft vor ihre Blößen“. Und so weiter. Ganz klar: Dieser Steinmann ist nicht das beste Stück im Buch. Und es gibt wohl auch sonst noch so einige Ausrutscher. Richtig ist freilich auch, dass Rosendorfer hier wie immer seine Qualitäten hat: seine fantastischen Absurditäten, seine surreale Mythologie und ketzerische Theologie, seine Satire, frei von jeglichem Pathos. Er kann gar nicht anders, er muss – schreiben, und so schreiben, wie er immer schon geschrieben hat: das Erhabene vom hohen Sockel nehmend und auf dem Studiertisch bloß stellend. So ergeben sich für ihn und uns Leser neue Perspektiven. Die beste Erzählung im Buch ist – ganz in diesem Sinn – gar nicht von Rosendorfer, sondern von Gogol. Rosendorfer lässt sie einen Juristen erzählen, einen gewissen Jewgraf Konstantinowitsch Tichonov. An jedem Satz merkt man, wie fein geschliffen die Spitzen dieses Autors sein können und wie gut er fremde Töne zu imitieren vermag. Viel hat er also geschrieben, dieser Rosendorfer, und nicht Weniges wird originell bleiben, gerade was seinen Blick auf Tirol betrifft (das auch in diesem Buch hier und dort auftaucht). Kein Wunder, dass so knorrig-verschmitzte Herren wie Wolfgang Pfaundler, Paul Flora oder Otto Grünmandl die virtuos verschraubte Satire dieses Schriftstellers und Juristen hoch schätzten. Ob er deswegen ein (Süd-)Tiroler Autor ist? Horst Seehofer, der ihm 2010 den Corine-Buchpreis verlieh, meinte ja damals, dass Rosendorfer „mit seiner hintergründigen Komik und seinem subtilen Humor den Bayern aus der Seele“ spreche. Das sollte zumindest aus literarischer Perspektive kein Stein des Anstoßes sein. Es gilt ja: „Rosendorfer is a Rosendorfer is a Rosendorfer is a Rosendorfer“. |
Vom Langsamen im Geschwinden Man darf sich diesen Samuel Finley Morse nicht als Gegenteil eines John Franklin vorstellen: Der eine überwindet, der andere entdeckt die Langsamkeit. Der eine versucht im reißenden Druck des Zeitstroms zu überholen, der andere schwimmt gegen ihn an. Allein mit solcher Beschreibung geraten Bild- und Sinnhaftigkeit aneinander. Was bleibt, sind zwei Buchtitel: jener geniale, „Die Entdeckung der Langsamkeit“, von Sten Nadolnys Welterfolg über den englischen Seefahrer und Nordpolforscher, und der darauf anspielende, „Die Überwindung der Langsamkeit“, von Margit Knapps Biografie des „Begründers der modernen Kommunikation“, so der Untertitel. Was Bücher anlangt, hat die Schwazer Autorin, bislang einige herausgebracht – literarische Reise-Anthologien, Biografisches, Kulinarisches, Gesellschaftliches –, und vornehmlich viele gelesen bzw. lektoriert, lange für Wagenbach, jetzt für Rowohlt. Der Reiz am Erfinder der Morse-Telegrafie und des Morse-Alphabets dürfte dessen hierzulande wenig bekannte Persönlichkeit gewesen sein: der konservativ protestantische Amerikaner, Befürworter der Sklaverei und Pazifist, als Familienmensch und Künstler gleichermaßen erfolgreich wie gescheitert. Der Aufbruch ins amerikanische Zeitalter, die Atmosphäre des 19. Jahrhunderts, diesseits und jenseits des Atlantiks, politisch, künstlerisch und technisch, werden hier klar vorstellbar und lebendig. Wie Nadolny schöpft Knapp aus allen verfügbaren Quellen, gestaltet ihre Figur in Zitaten aus vorhandenen Briefen, Tagebüchern und Zeitungsberichten: nicht fiktional, sondern plastisch, mit historischem, psychologischem und nicht zuletzt technischem Gespür. Den Draht zum Leser, der in die Vergangenheit blicken möchte, um Bezüge zur Gegenwart herzustellen, hält diese Biografie Kapitel für Kapitel. Es geht um Morses Lebensziel, das er mit beeindruckendem unternehmerischem Wagemut und zäher Beharrlichkeit verfolgt: Nachrichtenübermittlung in Echtzeit über den Atlantik. Es ist eine Errungenschaft, die ihn auf eine Ebene stellt mit Zeitgenossen wie den Mathematiker und Astronomen Carl Friedrich Gauß oder den Naturforscher und Weltvermesser Alexander von Humboldt, die ihrerseits den Geist des Erzählers Daniel Kehlmann beflügelt haben. Humboldt und Morse haben einander übrigens ebenfalls getroffen, was nur zeigt, wie klein die Welt bei aller Größe ist. Und die Tatsache – dies bleibt nachzutragen –, dass Morse die Langsamkeit überwand, ist selbst einem langsamen Prozess geschuldet, den Morse mit Franklin teilt: dem Prozess des Grübelns und Nachgrübelns. |
Judith W. Taschler, Sommer wie Winter. Roman. |
Raoul Schrott, Arthur Jacobs, Gehirn und Gedicht. Wie wir unsere Wirklichkeiten konstruieren. |
Bernhard Aichner, Die Schöne und der Tod. Me too Nur in angemessener Kürze soll hier ein produktionsästhetisches Phänomen verhandelt werden, das der Ökonom als «Me-too-Produkt» bezeichnet. «Me-too-Produkte» sind Marktfolger-Produkte. Jahrhunderte nach prototypischen Geschichten über kriminelle Schuld und Sühne – Schiller (!), Hoffmann, Poe, Stevenson, Doyle oder Glauser – dachte man sich also etwa bei Suhrkamp «me too» und zog mörderische Seiten auf, eine neue Taschenbuch-Reihe mit Kriminalromanen: «deutsche Erstausgaben und Originalausgaben, erstklassig übersetzt, von international bis regional, vom Thriller bis zum klassischen Whodunit, von zart bis hart». In Verlagsdeutsch auf den Punkt gebracht heißt das dann: «Am Anfang war der Mord». Das hatte man sich bei Haymon schon viel früher gedacht, 1994 nämlich, als man Kurt Lanthalers «Tschonnie-Tschenett»-Romane ins Programm nahm. Dafür dachte man dort erst später, 2008, an ein anderes Me-too-Produkt, Taschenbücher – als einziger Verlag in Österreich, und schön sind sie außerdem geworden. Selbstverständlich gibt es in der neuen TB-Reihe Krimis, zuletzt von Kurt Bracharz und Thomas Askan Vierich. Die Herbstsaison 2010 startet nun mit Bernhard Aichners «Die Schöne und der Tod» als Spitzentitel. Zur Ausgangslage: Aichners Serienhelden sind der Totengräber Max Broll und der ausgediente Fußballstar Baroni, beide Mitte 30. (Ein Pompfünebrer und ein Fußballer als Ermittler? Das mag auf den ersten Blick schräg sein. Aber wenn man bedenkt, dass Akif Pirincçi Katzen, Leonie «me too» Swann Schafe, Carsten Sebastian «me too» Henn Hunde und ein gewisser Arne «me too» Blum Schweine ermitteln lässt?) Aichners menschliche Ermittler sind irgendwo in einem Dorf des österreichischen Westens geboren und dort leben sie auch, obwohl sie Wiener Großstadtluft geatmet haben, der eine als Publizistikstudent und Journalist, der andere als gefeierter Fußballprofi. Mitten in ihre bohemienhafte Idylle platzt der Titel gebende Tod der schönen Marga und des jungen Dennis. Das bulimische Fotomodel ist in Wien in den Tod gesprungen, in ihrem Heimatdorf auf Max‘ Friedhof begraben, dann aber aus ihrem Grab entwendet worden. Eine Mediensensation! Und Max‘ Gehilfe Dennis ist erfroren. Obwohl: Weil die Leichenstarre ausbleibt, zeigt sich schließlich, was Max vermutete: Fremdeinwirkung, erschlagen – und erst später scheinbar erfroren aufgefunden. «Du sollst deine Finger davon lassen», sagt Max‘ Stiefmutter Tilda, die die Ermittlungen in dieser Angelegenheit offiziell führt. Aber da ist es eigentlich schon vorbei, in diesem ersten Kapitel, das Aichner mit «Null» überschreibt. Wirklich abhalten hat sie Max nicht können. Der will alles wissen, schließlich steckt er tief drin, weil ihn eine unglückliche Liebe mit Margas Schwester Emma verbindet. Baroni folgt seinem besessenen Freund Max bis in die Wiener Rotlicht-Szene und taucht für ihn im eisigen Wasser des Dorfsees. |
Josef Oberhollenzer, Der Traumklauber. Eine Erzählung in 52 Träumen. |
Raoul Schrott (Übertragung, Nachwort, Anmerkungen), Die Blüte des nackten Körpers. Liebesgedichte aus dem Alten Ägypten. |
Christoph W. Bauer, Der Buchdrucker der Medici. Erzählung. |
„Theater ist Totenbeschwörung“, hat Thomas Oberender, Schauspielchef der Salzburger Festspiele, unlängst in einem STANDARD-Interview gesagt und von Figuren wie Ödipus gesprochen, die “Figuren von monströser Verdrängung“ sind. Immer wieder treten sie auf, „eine endlose Wiedergängerei.“ |
Alois Hotschnig, Im Sitzen läuft es sich besser davon. Erzählungen. Endlicher Ernst |
|
„Es gibt“ also, wie Ladurner feststellt, „viele gute Gründe, über Solferino zu schreiben.“ Aber Ausgangspunkt war wie bei Stifter ein Urgroßvater. Er war kein „weitberühmter Doktor und Heilkünstler gewesen, sonst auch ein gar eulenspiegliger Herr, und wie sie sagen, in manchen Dingen ein Ketzer“ wie der Stiftersche; sondern er war Schuster in Südtirol, war als Soldat in der Schlacht von Solferino, und später ist er zum Dorfschreiber aufgestiegen, nach dem Krieg, über den er wohl geschwiegen hat, ebenso geschwiegen wie der Großvater über den Ersten und der Vater des Autors über den Zweiten Weltkrieg. Nichts vom Urgroßvater ist geblieben außer seinem Tagebuch vom Krieg in gut lesbarer Kurrentschrift. „Vielleicht hat mein Urgroßvater später, als er älter war, seinen Kindern von diesem Krieg erzählt. Ich weiß es nicht, doch ist es möglich. Wenn er es getan hat, dann könnten seine Worte weitergewandert sein durch die Zeit, von seinem Mund zum Mund meines Großvaters zum Mund meines Vaters. Doch so ist es nicht gewesen. Kein Mund hat mir etwas von diesem Schrecken erzählt, nur sein Tagebuch.“ Mit einfachen Mitteln schildert dieser Soldat, das Schöne wie das Schreckliche, ohne große Dramaturgie. Sparsam und voll Pietät zitiert Ladurner aus den Aufzeichnungen, erzählt wo notwendig Familiengeschichte, montiert ausgewählte Literatur und erstellt „die Schritte meines Urgroßvaters möglichst genau nachvollziehend“ eine „historische Reisereportage“. In Ton und Motivation ist das Buch Ingrid Strobls „Anna und das Anderle“ nicht unähnlich. Es endet auf dem Solferiner Golgatha, dem dortigen Ossarium, das die Gebeine der Kriegstoten sorgsam nach Schädeln und Rumpfknochen ordnet. Diese Schädelstätte im beschaulichen Örtchen nahe dem Gardasee ist ein schauerlicher Erinnerungsort. Krieg ist keine schöne Sache. Das ruft uns dieses sehr persönlich gehaltene Büchlein ohne heldenhafte Überhöhung in Erinnerung. Was den Ladurners bleibt, ist das in rissiges Leder gebundene Tagebuch: „Es hat einen sehr weiten Weg durch Raum und Zeit zurückgelegt. Ich hoffe, dass seine Reise weitergeht.“ |
|
Unlängst hat der Pariser Autor Eric-Emmanuel Schmitt in der Innsbrucker Buchhandlung Wiederin gelesen und wurde vom Publikum gefragt, wie er denn zum Schreiben kam – ein wahrer Klassiker unter Publikumsfragen an einen Autor. Bei Schmitt war's so, dass er a) als Autor eigentlich eine Folge des frustrierten Komponisten, der er auch war, ist; und b) schon immer geschrieben hat, wobei: Zuerst war bei ihm alles Geschriebene leer, erst nach einem mystischen Bekehrungserlebnis in der Sahara (er war vorher Atheist gewesen) füllte es sich mit Sinn. Jetzt ist er Bestseller-Autor. Ich denke mir, dass Thomas Schafferer, ganz wie sein Kollege Schmitt, b) schon immer geschrieben hat. Initiationserlebnisse in der Wüste dürften ihn aber wenig kratzen. Was ihm zu Sahara einfällt? Na, zum Beispiel unter dem Titel leger: „ob im saharasand/oder schneegestöber/bleiben sie immer/entspannt und leger // hier gibt Bestseller-Autor ist Thomas Schafferer noch keiner, vorerst erscheinen seine zahlreichen Bücher mit freundlichen Vorwörtern und in Verlagen mit fantasievollen Namen. Auch nahm seine Schriftstellerkarriere nicht den Umweg a) über den frustrierten Komponisten. Schafferer ist laut Selbstauskunft (Fußballer-)Schriftsteller-Maler-Konzeptkünstler-Kreativkopf, und das zufrieden und immerzu in einem. Er liebt die Pose und ist überhaupt mutig, um nicht zu sagen rotzfrech: Andere, womöglich ältere Zeitgenossen würden sich eventuell in Grund und Boden genieren, ihr Innerstes derart filterlos herauszuschreiben, ins Netz zu stellen oder/und zwischen Softcover-Buchdeckel zu drucken. Aber: Es gibt auch nichts Gutes, außer man tut es. Und Thomas Schafferer tut es eben. Ab den Hut vor so viel Mut! Richtig stimulierend kann zum Beispiel Schafferers lyrik rocks wirken, dieses Kalauern, das er so gut beherrscht. Beispiel: „ein einziger blick in die dorfdisko genügt: alles foxtrottel“ (trott); oder: „wussten sie schon, dass geisterfahrer total entgegenkommend sind?“ (übrigens schnell noch was...); oder: „kommt der begriff 'fungieren' aus der pilzzucht?“ ((etymo) logisch). Das sind richtige Schenkelklopfer, und wie gesagt keine schlechten. Prosaisch aufgelöst findet man das in den Kaiserschmarrn-Kurzgeschichten, kabarettartigen Satiren und Probierstücken. Kehren wir aber zum Vergleichen mit Kollegen zurück: Wie Goethe hat Schafferer eine Italienreise hinter sich, bzw. wieso eine? Es sind mehrere! Schafferer liefert hoch gespannte Erlebnislyrik davon, erste Einträge am 9. September 1992, letzte am 31.12.2006. Und selbstredend werden sie publiziert: zunächst im Eigenverlag, dann im Verlag pyjamaguerrilleros, schließlich im perspektivenverlag zu Kösching. In der Herausgabe seiner eigenen Schriften ist Schafferer nicht weniger akribisch wie der alte Goethe, ordnet neu, kommentiert, ebnet den Zugangsweg für den/die zeitgenössische/n Leser/in und die zukünftige Forschung. Wo, darf man im Übrigen zwischendurch fragen, hat eigentlich Goethe seine Erlebnis-Lyrik publiziert? Na, zum Beispiel in der "Iris", einer "Zeitschrift für Frauenzimmer", oder im handschriftlich verteilten "Tiefurter Journal" oder im "Teutschen Merkur", ja, und die "Römischen Elegien", "zwar schlüpfrig und nicht sehr dezent [...], aber zu den besten Sachen" gehörend (Schiller), gingen an die "Horen". Die besten Sachen von Schafferer – literarische Readymades gepaart mit foto-/grafischen (und hier fällt mir zum Vergleich nur der Name Schlingensief ein) – gehen an die Edition BAES. Es handelt sich um die Online-Tagebuch-Projekte 2005 stunden im netz und 2008 stunden im netz, die ursprünglich als Weblog auf www.schafferer.net erschienen. Obwohl das Buch sehr schön gemacht ist, gehören diese Dinge durchaus ins Netz. Denn Leserkommunikation wird in Bälde ohnehin übers Netz stattfinden. »Künftig«, meinte Jürgen Jeffe von der ZEIT in seinem Beitrag zum Welttag des Buches am 23. April 2009, »braucht ein Buch einen Autor, aber ein Autor kein Buch. Zumindest keines von Gewicht, das hergestellt, verpackt, verschickt und verkauft werden muss.« Schafferer gehört längst dieser buchlosen Generation an, auch wenn er hier einen Stapel von geschätzten anderthalb Kilo abliefert. Und er ist auf dem richtigen Weg. |
Eroberer des Nutzlosen Bei Bergschriftstellern ist das anders. Ihre Reiserouten führen zumeist weg von menschlicher Zivilisation steil nach oben. »Stillschweigend beginnen sie in Richtung Gipfel zu klettern.«, heißt es im neuen Buch von Reinhold Messner folgerichtig von den zwei Bergsteigern Bonatti und Mauri; und als dann am Morgen des 7. Feber 1958 zwei Kollegen, ebenfalls in Richtung Adela-Gipfel, auftauchen: »Bonatti und Mauri freuen sich über die Begegnung: Es ist das erste Mal, dass sie Landsleute in Patagonien treffen, und es fehlt nicht an Unterhaltungsstoff. Maestri aber bleibt abweisend und stumm. Um 12.30 Uhr verabschiedet man sich, und jede Seilschaft setzt ihren Weg fort.« Hier herrscht ehrgeiziger, rivalisierender Sportsgeist, keiner will außer Atem und Tritt kommen. Der (noch unbestiegene) Stein des Anstoßes heißt Cerro Torre, ein über 3.100 Meter hoher Granitblock, zwischen der argentinischen Pampa und dem chilenischen Kontinentaleis gelegen, in den Anden Patagoniens. Es ist die Zeit »jener Generation von Bergsteigern, die sich vor allem durch Neutouren auszeichneten«, aber noch gilt: »Der ›Torre‹ war 1958 unmöglich. Es fehlte an der richtigen Ausrüstung, am Know-how, an Erfahrung. In Patagonien kann man nicht klettern wie in den Dolomiten.« Der stumme Cesare Maestri aber, ein Großmaul in der Ebene, nennt sich selbst »die Spinne der Dolomiten«. Und um ihn geht es hier: einerseits um »sein Temperament, seine ganze Kraft – sowohl die körperliche wie die geistige – [...] auf die paar Quadratmeter Fels gerichtet, an denen er gerade hängt und weiter emporturnt.«, und andererseits um den Mann mit »Vorliebe für das Theatralische«, den »genialen Felskletterer«. Felskletterer, Bergsteiger: Klar sind es Männer, die der Berg ruft. Bergsteigerinnen wie Gerlinde Kaltenbrunner sind ein jüngeres Phänomen. Wenn sie mit ihren Kolleginnen Nives Meroi und Edurne Pasaban auf den Achttausendern dieser Erde unterwegs ist, gibt es keinen Wettkampf. »Ihre Leidenschaft gilt nicht allein den hohen Bergen des Himalajamassivs. Auch von den Menschen und deren fremder Religion und Kultur lässt sie sich bewegen und verzaubern.«, liest man auf ihrer Homepage. Völlig atypisch für Männer! Männer ruft der Berg, Männer wie Messner, der das »Klettern als Rebellion gegen das flache Leben« definiert. Und bei ihm ruft der Berg auch nicht bloß, als der wohl »schwierigste« Berg der Welt schreit der Cerro Torre sogar, es ist ein »Macho-Berg« par excellence, der »Marilyn-Monroe-Berg« (Andy Kirkpatrick). Der eindringliche Schrei drang auch zu Werner Herzog, der unter dem Titel Schrei aus Stein (1991) seinen schwächsten Film produzierte: ein verunglückte Dreiecksgeschichte rund um den Cerro Torre, an der auch Messner – den Herzog in der TV-Doku Gasherbrum – Der leuchtende Berg 1985 porträtiert hatte – nicht unerheblich beteiligt war. Das Buch jetzt, 50 Jahre nach dem historischen Ereignis, zeigt Messners Interesse, »diese Geschichte nachzuerzählen und nicht zum x-ten Mal eine eigene«. Angekündigt wird die Faction um die angebliche Erstbesteigung des Cerro Torre durch Cesare Maestri und Toni Egger im zweiten Anlauf Jänner 1959 als »Bergsteiger-Krimi«. Maestri ist Messners Figur, die – zunächst aus dem Blickwinkel des jugendlichen Zeitzeugen nachgezeichnet (»Cesare, mein Held [...], der Rebell, der bedingungslose Freikletterer«) – sich zusehends mit der realen Person der letzten Jahrzehnte vermischt. Ganz in der Tradition des bergsteigenden Rivalen verweigert dieser Cesare Maestri allerdings seinem recherchierenden Konkurrenten die Aussage. Das Verbrechen Maestris besteht darin, dass er – nach schweigsamem Reiseantritt (»der Aufbruch am 28. Januar 1959, in aller Stille, wie ein Ritual«) – zurück von der Reise gegen das Gesetz der Schweigsamkeit verstößt; als vortragender Showman erzählt er ein tragisches Bergmärchen (Erstbesteigung gelungen, Partner beim Abstieg verunglückt). Und Messner, Beobachter aus der Ferne und Chronist, entdeckt sukzessiv Widersprüchliches. Ein Verdikt über dieses heroisch inszenierte Erzählen alpiner Historie ist bald gefällt: »unmöglich« diese Erstbesteigung, unmöglich wie schon 1958; dann folgen ein hin- und herwälzendes Räsonieren über Motive und Emotionen der mythischen Hauptfigur sowie sämtliche Kronzeugen der »Unmöglichkeit der Tat« (das sind die späteren Expeditionen, denen die Besteigung miss- oder gelingt). Messner, dem Klettern und Bergsteigen »anarchisches Tun in einer archaischen Welt« sind, geht es um das Zurechtrücken der Geschichte. Spannend schildert er, was laut Maestri geschah und was warum so nicht sein konnte; er liefert das Psychogramm eines vom Ruhm Getriebenen, der als pathetischer Vortragender in Bann schlug, aber mit dem Großteil der Bergsteiger-Community in Fehde lag. Mag sein, dass Messner wichtige Literatur zum Thema (Tom Dauer, Peter Meier-Hüsing) unterschlägt und sich selbst in den Vordergrund schreibt. Ja, und alles, was man von Patagonien erfährt, ist selbstredend auf den Cerro Torre reduziert. Zwei Seiten und ein Foto bloß über den nächsten zivilisierten Ort (das geschichts- und gesichtslose Touristen-Kaff El Chaltén). Man sieht: Messner hat so gar nichts von Chatwin. Kletterer und Bergsteiger reisen nicht für andere, sie reisen nur für sich. Diesen egomanen Solotrip, dessen schweigsames Gegenüber der unerbittliche Berg ist, gilt es mit allen Mitteln des Suspens beredt darzustellen, um Bewunderung für den Bezwinger zu erregen. Vielleicht ändert sich das aber, wenn die Zukunft des Kletterns und Bergsteigens weiblich wird? |
»Für die einheimische Sprachkultur bin ich eine Erlösungsphase.« Das ist der letzte Satz, den Dietmar Raffeiner auf Track 7 der CD spricht, die in diesem Buch eingeklebt ist. Er liest (leider nur) einen Text des Prader Künstlers Georg Paulmichl vor, dessen sprachliches und malerisches Talent er als Kunsterzieher in der Behindertenwerkstatt Prad Mitte der 1980er Jahre entdeckte. Seitdem schreibt Georg Paulmichl unter seiner Anleitung Konstellationen, die aufgrund ihrer eingängigen poetischen Raffinesse rasch Anerkennung und Absatz fanden – gelesen wie gedruckt, zuerst im Eigen-, dann im Haymon Verlag. Strammgefegt (1987), Ins Leben gestemmt (1994), Vom Augenmaß überwältigt (2001), Mensch (2003) heißen die Werktitel; Verkürzte Landschaft, Paulmichls/Raffeiners Haymon-Debüt aus 1990, ein Longseller, war zuletzt vergriffen und dieser Umstand führte dazu, ein Best of unter dem Titel Der Georg. Texte und Bilder von Georg Paulmichl herauszubringen. Auf der Buch-CD finden sich sechs Texte vertont. Dass diese Vertonungen (Komposition, Gitarre: Wolfgang Paulmichl, Walter Tolloy, Gesang: Erwin Windegger) den Texten gerecht werden, kann man nicht sagen; hier klingt alles nicht viel anders als gängiger deutscher Musicalverschnitt. (»Ich bin der wichtigste Paulmichl«, soll der Dichter Paulmichl einmal gesagt haben, und für diesmal hat er eindeutig recht.) Beim Lesen zeigen sich Paulmichls/Raffeiners Satzkonstellationen jedoch in alter Frische. Ihr anarchischer Mutterwitz verrückt die gewohnte Semantik, legt so den Staub hinter Worthülsen frei und bringt diese in ungewohnter Umgebung neu zur Geltung. Solches nannte der spanische Avantgardist Ramon Gomez de la Serna »greguerías«. Bei ihm klingen sie etwa so: »Ein Schwan ist das große S im Gedicht des Teichs«, oder: »Der Ventilator rasiert die Hitze« (Greguerías, 1917). H. C. Artmann hat die Sache eingedeutscht: »Das schulhaus besitzt fassaden und eine gründungsinschrift, ein garten mit chloroformrosen umgibt es im quadrat. In seinen fenstern spiegeln sich die blauen himmel, in den augen der schüler spiegeln sich die lehrkörper. Das erlebnis des lehrers ist der rohrstock, er ist seine beste suppe.«, oder: »Der frühe strahl der morgensonne trifft zuerst den gipfel des hohen berges – er vergoldet ihn mit seinem zeigefinger.« (Fleiß und Industrie, 1967). Es ist schon frappierend, in welche Nähe zueinander diese Dichter aufgrund ihrer Technik geraten, »greguerías« und »georgías« sozusagen. Während Artmann, der poeta doctus, von Gomez de la Serna wusste, wissen Paulmichl/Raffeiner sicher nichts von ihm. Und dennoch ist die »Zunge […] vom Denkkopf gezügelt«, wenn die beiden ans Werk gehen und ihre Reihenstakkatos dann von der verkürzten Süd- oder Nordtiroler Landschaft und ihren Leuten erzählen, wenn sie von Gott und der Welt, viel vom Leben und viel vom Tod verdichten, vom himmelspfortigen Universum und vom menschlichen Erdreich. Prominente Kollegen wie Thomas Hürlimann und Felix Mitterer faszinierte diese poésie brutte, dichterische Rohkost, wie sie etwa auch Ernst Herbeck alias Alexander unter der Anleitung seines Arztes Leo Navratil in der Niederösterreichischen Landesnervenklinik Gugging produzierte und damit nicht minder prominente Kollegen wie Gerhard Roth und W. G. Sebald in Bann schlug. Es ist die andere Seite des Lebens, auf die unser Blick fällt, Worte und Bilder von der anderen Seite, die uns fasziniert und über die wir so wenig wissen. |
„Ein starkmütiges Weib, wer findet es? Ihr Wert ist Dingen gleich, die weither aus fernsten Fernen stammen.“, fantasierte Bruder Willram eher schwachsinnig auf einem Grabstein, welchen das Land Tirol „der Sandwirtin Anna Ladurner, Andreas Hofers Weib“ zur Jahrhundertfeier des Freiheitskampfes 1909 spendierte. Der Brunecker Priester und Verseschmied Anton Müller, der sich so nannte, steht zu seiner Zeit auf der rechten Seite, allwo wir auch den Bergpfarrer Sebastian Rieger finden, der unter dem Decknamen Reimmichl schrieb. Jeannine Meighörner, die zum Gedenkjahr 2009 eine romaneske Biographie der Anna Ladurner für gebildete Stände verfasst hat, nahm sich dazu vom einen den Titel, vom andern die Manier, die bäuerliche Tiroler Empfindungswelt auszustaffieren und zu schildern. „Starkmut. Das Leben der Anna Hofer“ ist ein Roman als eine Art trivialliterarisches gender mainstreaming: Was für Andreas Hofer als Romanstoff recht war, soll für Anna nun billig sein. Viel weiß man nicht von der Hoferin, wie man ja auch nicht eigentlich viel vom Hofer weiß. Daher die bildungsbürgerliche Fiktion, die Anna Ladurner in chronologischer Ordnung auf Goethe treffen lässt (1786), mit Bettine von Brentanos Tirol-Extasen parallel führt (1809/10), den Hamburger Nazarener-Maler Friedrich Wasmann oder den deutschen Publizisten August Lewald zu ihr auf den Sandhof führt (1830). Der dramaturgische Dreh- und Angelpunkt des Romans ist, dass die 45-jährige Ehefrau und Mutter nach Erschießung ihres Mannes nicht bereit ist, „sich länger demütig in ihr Schicksal zu fügen“. Sie fährt nach Wien und bietet dem Kaiser die Stirn. „Aus der Dulderin war eine Jägerin geworden.“ Dieser gewendete Mythos gibt Anlass, Südtiroler Land und Leute durchaus kundig, ausgiebig, aber wohl auch etwas penetrant zu betrachten. Folkloristisch findet sich aufgefädelt, was sie an Perlen zu bieten haben, bevor all dies vor die Kriegssäue geworfen wird: pralle Fluren, selige Bauernschaft, alte Kultur. Insgesamt ein Stoff und eine Fasson, wie sie Reimmichls Volkskalender auch im 3. Jahrtausend noch gern hat. Mich persönlich hat interessiert, ob nun Holzfässer zu Lagerung und Transport von Wein tatsächlich rätischem, und damit „Südtiroler Ideenreichtum“ entsprangen, wie hier behauptet wird. Die Räter, das muss man wissen, waren Vorfahren der Ladurner und hatten diese Fässer den Amphoren- bzw. Ziegenschlauch-Römern voraus, was wiederum die Ladurner im Nachhinein irgendwie besonders macht. Tatsache ist, dass Holzfässer nichts genuin Rätisches sind, es hat sie auch in Britannien, Gallien und Germanien, in Pannonien und Noricum gegeben. Vielleicht sind sie doch viel eher ein Beleg dafür, dass das Tiroler Bergvolk nicht wesentlich anders als andere Völker war/ist? Weder stumpfsinniger (Hebel/Heine), noch weiß Gott wie gewitzter (Wordsworth/Eichendorff). Geschweige mutiger, eher – mit Bezug auf Hofers Zeit – politisch naiv. Aber natürlich: Mit solchen Einsichten kann man zum Jubiläum nicht hausieren gehen. Im Zusammenhang mit 1809 muss alles irgendwie großartig und bedeutsam sein. Dies gilt es nachkommenden Generationen zu vermitteln. Für Sonja Ortner & Verena Wolf ist es geradezu eine Mission, das Tiroler Kleine Volk ab 9 Jahren zur Legende vom Heiligen Ander zu bekehren. Beim Versuchskind und Ich-Erzähler (Ich-Erzählerin?) funktioniert das auch. Es hat zwei prägende Erlebnisse in der Innsbrucker Hofkirche. Zunächst wird anlässlich eines Schulausflugs die Neugier an Andreas Hofer geweckt: "Was hatte er Bedeutsames vollbracht, dass eine Statue von ihm in der Hofkirche stand?" Im Anschluss daran wird die Neugier gestillt. Das Kind darf Geschichte und Vorgeschichte von "anno 09" in sieben Träumen erleben. Das macht ein Zauberstein möglich, den es von einem Waldrappen am Innufer erhält. Nach einer Woche ist Schluss. Das Kind weiß jetzt alles: "Mir wurde klar, wie außergewöhnlich diese Begegnung mit einem so großartigen Menschen gewesen war. Es war mir ein Bedürfnis, heute zu seinem Grabmal zu gehen und dort eine Kerze anzuzünden. Langsam und ehrfürchtig öffnete ich das große Kirchentor. Ein warmer Lichtstrahl fiel auf die weiße Marmorstatue an der linken Wand. Behutsam stellte ich die Kerze auf den Boden vor dem Grabmal. Fest umschlossen in meiner Hand hielt ich den Stein, dem ich alles Erlebte zu verdanken hatte. Plötzlich setzte die Orgel ein, und eine feierliche Stimmung erfüllte den Raum. Ich blieb stehen, bis das Stück verklungen war und verließ andächtig die Kirche." Ob Neunjährige von heute – selbst wenn sie Zaubersteine unter ihren Schlafpolster legen – das Grabmal des Helden in der Hofburg aufsuchen? Ob Verklärung der Vergangenheit wirklich der beste Weg für die Zukunft ist? Die offizielle Landespädagogik zumindest legt das nahe. Inoffiziell geht’s auch anders. Jochen Gassers und Norbert Parschalks „Andreas Hofer. Eine illustrierte Geschichte“ schlägt eine ganz andere Richtung ein. Auch hier spielt das Weinfass eine Rolle, es geht allerdings nicht darum, dass es die klugen Vor-Südtiroler erfunden (oder so) hätten. Nein, Andreas Hofer zieht es gleich zu Beginn auf Seite 5 hinter sich her und tauscht es auf den letzten beiden Seiten im Himmel gegen – ja, gegen „es Biachl von Jochen und Norbert“ ein. Man spürt, dass einen hier ein Hauch Selbstironie anweht, und das tut der Sache ungemein gut! Parschalks Texte sind nüchtern und als historische Grundlage gut zu gebrauchen; Gassers Cartoons wiederum sind zeichnerisch genial und mehrsprachig: „Sö eine Säuerei!“ (ein Sachse in der Klemme), „Du, Håns, wo isch der Schatle?“ (Hofer, im Stich gelassen), „Bin jå net bleed!!! Nix wie haam!“ (Chastelet abziehend), „Gemma weida, oba leise.“ (Stille Flucht der Bayern), „Andrea, che bel nome!“ (Hofers Italienisch-Lehrerin), „Fusillez-le!“ (Das Todesurteil), „Des gibt’s ja neeet … a Tiroler im Theater!“ (Hofer auf Geheimmission nach Wien) usw. Das ist alles herrlich unpathetisch und sehr schön gemacht! Etwas Besseres kann dem Hofer-Mythos gar nicht passieren! Fürs Jubiläumsjahr zumindest, so scheint mir, bleibt dies das ultimative Hofer-Buch, ein Buch für jedes Alter, ein Buch für alle Stände, ein Buch für alle Nationen! |
Homéros, hó arístos kaí theiotátos tôn poietôn Dass »Homer der beste und göttlichste der Dichter« ist, wie es in Platons Ion-Dialog steht (530c), weiß so ziemlich jeder; auch dass er »der erste Dichter des Abendlandes« ist, wie ein Buch von »Trojas strengem Wächter« (so DIE ZEIT in einem Porträt des Basler Gräzisten, Nr. 51, 11.12.2008) Joachim Latacz aus 1989 heißt. Aber wer liest nun eigentlich noch das Werk dieses Genies? Längst sind ja die Zeiten vorbei, als überspannte Jugendliche à la Werther ihren »kleinen Homer« stets bei sich trugen und ihn »dazwischen«, etwa beim »Abfädmen der Zuckererbsen«, lasen, aus einer griechisch-lateinischen Ausgabe wohlgemerkt. Solche Leser gab’s in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Wiewohl, es gibt sie auch noch heute. In der Wissenschaftsbeilage des STANDARD war unlängst von einem niederösterreichischen Linguisten namens Hannes A. Fellner die Rede, der seit 2006 »an der Havard University tätig ist« (Fachgebiet: historisch vergleichende Sprachwissenschaft): »Forschung beschäftigt ihn eigentlich ständig: Oft reicht eine Ausgabe von Homers ‚Ilias’ ... und schon ‚suche ich nach Rätseln, Mustern, Zusammenhängen und Gesetzmäßigkeiten, vergleiche, rekonstruiere und stelle Theorien auf’, verrät der Forscher.« (24./25./26.12.2008) Nicht zuletzt versuchen ganze Universitätsinstitute – etwa in einer Werbebroschüre der ortsansässigen Abteilung Gräzistik und Latinistik – Studienanfänger unter anderem mit Homer zu ködern: »Interessierst Du Dich für Sprachen? Würdest Du gerne große Autoren der Weltliteratur wie Homer, Sappho, Platon, Catull und Ovid im Original lesen? Willst Du zu den kulturellen Wurzeln Europas vorstoßen? Reizt es Dich, das vielfältige Nachleben der Antike zu erforschen, um so unsere Gegenwart besser zu verstehen?« Raoul Schrott, der Homers Ilias im Auftrag des Hessischen Rundfunks (Koproduktion mit Deutschlandfunk) neu übersetzt hat, geht es weniger um diesen erlauchten Studentenkreis. Er hatte vielmehr die gesamtdeutsche Hörerschaft im Auge. Die Sendetermine sind mittlerweile Vergangenheit, 20 Audio-CDs mit der Stimmenvielfalt Manfred Zapatkas seit Herbst 2008 Gegenwart. Und eine Buchausgabe der Neufassung gibt es auch. Denn der Kontakt zur antiken Literatur sei, so befinden Radiosender, Verlag und Autor, »in den vergangenen Jahrzehnten bedroht«. Da möchte man dagegenhalten. Insgesamt schaut die Ausgabe, die im Münchener Hanser Verlag erschienen ist, sehr schön aus: mit Einführung, Stellenkommentar, einer Liste der Ilias-Figuren, einem übersichtlichen Inhaltsverzeichnis, einer Inhaltsangabe der Vor- (Kypria) und Nachgeschichte (Aithiopis), schließlich dazwischen eingebettet Homers Ilias, und dies alles schön luftig gesetzt. Übersetzt hat Schrott ganz in eigener Tradition, einmal mehr um einem Markstein der Literatur »Präsenz zu verleihen ... in der lingua franca eines Hier und Jetzt: non verbum de verbo, sed sensum exprimere de sensu – nicht Wort für Wort, sondern Sinn um Sinn.« So steht es in der Einleitung zu seiner Übersetzung des Gilgamesh (2001), und so praktizierte er das ja auch bei sämtlichen seiner Übersetzungen von Sappho bis Walcott. Philologen haben diese Vorgangsweise nie goutiert. Der unlängst verstorbene Germanist und promovierte Altphilologe Wendelin Schmidt-Dengler etwa rügte Schrotts »Burschikosität und Unverfrorenheit« im Umgang mit klassischen Texten so: »Ich habe mich maßlos über seine Art geärgert, mit Catull, Sappho oder Properz umzugehen. Schrott kann nicht richtig Griechisch und übersetzt wie eine Wildsau.« (DIE PRESSE, 4.1.2008) Joachim Latacz hinwiederum hatte sein wissenschaftliches Sekundieren bei der Neuübertragung nach dem 2. Buch quittiert. Vielleicht rieb sich der Homer-Forscher Latacz - neben vielem anderen – daran, dass diese Ilias-Version das Asterix-Obelix-Herr-der-Ringe-Artige nicht idealisiert. Schrotts Griechen bezeichnen das kämpferische Hin und Her zudem schon einmal als »scheiß krieg«, und natürlich geht es deftig zu, wenn Helena und Paris sich »liebten, dass die bettpfosten wackelten«. Dergleichen gibt es viel, und der Grazer Althistoriker Peter Mauritsch kommentiert dann stets besänftigend, etwa so: »Der Dichter gibt der Phantasie der Hörer Raum und erachtet den Moment danach als ausreichend zur Beschreibung des davor Geschehenen: die beiden ‚ruhten im gurtdurchzogenen Bett’.« Für die, die’s wirklich genau wissen wollen. Man darf versichert sein, dass man Schrotts Ilias-Übertragung auch ganz gut ohne Kommentar verträgt. Sie ist süffig, plastisch, rhapsodisch, was heißt: »Sie adaptiert die homerische Diktion in einem modernen Duktus, der vom hohen Ton bis zum lakonisch Hingeworfenen und Derben« geht. Diese antiken Sagenhelden klingen zwar nicht so erhaben, »als ob sie Marmor scheißen« (das lässt Peter Shaffer seinen Mozart sagen), diese rhapsodische Prosa ist aber eben auch keinesfalls anspruchslos. Ein gewisser Goethe soll ein derart prosaisches Vorgehen übrigens nachgerade empfohlen haben: »Ich gebe zu bedenken, ob nicht zunächst eine prosaische Übersetzung des Homer zu unternehmen wäre ... Für die Menge, auf die gewirkt werden soll, bleibt eine schlichte Übertragung immer die beste. Jene kritischen Übersetzungen, die mit dem Original wetteifern, dienen eigentlich nur zur Unterhaltung der Gelehrten unter einander.« (Dichtung und Wahrheit, III, 11). Apropos Wahrheit oder Wahrscheinlichkeit, apropos Rätsel, Muster, Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten, apropos Theorie: Als Raoul Schrott sein Vorwort zur Ilias-Übersetzung verfasste (das schlussendlich konzis und klug ausgefallen ist), packte es ihn wohl ähnlich wie den oben erwähnten niederösterreichischen Linguisten Hannes A. Fellner. In der FAZ vom 22.12.2007 packte er dann seine Erkenntnisse vorab aus. Und so war die neue Homer-Diskussion längst vor Erscheinen der neuen Übersetzung ein Krieg der Worte. Schrott lokalisierte Homer nämlich als kilikischen Schreiber in assyrischen Diensten. »Dieses Profil nimmt Homers unleugbarem poetischen Genie nichts weg. Die Assyrer waren die zivilisatorische Großmacht dieser Epoche, ihre Schreiber auf allen Gebieten versierte Intellektuelle - und wenn Homer durch sie Zugang zu allem Wissen erhielt, ist das auch nicht anders als beim Ministerialen Hartmann von Aue, der sein Latein in einer Domschule erwarb und am französischen Hof auf Chrétien de Troyes' Werke stieß.«, merkt Schrott im Zug des folgenden medialen Schlagabtauschs an. (FAZ, 15.3.2008) Dass Homer kein romantisches Originalgenie sein sollte, sondern ein gewöhnlicher Schreiber – da wurde die Gelehrtenwelt doch von einer Art horror vacui ergriffen. Und die Coverstory der LITERATUREN-Ausgabe vom November 2003 – »Raoul Schrott Genie oder Scharlatan?« – war wieder einmal aktuell. Ein gefundenes Fressen, schön dekoriert auf den Präsentiertellern des Feuilletons. Na, wie auch immer: Diese Ilias liest sich geradezu skandalös leicht, und das ist gut so. Homers Name wird populärer werden, wenn auch nicht so populär wie der Homer Simpsons. Und Homer wird viele neue Leser und Leserinnen bekommen. Immerhin. |
Während sich das offizielle Tirol den Hals im Blick zurück auf anno 1809 und vor auf das herandräuende Heldengedenken 2009 verrenkt, lenkt Christoph W. Bauer den seinen auf einen ganz anderen Jahrtag. Es geht bei ihm um den 9. November, der für die NSDAP der „Gedenktag für die Gefallenen der Bewegung“ war, und das Jahr 1938, als dieser Jahrtag zur Reichskristallnacht in deutschen Landen wurde, auch in Innsbruck. Auf das in dieser Nacht stattgefundene Judenpogrom, auf den in dieser Nacht stattgefundenen Mord an Richard Graubart richtet er seinen Blick, auf die Villa Graubart in der Gänsbacherstraße 5, wo der Mord geschieht, zunächst, dann „die Museumsstraße entlang [wo sich das Schuhwarengeschäft der Graubarts befand] und immer tiefer hinein in die Geschichte einer Familie, von der ich zunächst nichts anderes wusste als das Datum der Ermordung Richard Graubarts.“ Dem Erzähler Christoph W. Bauer geht es aber nun gar nicht darum, in diesem Ereignis „einen Ring zu sehen, der sich um die Stadt legte, um sie an ihre Vergangenheit zu gemahnen“; es geht ihm nicht darum, einen Mörder auf-, sondern einer Familiengeschichte nachzuspüren. Patrick Modiano, den Bauer im Motto zitiert [„Es dauert lange, bis das, was ausgelöscht worden ist, wieder ans Licht kommt.“], mag Vorbild gewesen sein, Modiano, der seinen autobiografischen Roman Familienstammbuch mit einem Zitat von René Char beginnt: „Leben heißt, beharrlich einer Erinnerung nachzuspüren“. Eben das macht Bauer, mit akribischer Unaufdringlichkeit, stupender Detailtreue, menschlicher Wärme für die Opfer, unparteiischer Distanz gegenüber den Tätern - und mit schriftstellerischem Geschick. Sein Blick bleibt so nicht im Jahr 1938 hängen, sondern geht viel weiter zurück, zurück zu Joseph Roths Ostjuden (und Bauer erreicht dabei die Qualitäten von Roths Essay „Juden auf Wanderschaft“), zurück gar zu den ersten Erwähnungen von Tiroler Juden um 1300. Das macht Bauers Buch zu einer sozial- und kulturhistorisch höchst interessanten Lektüre, die dennoch stets das rekonstruierte Schicksal Richard Graubarts und seiner Familie im Auge behält und mit Empfindungen des Erzählers verknüpft. Sorgfältig aufgespürte Archivalien sind sein Stoff, Gespräche mit Familienmitgliedern ergänzen das Bild, eine ausführliche Kenntnis der Literatur zum Thema rundet seine Suche nach der verlorenen Zeit ab. Am Ende, nachdem auch der hier wie andernorts peinliche Umgang der Nachkriegszeit mit der Nazi-Vergangenheit aufgearbeitet worden ist, fasst Bauer die Ausgangspunkte noch einmal ins Auge: die Mordnacht in Kapitel 119 und den verstörenden Status quo in Kapitel 120: "Margarethe Graubart sollte Recht behalten, der Mord an ihrem Mann wird nie restlos aufgeklärt." 120 Jahre nachdem Simon Graubart, Richards Vater, das Gewerbe in Innsbruck angemeldet hat, „mache ich mich erneut auf den Weg zu seinem ehemaligen Geschäft. In den Erzählungen von Vera und Michael Graubart wird die [Museum-] Straße zum Boulevard, der sich um die Stadt legt, um sie daran zu erinnern, was sie sich selbst genommen hat." Es ist bewundernswert, wie viel ausgelöschte Erinnerung Bücher ans Licht bringen, wenn Autoren wie Bauer sie schreiben. Mag sein, dass diese Erinnerung einer nationalen Minderheit auf lokalem Boden weniger quotenträchtig ist als jene, die auf mehrheitsfähige Schicksale nationaler Natur abzielt. Deutschland etwa rüstet sich bereits jetzt für die 2000-jährige Wiederkehr der Varusschlacht im Teutoburger Wald des Jahres 9 nach Christus. Tirol setzt auf ein 200-jähriges Jubiläum. Wie viel ehrenvoller nimmt sich dagegen doch jene Kerze aus, die Margarethe Graubart jedes Jahr zum 9. November ins Fenster stellt, und wie viel wertvoller ist ein Buch, das daran erinnert! |
Das erste Missverständnis, wenn man von Walter Kliers Buch sprechen will, ist nun diese Verbindung zu Walter Kempowski. Ein „österreichisches Echolot“ nennt es der Verlag, aber das ist es nun einfach wirklich nicht. Der deutsche Kollege hat die Vergangenheit archivalisch und literarisch denn doch wesentlich intensiver beackert. Bei Klier finden sich aber vornehmlich Tagebucheinträge und Feldpost seines Großvaters Josef Prochaska, man erfährt einiges „auch über die anderen [Verwandten und Nichtverwandten], Heintschi, den Papa, die Mama, Kati, die Meisterköchin, Tanti Fini und Tante Dini und den nichtsnutzigen Rudi und die Tante Elsa mit dem aufgeplatzten Ärmel, …“ Das mag an sich seine Berechtigung haben, eine Unterscheidung ist aber doch angebracht. Auch dass sich Klier nicht wie Kempowski zurücknimmt, sondern kommentierend einmischt, macht deutlich, dass nur bedingtes Vertrauen ins krude Ausgangsmaterial gelegt wird. Gegebenenfalls sekundieren den Stimmen der Vor- und des Nachfahren darüber hinaus historische Quellen bzw. von Historikern verfasste Zeitgeschichte. Ob das so notwendig ist, wo ein kurzer Blick auf Wikipedia den gleichen Zweck erfüllt? Und der englische Historiker und Publizist Gordon Brook-Shepherd liest sich zur Gänze allemal besser denn als Zitatenschnipsel. Schließlich handelt es sich bei „Pepis Feldpost“ keinesfalls um „einen Roman …, der eigentlich schon fertig war“, wie in der Vorbemerkung zu lesen ist. Auch das vor Teil 3 angebrachte Kempowski-Zitat („Einen Roman schreiben über den Krieg? Wie kann man denn einen Roman über diesen Krieg schreiben?“) enthebt einen Autor nicht seiner behaupteten Tätigkeit. Das ist das zweite Missverständnis. Natürlich kann man einen Roman über den Krieg schreiben. Sich im Titel an Vorbilder bloß anzulehnen, ist allerdings ein bisschen dürftig. „Schwejk zieht in den Krieg“ heißt es bei Hašek (als Kapitelüberschrift), „Leutnant Pepi zieht in den Krieg“ bei Walter Klier. „Eine große Zeit erfordert große Menschen. Es gibt verkannte, bescheidene Helden, ohne den Ruhm und die Geschichte eines Napoleon.“, schreibt Jaroslav Hašek im Vorwort zu „Den Abenteuern des braven Soldaten Schwejk“. Josef Prochaska war zwar ebenfalls ein braver Soldat, kommt sich aber schon einmal „wie der Napoleon auf Helena vor“ (lt. Eintrag vom 17. Mai 1918); dass zum Ende des Krieges hin „meine Eingabe zum Eisernen Kronenorden nicht durchging“, schmerzt ihn, zumal dies die „zukünftige Laufbahn als Staatsbeamter schwer trifft“. Am 23. Mai 1918 schreibt Pepi an den „lieben Papa“: „Die Mehlspeise kam nicht; die Nichtfertigstellung durch Kati ist durch nichts gerechtfertigt.“ Ich erlaube mir, auch hier einen kleinen Vergleich zum Schwejk anzustellen: „Die Kochkunst lernt man am besten im Krieg kennen, besonders an der Front. Ich erlaube mir, einen kleinen Vergleich anzustellen. Im Frieden haben wir von sogenannten Eissuppen gehört, das sind Suppen, in die man Eis gibt und die in Norddeutschland, Dänemark und Schweden sehr beliebt sind. Und seht ihr, der Krieg ist gekommen, und heuer im Winter in den Karpaten haben die Soldaten so viel gefrorene Suppen gehabt, dass sie nicht einmal gegessen haben, und es ist doch eine Spezialität.“ Dass Hašeks Schwejk von anderer Würze als Pepi Prochaska ist, soll weder dessen Kriegsprofil noch die Bedeutsamkeit seiner nachgelassenen Kriegsschriften schmälern! Aber es könnte doch sein, dass man als Nichtverwandter zum Lesen das eine dem anderen vorzieht. |
Pagophil Eis und Schnee liebend, das sind nicht bloß die in arktische Bedrängnis geratenen Spezien Pinguin, Robbe und Eisbär, nein, pagophil, wie der Fachmann sagt, sind auch zeitgenössische Autoren. Schnee fällt auf Zedern (David Guterson), erfordert Smillas Gespür (Peter Høeg), ist nobelpreiswürdig (Orhan Pamuk). Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. »Wie lange dauert die Polarnacht in der Allerheiligenbucht von Novaja Zemlja? Wie tief ist ein Grab? Wie viele Sitze drehen sich an einem Kettenkarussell? Und diese helle Barriere im Hintergrund – sind das Berge? Ein verschneites Gebirge? Wann begann es zu schneien? Und was verschwand im Schneetreiben? Und dann? Was geschah dann? Und weiter? Und immer weiter...« Immer weiter, bis zu Hans Platzgumer, der in seinem ersten publizierten Roman eine Welt erfindet, und sie ist weiß. »Aber jetzt keine Farben mehr. Keine Bilder. Keine Vermutungen. Fest steht, dass die Cradle nach dem Ende der hocharktischen Mission noch zwei Tage im Adventfjord vor Anker gelegen war, dann mit Kurs auf die nordnorwegische Küste auslief und den spitzbergischen Archipel für dieses Jahr verließ. Und fest steht vor allem, dass Josef Mazzini in der Grubenstadt zurückblieb...« Mazzini? Ja, so heißt der verschollene Held in Christoph Ransmayrs Roman Die Schrecken des Eises und der Finsternis, den man angesichts der neuesten Schnee-Lektüre wieder zur Hand nehmen könnte. Von der Örtlichkeit her sind wir da Platzgumers Protagonisten Sebastian Fehr schon verblüffend nahe, um nicht zu sagen: auf den Fersen. »Was macht einen Menschen blind? ... Wenn einer zu erzählen beginnt, muß er solche und ähnliche und unzählige andere Fragen zu beantworten imstande sein und muß doch nach jeder Antwort immer neue Fragen an sich und die Welt richten. Aber länger, viel länger als er jemals antworten, sprechen und erzählen wird, muß er wohl stillhalten und schweigen und den Menschen bloß zuhören und ihre Lebensläufe, ihre Wohnungen, ihre Wege, Felder und Schlachtfelder, Vorgärten und Müllhalden bloß betrachten, bis er sich endlich erheben und so etwas Ähnliches wie Es war... Es war einmal sagen kann.« So spricht Altmeister Ransmayr in einem kleinen programmatischen Bändchen mit dem Titel Die Verbeugung des Riesen. Vom Erzählen. Hans Platzgumer hat sich im Wesentlichen daran gehalten, die Eis- und Schneewelt und die Fragen an sie zwar nicht neu erfunden, aber ein ebenso solides wie respektables Erzählstück abgeliefert. Er recherchierte und war selbst dort oben nahe dem Nordpol, in »dieser öden, dürftigen, in Kälte erstarrten Welt«; »jede Invasion des Menschen hat das arktische Basaltgestein zurückgeworfen. Die Österreicher, Norweger, Briten, Amerikaner und Russen«. Warum zieht es bloß diesen Sebastian Fehr, geboren 1965, wohnhaft in Frankfurt am Main, zu den Polarfüchsen? Um ehrlich zu sein: So ganz plausibel wird einem dieser Umstand nicht. Nach einleitenden Vor- und Rückblenden, einer Menge Fachliteraturexzerpten alsdann ist Fehr seinem Ziel, zum Eisblock auf dem Franz-Joseph-Land zu werden, greifbar nahe gekommen: »Der Mann war zusammengebrochen, als er das Weiß vor ihm nhcit mher von Dunkelheit unterscheiden kontne, als die Eismosaike, die auf seienn Netzhäuten imemr neue Gebilde erschaffen hatten, sich in enie neuartige Finsternis verwandelt hatten«. Mit diesem dérèglement des sens – es handelt sich im Zitat um keine Druckfehler – sind wir allerdings einer Poetik Rimbaud’schen Zuschnitts näher als der Ransmayr’schen. Platzgumers Held erblindet und beginnt – zurück auf Reha in Deutschland – zu schreiben. »Ich gehe zurück.«, steht am Ende seines Schreibheftes – und wir wissen nicht, ob das gelingt, denn damit endet auch der Roman. Es geht uns ein bisschen wie Ransmayrs Chronisten am Schluss: »Ich stehe inmitten meiner papierenen Meere, allein mit allen Möglichkeiten einer Geschichte, ein Chronist, dem der Trost des Endes fehlt.« Tatsächlich gibt es den Trost, ins papierene Meer zu langen, dorthin, wo Eis und Schnee treiben. Und das ist nicht der schlechteste Trost. |
«Wenn die Schöpfung einen Zweck hatte, so bleibt ihr Zweck verborgen, ungreifbar, und kann nur im Bereich der Zeichen entdeckt werden, niemals in dem, was offensichtlich geschieht.», schreibt der britische Kunstkritiker und Autor John Berger in seinem Aufsatz «Der weiße Vogel». Wie einer derartigen Natur in ihrer Verborgenheit und Ungreifbarkeit mit Zeichen beizukommen ist, ist Thema von Angelika Rainers Debüt «Luciferin». Berger ist dafür nicht Wortspender, seine Erzählung «Die drei Leben der Lucie Cabrol» aus der Sammlung «SauErde. Geschichten vom Lande» (1979) ist aber Impuls für das, was man als den Plot dieses lyrischen Kompendiums, das selbst verborgen und ungreifbar bleibt, bezeichnen könnte. Wortspenden kommen von anderen, Beckett und Heiner Müller, Hesiod und Ovid, Mayröcker, Lévi-Strauss und Schubert; und solcherart Zeichengeber gibt es sicher noch viel, auch wenn sie nicht namentlich erwähnt sind oder zitiert werden. Was gesagt wird über die anfangs anaphorisch heraufbeschworene Protagonistin – «Sie heißt Lucy./Sie wird Cocadrille genannt./Sie hört nicht auf ihren Namen.» – «tun sie [sagen] –», die anderen. Anschließend heißt es: «So sag, was du siehst, auch wenn kein Gott danach fragt/und wenn Sonne gemeint ist, ist Sonne zu sagen». Was so einfach nicht ist, denn: «Was du heute benennst, wird morgen anders genannt sein». Und ein Stück weiter: «Alles was du siehst ist das, was du sehen willst». Und das Gesehene träufelt dann doch als Ver(w)ortetes auf die Buchseiten. Es gilt: «Wie gedroschenes Getreide haben wir die gedachten Dinge/auf die Wortschaufel zu legen». Um «das Korn von der Spreu» zu trennen. So könnte Geschriebenes entstehen, das neben den beschriebenen Naturphänomenen an sich bestehen kann, neben Naturphänomenen wie etwa den Spinnweben, die – nehmen wir einmal an, dass das stimmt – «siebenunddreißig Mal stärker als Stahl» sind. Ins Spinnennetz fliegt zuweilen ein Glühwürmchen, jene Spezies, die in der Dämmerung oder nächtens zu leuchten vermag. Das Titel gebende Luciferin spielt bei diesem Phänomen eine Rolle. Die Autorin zeichnet davon auf den Schlussseiten ein «angenommenes Bild» – als chemische Formel. Ein Versuch ist es immerhin, wo gilt: «Im Bild ist die Wahrheit, die dem Wort sich verweigert./Das Bild fließt jenseits der Worte./Das Bild ist der stummen Dinge Wort./Das Bild ist die Katharsis des Satzes./Das Bild ist Antwort auf Babel.» In diese Phänomenologie der Natur und ihrer Bezeichnung, die in zumeist hohem Ton und nur selten ironisch gebrochen vorgetragen wird, sind Handlungsfäden gesponnen, in denen sich Phänomene immer wieder verfangen und den Text auf an die 70 Seiten anwachsen lassen. Soviel lässt sich von diesem Debüt berichten, das auch immer wieder ein traditionelles Liebeslied ist. Ihren Textstrom wird man vergeblich in den Feuchtgebieten der Spannungs- oder Spannerliteratur suchen. Angelika Rainer, die Musikerin und Harfenistin der Osttiroler Musicbanda Franui, schwimmt auch nicht gegen den Strom realistischen Erzählens. Sie ist Poetin und bei ihren Vorbildern – von Ovid bis Beckett – gut aufgehoben. Wie und was sie montiert, ist ein Kosmos, den man mit Neugier durchliest. Und solange diese Autorin Erlesenes mit eigener Originalität kombiniert, wird ein solcher Kosmos auch interessant bleiben. |
|
|
|
|
|
|
|
In der Verlagsreihe raetia club ist ein schmaler Prosaband erschienen, von Hermann Winkler, 1977 im Südtiroler Pfalzen geboren, nahe Bruneck und nahe der Burg Schöneck, dem wahrscheinlichen Geburtsort Oswalds von Wolkenstein. Das tut allerdings wenig zur Sache, denn hier wird nur spärlich gereimt, der Sprachmischung gefrönt oder von Südtirol erzählt. Die »Geschichten eines Mannes« bringen vielmehr ein literarisches Potpourri an Themen und Formen, die allesamt irgendwie bedeutsam sind: Jugoslawienkrieg-, Cyber-, TiVi-, Pop-, Dachau-, Nine-eleven-, Satiren- und auch Großartiges. Bleiben wir bei Letzterem, das zwei ähnlich gestrickte Geschichten umfasst: »The Red Christmastreeball« - das bereits in der von Nina Schröder herausgegebenenen Südtiroler Weihnachtsanthologie »weißt du was schnee ist/frisch gefallener« (Raetia 2004) erschien - und »Der Abgang«. Beide setzen mit einem lapidaren Satz ein: »Christbamkugeln sind wie Laternen in der Nacht.« bzw. »Es war ein schöner Tag zum Sterben.« |
|
Ahmed Pascha Hassanein, der in Oxford studierte und Ägypten 1920 als Fechter bei den Olympischen Spielen vertrat, hatte 1923 die «bis zu uns einzige Expedition, die das Sammeln wissenschaftlicher Daten über diese Region zum Ziel hatte», unternommen (79). «Wir», das sind der Archäo-Geologe, der Biologe, der Fernerkundler, die Ethnologin, ein Filmteam vom ZDF, die tschadischen Fahrer und schließlich der Schriftsteller Raoul Schrott. «Diese Region»: das Hochplateau des Erdi Ma im Nordosten des Tschad an den Grenzen zu Lybien und zum Sudan. Ausgangspunkt ist N’Djamena, die Route führt über Abeché, Wüste wird gequert; und mit der Mourdi-Senke stößt man auf jene fünte Welt, die Schrotts neuem Buch den Titel gibt: «Es ist hier, daß die Fünfte Welt nun beginnt, wie die Quintessenz einer Realität hinter jedweder humaner Oberfläche: die eigentliche Erde.» (44) Im dokumentarischen Teil III dieses Logbuchs, mit Fotos, Kartografischem und Original-Dokumentarischem, taucht sie noch einmal auf, als «eine Wüste nämlich, in der einen Ort zu markieren eitel bleibt; eine Öde, in deren Indifferenz sich alles wieder verliert; eine Fünfte Welt, in der jede Mitte illusorisch ist.» (112) Es ist eine Expedition zurück zum Ursprung: «Nicht das Zweistromland und auch nicht das Niltal waren die Wiege der Zivilisation, sondern diese ehemaligen Savannen hier, die mit ihren wiederholten Dürrephasen auch die Wanderbewegungen des Homo sapiens nach Europa mit auslösten.» (47) Die fachkundigen Gefährten helfen dem «ungeschulten Auge» (102) des Schriftstellers beim Spurenlesen, denn die Gegend ist bislang zwar daten-, aber beileibe nicht tatenlos. Der Mensch war hier und hat Zeichen gesetzt: «Wo die Sandsteinskulpturen des Ennedi wieder aus der Ebene stiegen, fand sich auf einer frei stehenden Felsnadel dieser Bildstreifen eingeritzt, eine Erzählung, älter als jede Schrift.» (104) Älter also auch als die erste, mit Namen greifbare Dichterin der Welt überhaupt, Enheduanna, mit deren im 23. Jahrhundert vor Christus im östlichen Zweistromland der Sumerer verfassten Gedichten Schrotts «Erfindung der Poesie» anhebt. Schrotts wüstes Reisemotiv wird damit klar, aber es gibt, nebenbei, auch noch andere, in diese Gegend nahe von Michael Ondaatjes Setting im «Englischen Patienten» zu fahren; ein gerüttelt Maß an Zivilisationskritik etwa, die sich in Teil I des Logbuchs konzentriert und an der Darfur-Krise im Besonderen wie am Verhältnis Europa─Afrika im Allgemeinen reibt: Medienschelte, die an Handkes Jugoslawien-Ausflüge gemahnt; Häme für frustriertes Personal der Entwicklungshilfe und Scientific Community, das folkloristisch, ethnologisch, missionarisch in «die staubige Leere des Tschad» läuft: kein «Quentchen Abenteuerlust», kein «selbstloses Interesse» (25). Teil II des Reiseberichts entdeckt das Endspiel des «Zeitalters der Exploration», beschreibt den Ausgang des Menschen aus selbst verschuldeten Irrfahrten in Zeiten des Satellitenhandys, schildert das Reise-Finale. Agoza, ein Fort der Fremdenlegion, Außenposten der Zivilisation vor dem Nichts und Ziel der Expedition, ist ein letzter Markstein der Kolonialisierung, durchzogen von nomadischen Spuren. «Vorfallslosigkeit» heißt der Befund der Reise in «eine leere Welt, das Licht darin, die Weite, mit der man zurückschauen konnte auf die eigenen Spuren und Zeugen einer Zeit, für die wir nicht zählen, nie gezählt haben.» (73) Das ist ein schöner Satz zum Ende. Schrott gelingt es, die gängige Reportage als Kolportage zu entlarven, aber gleichzeitig auch, der Enttäuschung über den nicht eingelösten «romantischen Mythos eines unentdeckten Landes» (49) einen neuen Mythos abzuringen. Der kann Schürfungen hinterlassen, wenn man ihn streift, so eckig, kantig und weniger rund sind hier die Wüste und ihre Bewohner. |
|
Die Generationen und das Tabu Es gibt viele Millennials, rund 51 Millionen Menschen in Europa. Ob sie sich bei angestrebter Work-Life-Balance Zeit für Gott nehmen? Und die Job-Karriere-Generationen? Und wir? Reden wir überhaupt noch von Gott? „EIN WORT, das nicht gesprochen wird, verflüchtigt sich aus dem Wortschatz. Wird belanglos, fremd und uneinordenbar. Hans Augustin setzt dieses „EINE WORT“ an den Beginn seiner neuen Gedichtsammlung – genauer: an den Beginn seines Vorworts zum Buch. Gott also. Aber welcher Gott soll sich hier eigentlich wörtlich „verflüchtigen“? Der Gott der großen Weltreligionen, der Christen, Juden und Muslime? Der Gott der staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften? Oder – denken wir etwa an Wahrigs „Deutsches Wörterbuch“, das unter „Gott“ über eine Spalte anführt, die mit „zählb.; Myth.“ anhebt – einer der antiken Götter? Und wer sind „wir“? Ich, Du, die TirolerInnen, ÖsterreicherInnen, EuropäerInnen, die ganze Welt? Grüß Gott Wie auch immer – man darf diesen neuen Gedichtband, der seinen Gegenstand im Titel selbst ausspart, begrüßen, und warum nicht mit „Grüß Gott!“ (Was in einer Rezension vielleicht wieder ein Tabubruch ist.) Die soziologischen und theologischen Überlegungen des Autors in seinem Vorwort, die philosophischen Überlegungen des Verlegers Martin Kolosz in dem seinen: Sie machen jedenfalls klar, dass „Gott“-Gedichte an sich und ihre Publikation einer ausführlichen Rechtfertigung bedürfen. Das lässt tief blicken, in einen (vermutlich lokalen) pseudo-aufgeklärten Abgrund nämlich, der von Vorurteilen und Intoleranz tiefschwarz ist und mit dem französischen Lichterjahrhundert von einst wenig zu tun hat. Für den, der sich nicht der Aufklärungsfraktion, die Allwissenheit, Unfehlbarkeit und Unantastbarkeit für sich gepachtet hat, zurechnen darf, bleibt das ohne Belang. Ihm könnte Augustins Gott sogar vertraut vorkommen. Er tritt hier in Gedichten von aphoristischer Kürze auf. Die Sache ist nicht verkopft und verzopft, sondern witzig und satirisch. Gott und Welt sind die thematische Basis, zündender Einfall und handwerkliches Geschick die dichterische Ausformung. Tatsächlich sind diese lichten Gedichte, rund 50 an der Zahl, in ihrer sprachlichen Kürze und Klarheit eben Ausprägungen der Aufklärung. Es bereitet große Lust sie zu lesen. Augustin, der sich Ende November 2006 den Salzburger Lyrikpreis mit Bettina Baláka teilte, ist auf der Höhe seiner Kunst. Zitieren wir zum Schluss nochmals den Dichter: „Es war ganz leicht/mit diesem Menschen/ins Gespräch zu kommen.“ |
De rebus tirolensibus (lat.): Über Tiroler Dinge Unweit von dort hatte zum ausgehenden 19. Jahrhundert der deutschnationale Bürgermeister Julius Perathoner ein Denkmal des Minnesängers Walther von der Vogelweide errichten lassen, das nach einigem Hin und Her seit den 1980er Jahren wieder an seinem Ursprungsort steht, dem Waltherplatz. Die Idee, dass Walther ein Südtiroler sei, geht auf den Lajener Pfarrer Johannes Haller zurück, der in Ignaz Vinzenz Zingerle, Professor für deutsche Philologie in Innsbruck, einen akademischen Verfechter seiner These fand. Die Reaktion aus dem italinienischsprachigen Süden ließ damals nicht lange auf sich warten. 1896 wurde in Trient/Trento ebenfalls ein Dichter-Standbild enthüllt: Dante Alighieri blickt hier gestreckten Arms nach Norden, von wo ihm Walther mit vielsagendem Blick entgegensieht. Diese beiden nationalen Säulenheiligen und Dichter, von denen vermutlich keiner Südtiroler war, stehen zu Beginn der »Europa erlesen. Südtirol/Alto Adige«-Anthologie: Der eine steigt lyrisch vom Hang hernieder, der andere legt sich unter die Linde. Oswald von Wolkenstein, der folgende dritte, zieht viel in der Welt herum, entsprechend makkaronisch ist daher so manches seiner Gedichte: »wesegg mein krap ne dirs dobro«, krauderwelscht es da (laut Dieter Kühn: ›mein Anker hält mich niemals fest‹). Es folgen Dietrich-Epik, Nikolaus von Kues, Michael Gaismair – Chronologie ist hier also ein Kompositionsprinzip dieser Anthologie. Jetzt zu den alten Griechen. Seit der auf der griechischen Ferieninsel Kos verstorbene Meleagros aus Gadara knapp vor Beginn unserer Zeitrechnung nicht als x-ter Dichter eigene Werke, sondern als erster überhaupt repräsentative Werke seiner großen Kollegen herausbrachte, ist die damit erfundene so genannte Anthologie (Meleagros’ Einleitungsgedicht hieß »Anthologia Palatina«) zur folgenreichen und erfolgreichen Verlegerpraxis geworden. Hier haben wir nun eine Anthologie des Ferienlandes Südtirol vorliegen und sie ist Bestandteil der mittlerweile 99-bändigen Edition »Europa erlesen« im Wieser Verlag, Klagenfurt/Celovec. Andere Bände erzählen von Transkarpatien, Siebenbürgen, Lappland, Dublin, der Provence oder gar von einem Land, das »Senza confini« heißt. Es liegt in der Natur dieser Sache, dass neben der Zeit auch die Orte ein Kompositionsprinzip sind. Südtirol – das dreisprachige Land muss einem Verleger wie Lojze Wieser ganz besonders am Herzen liegen, wo er selbst in einem Land lebt, in dem zweisprachige Ortstafeln verrückt worden sind. Für seine Verdienste um die Erschließung der literarischen Landschaften Mittel- und Osteuropas bekam er allerdings den Professoren-Titel, wir sind schließlich in Österreich. |
»Geht doch nach Byzanz, da braucht ihr nichts zu wissen!« »spreitete« – diese Wortbildung verdanken wir übrigens dem Hopkins-Übersetzer und Lyriker Peter Waterhouse. Fallmerayer nun hat mit Übersetzer-Deutsch nur insofern zu tun, als Passagen seines »Berg Athos« in Klang und Ton an den deutschen Nachdichter Homers denken lassen, an Johann Heinrich Voß mithin. Das mag auch daran liegen, dass der Neuausgabe des »Glanzstücks seiner orientalischen Reisetexte« (NZZ, 05.07.2003) in der Edition Rætia eine CD beiliegt. Wie Gert Westphal hier Ausschnitte des Textes liest, kommt jener Intensität nahe, mit der Thomas Holtzmann die Voss’sche Odyssee-Version rezitiert.) Schade nur, dass Westphal lediglich eine halbe Stunde liest (wo Holtzmann sich über 6 CDs ausbreiten darf)! Aber nun zurück vom Hörbüchlein zum Textbuch, das über 16 wunderbare S/W-Fotos von Wolfgang Pfaundler, 4 lakonische Stiche von Paul Flora (davon einer doppelt), ein ausführliches Nachwort der Herausgeberin Ellen Hastaba, und vor allem – auf 23 plus 43 Seiten schön gesetzt – Fallmerayers »Hagion-Oros oder der heilige Berg Athos«, Teil 1 plus 2, enthält. Wie Voss vermag er hier schwärmerische (und in seinem Fall orientalisierende) Idyllen zu bieten; aber seine satirisch-pointierte Feder stellt ihnen immer wieder okzidentale Anti-Idyllen gegenüber. Sie weisen ihn dann eben doch als Nachfolger Heines aus, ohne dass man freilich die spöttische Schärfe schmeckt, mit der dieser seine »Reisebilder« zuweilen überwürzt. Solcherart Polemik behielt Fallmerayer seinen Tagebüchern vor. Geschrieben hat der Byzantinist und Orientalist dieses und weitere »Fragmente aus dem Orient« zunächst für die seinerzeit weit verbreitete »Augsburger Allgemeine Zeitung«. Wiewohl er dem Feuilleton-Publikum gegenüber vorgab, diese Reiseepisoden direkt aus dem Tagebuch zu übernehmen, ist ebendiesem zu entnehmen, dass ihr Verfasser »sinnt und liest [und] auf der Hofbibliothek de fontibus nachsucht«, um seinen Elaboraten nur ja den gehörigen Schliff zu geben. Nach der ersten Lieferung des Athos-Fragments an die AAZ darf Fallmerayer so in sein Tagebuch notieren: »Der Artikel thut große Wirkung, ist Gegenstand aller Gespräche, selbst zu uncultivirten Geistern drang der Ruf, quod felix faustumque sit!« Für die Buchausgabe 1845 bei Cotta schließlich überarbeitet er die Fragmente teilweise nochmals. Sie sollte ihm höchstes Lob eintragen: »Um 6 Uhr warme Conferenz mit dem Kronprinzen [Maximilian], Dank und Enthusiasmus für die Vorrede und für das ganze Werk; große Wirkung, tiefer Eindruck; – gnädiger als je; Analyse der Vorrede und Beweise großer Huld.« Derartige Strebsamkeit sollte, so möchte man meinen, dem orientalischen Bohemien Fallmerayer eigentlich widerstreben. 1837, als die Lebensumstände den »Professor der Allgemeinen Geschichte am K. B. Lyceum zu Landshut«, der sich zuerst mit seiner umfänglichen Studie über die »Geschichte des Kaisertums von Trapezunt«, 1827 ), einen guten Ruf erworben hatte, für Jahre von jeglicher Lehrverpflichtung entbanden, hatte er sich ins Tagebuch geschrieben: »möchte [...] viel Geld um wie ein Afghane mit Niemanden etwas zu schaffen zu haben [...] Ich hätte nie geglaubt, dass ich nach dem arbeitsamen zehnjährigen Landshuterleben ohne Beschäftigung den Tag hinbringen könnte! Im Orient habe ich diese Kunst gelernt.« Wie solche Kunst aussieht? »Geht doch nach Byzanz, da braucht ihr nichts zu wissen!«, rät Fallmerayer dem Bildungsbürger des Okzident in Teil 2. »Wir haben eine Tyrannei der Bildung, des Progresses, der Doctrin, des feinen Tones und sind vor Allem genöthigt ›Esprit‹ zu haben und die neueste Wandelscala akademischer Geschmackssentenzen und Salondekrete über Wortconstruction, Bedeutung und Syntax zu kennen, um zu jeder Stunde ›auf der Höhe des Moments‹ zu seyn. Ach, welche Pein!« Fallmerayer, so suggerieren Text und Biografie des Autors, befand sich lieber auf der Höhe des Berges Athos, wo »es keine Akademie [gibt], keine Autoren, keine fortschreitende Bildung und Niemand liest ein Buch« – was für den gesamten Orient gilt, mithin auch für den Hagion-Oros. Nun, nicht jeder vermag sich derartig Eigenbrötlerisches zu leisten, und die Mönche vom Heiligen Berg Athos halten sich ja auch für Auserwählte, die untereinander freilich gleich sind: »Der Einsatz ist ja für alle gleich und morgen – das weiß der Diener – kann er an Reichthum und Macht über euch [europäische LeserInnen] stehen, was im hierarichisch gegliederten Zustande der abendländischen Gesellschaft unmöglich ist.« Die Zeit hier ist überhaupt stehen geblieben, und »käme jetzt St. Athanasius, der Hagion-Oros-Reformer, wieder aus dem Grabe in seine Laurakolonie zurück, er fände seine Mönche noch auf derselben Stelle geistiger Gymnastik, wo er sie vor 900 Jahren verlassen hat. Selbst die halbvollendete Phrase, bei der ihn der Tod überraschte, könnte er zu Jedermanns Verständniß im Style seiner Zeit ergänzen.« Schier unglaublich, was sich dort abspielt, ist für uns heutige wie für Fallmerayers damalige LeserInnen, die er – im Stil des gebildeten Essays – gern direkt anspricht: »Glauben Sie wohl, daß man sich unter diesen Umständen auf dem Hagion-Oros viel kümmere, was Hr. Prellerus in Dorpat über die Fragmente des alten Grammatikers Praxiphanes diputire, oder daß man Dr. Wall aus Oxford lese, von dessen großem Werke über die Erfindung des ABC eben erst ein Theil der Einleitung in drei Oktavbänden zu nicht mehr als 1500 Seiten erschienen ist?« Da dürfen wir dem Autor schmunzelnd beipflichten: Nein, das kümmerte die Athos-Mönche wohl einen feuchten Kehricht. Und auch wir wenden den Blick vom Westen zum Osten und lesen heute anstelle von Prellerus und Dr. Wall viel lieber, was Fallmerayer über den Athos zu erzählen weiß. (1)Gerard Manley Hopkins. Journal (1866–1875) und Frühe Tagebücher (1863–1866). Aus dem Englischen von Peter Waterhouse. Salzburg/Wien: Residenz 1994, S. 59 |
Der weite Horizont dort oben ------------------------------------------------- (1)Barbara Higgs und Wolfgang Straub: Wegen der Gegend Tirol. Literarische Reisen durch Tirol. (Eichborn 1998) und Bernhard Sandbichler: Europa erlesen. Tirol. (Wieser 2000). |
Denkwürdig |
Maria Elisabeth Brunner, Berge Meere Menschen. Tatorte: Berge Meere — Täter: Menschen "Woher sie kam blieb das verläßlichste Motiv der Geschichte." — heißt es gleich zu Beginn von Maria Brunners Romandebüt, das dieses Leitmotiv dann in 14 Kapiteln, eruptive Protokolle allesamt, variiert. "Sie", das ist das Kostkind; "woher", das ist der Einödhof im Südtiroler Bergdorf, eingeklemmt, schattig, unwirtlich. Woher genau, weiß man bei Kostkindern nie und so auch hier nicht. Von Anbeginn ist sie beim Ziehvater und Kostherrn, bei der Ziehmutter, die aus dem Tal "weggeheiratet" worden ist, deren Schoß keine Frucht trägt und die zuletzt endlich an Krebs verenden wird. Das Handkesche Gewicht der Welt ist hier "das Gewicht […], das du mir angehängt hast in den Jahren auf dem Hof, ein Leben lang werde ich die Kost abzudienen haben." Das ist also der "Tatort aller Geschichten", die hier erzählt werden; "in solchen Verhältnissen hatte sie als Kostkind aufzuwachsen." Keine guten Vorzeichen, so eine Kostkindheit. Wir kennen solches Schicksal aus den "Schönen Tagen", wo es der Pinzgauer Franz Innerhofer Mitte der 70er Jahre aus der eigenen Biographie in wuchtige Prosa transponierte. "Der Pflege einer kinderlosen Frau entrissen, sah Holl sich plötzlich in eine fremde Welt gestellt.", liest man dort, und die Erzählung setzt ebenfalls "kurz nach dem Krieg" ein. In der österreichischen Literatur ist das Thema solcher Unbehaustheit in der Folge geradezu ein Genre geworden, dessen letzte Blüte vielleicht der Roman "Aushäusige" war — auch dieser von einer Südtirolerin, Sabine Gruber. Das Kostkind ist nun ebenso "aushäusig", es bockt und pariert nicht, wie es soll, vergafft sich in Bücher, studiert, unterrichtet, "in der Alpenstadt", dann "da unten", "auf der Insel", kehrt aber wie ein Verbrecher immer wieder an den "Tatort aller Geschichten" zurück, dorthin, wo es nach dem Dafürhalten der Altvorderen zu bleiben hätte. Im Dorf gilt es längst als Kuriosität wie einst die Riesin Mariedl Faßnauer. Weil "nach der Mariedl und vor dem Kostkind sind nicht mehr viele aus den Tälern an der Grenze so weit herumgekommen." Die "schwarze Stadt in der Wüste unter dem Vulkan" und die "rauchblaue Fläche des Wassers" sorgen als Tatort-Alternative für schöne Abschnitte außerhalb der Bergwelt, selbst wenn auch für diese fernwehe Meereswelt konstatiert wird: "Wie häßlich das doch alles war." Oder: "Die Sonne und das Meer die hatte sie damals oft verflucht." Die Schilderungen der "Reisen durch Nacht und Rauch" — das ist Kapitel neun — erscheinen jedenfalls formal am gelungensten und inhaltlich avanciert; dass alles dennoch dunkel ist, entspricht ganz dem Duktus der zelebrierten schwarzen Ästhetik, für die schön bloß "das Dahingleiten" im Zug ist: "Nackte und weite schmucklose Gegenden mit abweisenden leeren Landschaften für die nur das Auge gemacht schien. Die ganz große die weite die unbegrenzte Landschaft. Nacht und Rauch und Licht oberhalb der Ruinen rechts und links der Autobahn. Ein dunkler ein leerer Fluß. Schön das Dahingleiten." Der Autorin scheint bewusst zu sein, dass man auf diesem glitschigen Terrain leicht ausrutschen kann, ist doch an einer Stelle kritisch formuliert: "Die Kunst schirmt sich ab um sich allein zu unterhalten." Und an anderer Stelle wird über das dröge Schicksal des Kostkinds distanziert Resümee gezogen: "Da ist also dieses arme Kind. Es muß überall mit anpacken. Nachts in einer mit Schmutzwäsche vollgeräumten Abstellkammer liegen. So ist es zu jeder Saison.", usw. Da baut jemand der adrett-kitschigen Anti-Heimat-Romanze vor. Dieselbe handhabt die Topographie, die Chronologie und selbst eine gewisse Ideologie der Geschichten äußerst geschickt. Schreibt einen Roman, der — sofern nicht aus anderen Schriftstücken zitiert wird — gänzlich ohne Kommata auskommt und dabei gut lesbar ist. Aber wer ist das eigentlich? Sie ist eine versierte Autorin — 1957 in Südtirol geboren, in Innsbruck promoviert, Universitäts-Lektorin in Italien und mittlerweile Professorin für deutsche Sprache und Literatur an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd —, die eine Erzählerin zu Wort kommen lässt, die von sich als "ihr" erzählt: "Diese Geschichte einer Auslöschung hatte sie nun endgültig niederzuschreiben." Und so ist ein Buch möglich, das erschrocken davon berichtet, wie unverhüllt das Animalische von Menschen ge- und erlebt wird. In den Bergen vor allem, aber natürlich auch am Meer. |
Hans Platzgumer, Expedition. Reise eines Underground-Musikers in 540 KB. Hans Platzgumer: Expedition 87 - 04" Doppel-CD, BUNTSPECHT Un peu noisy Nicht leicht, über Hans Platzgumers Expedition. Die Reise eines Underground-Musikers in 540 KB als Literatur zu schreiben. Mit deren Maßstäben gemessen würde Platzgumer, der Musikbesessene, zunächst den Stürmer und Dränger geben - und aber auch den Empfindsamen. Stürmisch und drängend vornehmlich aus seiner Heimat Tirol (»Ich wollte meinen Horizont erweitern, die engen Grenzen überschreiten, an die ich in der Heimat ständig stieß.«); empfindsam besonders in der Liebes-Sehnsucht zurück zu ihr (»Der vorläufige Abschied von Sandra war eine Qual für mein von unfassbaren Gefühlswellen erschüttertes Herz.«). Wo hat man sowas zuletzt schon so platt gelesen? Goethes Werther könnte sich schon so ausgedrückt haben und sein Götz war auch ein recht nonkonformistischer Wurf. Damals wie heute eignet derartiger Chuzpe jedenfalls ein aufregender Charme. Aber zunächst: Goethe, Werther, Götz - die kennt man ja, nur wer ist Hans Platzgumer? Das mag nicht jedermanns Sache sein. Aber es gibt Anlass, mit einem Vorurteil aufzuräumen: Kinderliteratur ist nicht nur für Kinder da, ernste Literatur nicht nur für Ernste und Memoiren-Literatur von MusikerInnen nicht nur für deren Fan-Clubs. Es tut gut, hin und wieder darin zu schmökern und die eng gezogenen Literaturgrenzen zu überschreiten. Grenzen sind ja schließlich zum Überschreiten da. Das mag eine Platitüde sein, aber sie hat aufregenden Charme. Zitieren wir den Autor, der unbekannte Gebiete und Landstriche wie die Antarktis liebt, aus dem Booklet der eben erschienenen Doppel-CD Hans Platzgumer: Expedition 87 - 04: »Polar ist auch immer an die Grenze gehen, Limitationen aufbrechen, (er)forschen, (er)fahren, ausdehnen.« Wer Lust dazu hat, mag sich tief in diesen Schaffens-Querschnitt einhören. Wer noch etwas fürs Auge haben möchte, kann sich Quart Heft für Kultur Tirol Nr. 5 zu Gemüte führen. Hier schreibt Platzgumer über Werke des Tiroler Künstlers Walter Obholzer. Und zwar geschliffen.
|
Oswald Egger, Prosa, Proserpina, Prosa. Raoul Schrott: Weissbuch. Wir lesen Gedichte wieder gerne, meint Kling Thomas Kling, der »bedeutendste Lyriker des 20. Jahrhunderts« (so urteilte zumindest die Neue Zürcher Zeitung 1999) hat im zweiten Jahr des 21. Jahrhunderts 200 Gedichte auf deutsch vom achten bis zum zwanzigsten Jahrhundert versammelt und publiziert. Sprachspeicher heißt das ansprechende Werk entsprechend (Köln: DuMont 2001). Kling ist Lyrikexperte, produzierend wie rezipierend, und so kann es schon angehen, einen Blick auf die letzten Seiten dieser Anthologie zu werfen. »Das für Sprachspeicher zählende Gedicht der 90er«, heißt es dort, »zeichnet ein erneutes Interesse an Sprachgestaltung, an Metaphernlust aus, bei Eröffnung von unverbrauchteren oder neuen Themen. Bei aller Unterschiedlichkeit der Ansätze scheint das Gedicht augenblicklich nicht gewillt, E und U auf getrennten Kontinenten anzusiedeln. Teils aus den Phänomenen der akuten Mediatisierung und der Mediengeschichte des 20. Jahrhunderts sich speisend und deren Ton- und Lichtspuren wiederum rekonstruierend - wie der unter den 60er-Jahrgängen herausragende Marcl Beyer -, teils gilt die Beschäftigung den Reservoiren der Naturwissenschaften oder der Kulturgeschichte, aus denen der zuletzt leicht statuarisch wirkende Grünbein schöpft, hinter diesem, pfiffiger und glatter, Raoul Schrott« usw. Es folgen: Ferdinand Schmatz, Barbara Köhler, Ulrike Draesner und: Oswald Egger. »Oswald Egger« also, »das ›Ungeheuer Horaz‹ mit italienischem Paß, bewegt ausgreifende romantische Modelle.« Aha! Und das Schlussplädoyer: »Wir lesen Gedichte wieder gerne, diese alten und stets verjüngerbaren Botenstoffe.« Das will für die 0er-Jahre des 2. Jahrtausends überprüft sein - und weil sich's ergibt und hier am Platz ist an Hand zweier Neuerscheiungen, an Hand zweier Gedichtbände der angesprochenen (Süd)Tiroler Lyriker: der Lananer auf der einen und der Landecker auf der anderen Seite. |
Wink mit dem Zaun Wer seinen literarischen Erstling Mitte der 80er Jahre Die Zaunreiterin titelt, darf sich nicht wundern. Der "Neuen Frauenbewegung" dieser Tage gelten Zaunreiterinnen, Heckensitzerinnen, also Hexen, als Symbole für Unterdrückung und Widerstand von Frauen. hagazussa, so das germanische Etymon der Hexe, hat den einen Fuß in der rational-logischen (männlichen), den andern in der emotional-intuitiven (weiblichen) Welt. Und wenn jetzt, Jahre nach dem Ersterscheinen, noch irgendjemand mit den solcherart unterschiedlich disponierten Hirnhälften daherkommt, ist das Maß auch schon voll. Man würde diesen wieder aufgelegten vermeintlichen Frauenliteratur-Erstling resigniert weiterschenken. hagazussa bereitete nur noch Unbehagen. Überhaupt: Frauenliteratur. Helga Schütz (In Annas Namen), Monika Maron (Die Überläuferin), Undine Gruenter (Ein Bild der Unruhe), Lilian Faschinger (Die neue Scheherazade) - Literatur von Frauen aus 1986 -, klingt alles anders. Marianne Fritz (Dessen Sprache du nicht verstehst), Angela Krauss (Das Vergnügen), Friederike Mayröcker (mein Herz mein Zimmer mein Name), Erica Pedretti (Valerie oder Das unerzogene Auge) - Literatur der 80er Jahre von Kolleginnen im Suhrkamp Verlag (was vielleicht noch einmal etwas anderes ist) -, hilft auch nicht weiter; vielleicht am ehesten noch Gerlind Reinshagen (Isas Geschichte). Jedenfalls: Der Suhrkamp Verlag hat sich damals, im Nachhinein besehen, ein bisschen angepatzt, weil er Die Zaunreiterin als Erzählung auf den Markt geschickt hat, in der "'Weibliches' zur Sprache kommt" (Zitat Klappentext), vorne auf dem Cover ein Undine-Bildchen. Ein bisschen spekualtiv also. Das Buch erreichte 1986 zwei Auflagen und 1990 eine Taschenbuch-Ausgabe, was, ebenfalls im Nachhinein besehen, beachtlich ist. |
von Bernhard Sandbichler Was kann ich Großartiges zu Hans Augustin und zu Hans Augustins Werk erzählen? Vermutlich kennt ihn, wer diese Zeilen hier liest - und vermutlich sogar besser als ich. Aber gut! Ich habe ihn vor drei Jahren kennen gelernt. Wir sind, glaube ich, nur einmal zum Essen ausgegangen, aber trotzdem hat sich seither einiges Augustin-Wissen bei mir angesammelt: Sein Sohn z.B. ist Sopransolist bei den Wiltener Sängerknaben, seine jüngste Tochter ein anmutiges Wesen, seine ältere Tochter war als Latein-Nachhilfeschülerin bei meinem Bruder, seine Frau ist Katholikin und er selbst hat Buddha einen sehr schönen Gedichtzyklus gewidmet. Ob er nun Buddhist war oder ist oder überhaupt, entzieht sich meiner Kenntnis, ich habe da nicht nachgefragt; das ist schließlich auch bloß rein Privates. Das mag jetzt spannend klingen - aber es ist natürlich wieder völlig unsachlich. Vielleicht hätte jetzt hier ein Stehsatz kommen sollen, zum Beispiel: "Viel später bemerkte ich dann, dass seine Literatur nichts Schöngeistiges ist, sondern schön Gearbeitetes." Meiner persönlichen Augustin-Biographie fügte sich unlängst ein weiteres Detail hinzu: Die mich seit ungefähr einem Jahr quälende Ungewissheit, was denn nun mit dem von ihm initiierten Feuilleton-Preis agricultura sei, löste sich auf Anfrage aus gegebenem Anlass endlich auf. Die Milch der frommen Melkart - Die Erbsen, ein Trauerspiel - Kohlrabi statt Zins und Tilgung: so heißen die Titel der prämierten Beiträge. Der literarische Einsatz im agrikulturellen Umfeld hat sich eindeutig gelohnt, das zeigen diese bildträchtigen Titel. Na, wie auch immer. Ich will mit dem allen nicht andeuten, dass wir hier nur Geschichten vom Verschwinden und Sterben finden, ganz so wie es das Wiener Volkslied vom Ach so lieben Augustin vorsieht: "Jeder Tag war ein Fest,/Jetzt haben wir die Pest!/Nur ein großes Leichennest,/Das ist der Rest." Ich würde eher vom neuen Augustin-Ton sprechen: sehr spannend, sehr flirrend; Tag- oder Nachttraum; harte Realitäten; und immer voll Leben, Frauenleben z.B.. Hans Augustin nennt laut Verlagswerbung "seine zehn Prosatexte [im Buch stehen schließlich elf] ‚verschenkte Geschichten'". Dabei verschenken diese Erzählungen nichts. Hingegen darf man das Buch als Geschenk des Autors an den Leser betrachten. Mein Appell: Nimm das Geschenk ruhig an, Leser - es kommt von einem "Geist, der beharrt und immer umsichtig bleibt, ohne an etwas festzuhalten". |
Irene Prugger, Nackte Helden und andere Geschichten von Frauen. |
Raoul Schrott, Das Geschlecht der Engel, der Himmel der Heiligen. Zwei frohe Botschaften - zwei strenge Fragen. Dieses Buch springt dem Betrachtenden aufgrund seiner Ausstattung ins Auge und liegt dem Lesenden wohlgewichtet in den Händen. Es vereint Bild und Text. Die Texte hat Raoul Schrott im südirischen "Bishop's Luck, Cappaghglass, Mai 99 - August 00" verfasst. Es sind einerseits die in 20 römisch nummerierte Kapitel geordneten Texte von "Das Geschlecht der Engel", welche Angelografisches mit Liebes-Episteln, Botschaften von oben also mit solchen von unten kreuzen; (der Ich-Erzähler, ein "Heiliger zum Schein", räsoniert u.a. vom Tresen in Hacketts Pub aus;) andererseits sind da Kürzest-Viten unter dem Titel "Der Himmel der Heiligen" versammelt, die eine lapidar-groteske Hagiografie darstellen und einen direkten Zusammenhang mit den Illustrationen herstellen. Diese, insgesamt 34 und ebenfalls im Zeitraum 1999/2000 entstanden, sind von Arnold Mario Dall'O. Er kombiniert verschiedene Techniken schichtenweise: Zeichnung, Foto, Siebdruck, Linolstempel, Übermalung. Diese oberflächliche Mehrschichtigkeit birgt durchaus auch den inhaltlichen Reiz der Mehrdeutigkeit; der Druck einer Schichte auf PVC bewirkt übrigens den semitransparenten Charakter. |
"Auf und davon nach Timbuktu". Sollte Thomas Bernhards opus magnum, der Roman "Auslöschung", ins Arabische übersetzt werden, würde sein Titel ›ibada‹ lauten. Auf solche Gedanken kann man kommen, wenn man "Khamsin" liest, dieses schmale Buch, das die gleichnamige Erzählung und den Essay "Die Namen der Wüste" enthält. ›Khamsin‹ ist einer dieser Namen, jener, den die Nitalbewohner für ihre Wüste hatten. 1. "Als sie nordwärts auf ein paar Hügel "zuhielten" ... " 1. bis 3. - das sind einige der schönsten Formulierungen und Wörter der Erzählung, die man gerne wie in der Volksschule mit offenem Mund von der Tafel abschreiben möchte. ›Wadi‹, ein anderes dieser Wörter, wirft einen unwillkürlich und so zusagen "Durch die Wüste" in die Karl-May-Phase zurück. Weil man schon erwachsen ist, liest man Schrotts Kalligrafie bloß und ist froh, dass es nicht nur Karl May gibt. Enwindet man sich der Sprachmagie, entdeckt man 4.: eine packende, kenntnisreich und makellos erzählte wahre Wüstengeschichte des Jahres 1941, deren einer Protagonist eben Winchester heißt. Zum Weiterlesen und -hören: |