Stefan Abermann, Hundestaffel. Roman. Skarabaeus 2011 Robert Prosser, Feuerwerk. Prosa. Klever Verlag 2011
Die ersten Texte von Robert Prosser und Stefan Abermann, beide Jahrgang 1983, konnten nicht in Zeitschriften oder Anthologien nachgelesen werden, wie das bei jungen Autorinnen und Autoren häufig der Fall ist. Der literarische Werdegang dieser beiden Autoren begann auf der Bühne des Bierstindl Poetry Slams, im mittlerweile der Vergangenheit angehörenden Innsbrucker Kulturgasthaus am Fuße des Berg Isels. Beim Poetry Slam, übersetzt „Dichterwettstreit“ oder auch „Dichterschlacht“, geht es darum in einer begrenzten Zeitspanne mit einem literarischen Text um die Gunst des Publikums zu werben, denn es sind die Zuschauerinnen und Zuschauer, die letztlich entscheiden, wer den Slam gewinnt. Die vortragenden Autorinnen und Autoren sind daher bemüht, mit der Kraft ihrer Worte möglichst schnell die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich zu ziehen. Besondere Wirkung bei der Zuhörerschaft erzielen meist jene Texte, die einen witzigen oder skurrilen Inhalt haben und zur Unterhaltung beitragen, aber immer wieder reüssieren auch sprachspielerische, rhythmische und lautmalerische Textexperimente. Denn für einen Slam-Text ist nicht nur ein gelungener Inhalt ausschlaggebend für den Erfolg, wesentlich ist die Performance, die Art und Weise wie der Text vorgetragen wird und somit auch sein Ton oder sein Klang. Auf der Bühne eines Poetry Slams ist das einzige Instrument, das der Autor/die Autorin benützen darf um das Publikum zu beeindrucken, die Stimme. Bei Stefan Abermann beispielsweise, ist jedes Wort, jeder Satz, jede Pause und jede Geste auf den Vortrag abgestimmt. Abermann schreit und flüstert auf der Bühne, je nachdem, welche Stimmung er erzeugen möchte. Das Publikum dankte ihm dafür, indem es ihn 2008, beim sogenannten Ö-Slam, zum besten Slammer Österreichs kürte. Robert Prosser lernte man auf den Bühnen der Poetry Slams als sehr schnellen, sich beinahe überschlagenden Vortragenden kennen, dessen sehr rhythmischer Vortrag bald zu seinem Charakteristikum wurde. Später, auf der von Stefan Abermann gegründeten Innsbrucker Lesebühne „Text ohne Reiter“, bekam man Prossers audiovisuelle Arbeit zu sehen, die er parallel zu seinem Textvortag mitlaufen ließ. Die Bühne war Stefan Abermann und Robert Prosser also schnell vertraut und sie stellte für die beiden Autoren sicherlich einige Jahre eine Art Experimentierfeld dar, auf dem sie ihre Texte vor Publikum ausprobieren konnten. Mit ihren beiden Büchern begeben sich die Autoren nun einen Schritt weiter, verlassen die gemeinschaftliche Bühne und schlagen neue Wege, auch abseits der Lesebühnen und Slams ein, was aber nicht heißen soll, dass Abermann und Prosser nicht weiterhin in der Szene aktiv sind. Mit „Strom. Ausufernde Prosa“ (Klever Verlag) legte Robert Prosser bereits 2009 sein erstes Buch vor. Nun ist sein zweites Buch mit dem ähnlich elektrisierenden Titel „Feuerwerk“ (Klever Verlag) erschienen. Stefan Abermann debütierte dieses Jahr mit seinem Roman „Hundestaffel“ (erschienen bei Skarabaeus). Beide Bücher enthalten Elemente, die aus der Tradition des Poetry-Slams stammen – es geht um Schnelligkeit, um den Effekt und um Rhythmus – auch ihre von Slam und Lesebühne gewohnte Vortragsweise behalten die beiden Autoren bei Lesungen bei. Beide Autoren lesen stehend, der Text liegt auf einem schlichten Notenständer auf. Prosser präsentiert seinen Text über weite Passagen auswendig und präsentiert, mit Labtop ausgerüstet, eine perfekt abgestimmte Performance aus Musik, Video und Stimme. In „Feuerwerk“ zeigt sich Robert Prosser, als Spracharbeiter mit scharfem Blick, der die Möglichkeiten der Sprache so weit ausreizt, dass sich irgendwann sogar der Kommentar oder der Fluch im Buch findet: „Ärgerliche Selbstreflexion. Vermaledeites Schreiben über das Schreiben.“ (S. 46). Stefan Abermann, der sich in seinen Texten immer wieder mit der dunklen Seite der menschlichen Psyche auseinandergesetzt hat, wagt sich nun in seinem Debüt, in tiefe Abgründe hinein. In Abermanns Buch zeichnet der Ich-Erzähler Thomas das Psychogramm von Hannes nach, einem kompromisslosen Egoisten, der seine Freunde nur für seine eigenen Zwecke missbraucht. Hannes ist, so heißt es im Klappentext, ein moderner Don Juan. Die Charakterzüge von Don Juan sind auch in der Gruppe junger Leute rund um Hannes zu finden, die ein Leben führen, das aus Rauschzuständen, Musik und Maßlosigkeit besteht, aber auch vom Gruppenzwang von Unterdrückung und Machtausübung beherrscht wird. Der Ich-Erzähler und seine Freunde scheinen einer verlorenen Generation anzugehören. Ihre Eltern sind zwar vorhanden, doch treten sie immer nur schemenhaft auf, mischen sich nie ein, lassen ihre Kinder gewähren und sind durch ihr permanentes Desinteresse an ihrem Nachwuchs eigentlich letztendlich Schuld an dem Desaster, in das die Clique nach und nach hineingerät. Abermann lässt seine Figuren eine Woche durchlaufen, in der sich ein Konglomerat aus Macht, Spiel und Rache zusammenbraut, das in einem grande finale, im bitteren Ernst endet. Geschrieben ist das Buch nahezu atemlos, wie ein lange anhaltender Partyrausch:
Doch was soll´s. Everything falls apart und es pumpt, es pumpt, es pum-pumpt, wie in einem Club, bei lauter Musik. Schlägt sich einem um die Ohren wie die Nacht, die Musik. Denn wahrscheinlich hast du nur zu viel getrunken – you, the perfect drug –, suchst kurz Halt an der Wand, während eine bunte Masse an dir vorbeischwimmt – you disappear – in der Masse, die nur noch aus farbigen Flecken besteht – lose control – in der Masse aus Musik, die dich stützt, die dir Halt gibt, dich trägt. (S.7/8)
Manchmal hätte man sich von Abermann etwas mehr Zurückhaltung gewünscht, ein paar leisere, dichtere Töne vielleicht, damit das eine oder andere schiefe Bild, wie z.B. „Aus dessen Nase schoss das Blut wie eine Stichflamme“ (S. 60/61), vielleicht hätte vermieden werden können. Robert Prossers Prosa, so auch die Genre-Bezeichnung seines Buchs, ist formal durch einen Countdown von 10 bis 0 strukturiert. Prosser wirft innerhalb dieses Countdowns Schlaglichter auf eine Reise durch Venezuela, auf die Natur, auf die Provinz und die Großstadt, auf Mann und Frau. Prossers Prosa bestimmt eine verspielte und bildreiche Sprache. Dabei ist es nicht nur die pure Lust am Schreiben oder auch am Leben, um die es geht, es ist auch das Reflektieren, das zur Seite Treten und der Hand beim Schreiben zusehen und die Überlegung wer eigentlich Macht über wen hat: Der Autor über die Sprache oder die Sprache über den Autor? Prosser erfreut den Leser/die Leserin mit Wortneuschöpfungen und irisierender Bildsprache wie „Irisschillern“ (S. 5) oder „Flockenflirren in Spiralenform“ (S. 14). Ein Prosser-Leser bzw. eine Prosser-Leserin braucht Geduld, braucht Muße, sich einzufühlen in diese Welt aus langen Sätzen, aus einer Sprache, die reich an Impressionen und Geheimnissen ist. Prosser bleibt in seinem Schreiben aber immer konsequent und lässt einen nicht, in Assoziationen verstrickt, hängen. Denn der Autor setzt seine Worte und Bilder genau ein. Er spielt mit Wiederholungen, Sprachvariationen und Wortfeldern und gibt so immer wieder eine Struktur vor, die als Anhaltspunkt beim Lesen dienen kann:
Erst im Nachhinein ist es Schrift wie Körper anzusehen, dass ich vielleicht zum ersten Mal wirklich bewusst zurückkomme, hoch in den Talkessel trampe und entlang der Straße, bis quer darüber hinweg zieht sich das Nebelfeld, als Wegelagerer, beide eilen wir die Schlucht herauf, deren weißliche Schwebe von Autoscheinwerfern belebt wird und ich gehe, den Reflektionen der Leitschienen entkommen, das letzte Wegstück zu Fuß den Atemwolken hinterher, punktiert als Morsezeichen ist da wer? (S. 5/6).
Stefan Abermann und Robert Prosser – zwei junge Autoren auf deren weitere Entwicklung man noch gespannt sein darf.
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