Von GABRIELE STEINHAUSER und STEPHEN FIDLER
BRÜSSEL—Der bevorstehende EU-Gipfel in Brüssel dürfte nicht den großen Durchbruch zur Lösung der europäischen Probleme liefern. Davon sind Beobachter an den Finanzmärkten überzeugt. Und auch die Staats- und Regierungschefs selbst, die sich am Donnerstag und Freitag auf neue Heilmittel gegen die Schulden- und Bankenkrise einigen sollen, sind skeptisch.
Während Spanien, Italien und Frankreich immer stärker auf schnelles Handeln dringen, bleibt Deutschland mit seinem entschiedenen Nein zu einer gemeinsamen Schuldenhaftung auf Konfrontationskurs.
Entsprechend glauben Finanzmarktteilnehmer nicht an einen deutlichen Fortschritt: „Das einzige, was schon beschlossen werden könnte, wäre eine europäische Bankenaufsicht, die man dann als ersten Schritt in Richtung Bankenunion betrachten könnte", sagt Carsten Brzeski, Volkswirt bei der Bank ING in Brüssel.
Auch Bundeskanzlerin Merkel gab am Mittwoch in Berlin zu, dass die anstehenden Gespräche hart würden und alle Augen auf Deutschland gerichtet seien: „Ich mache mir keine Illusionen. Ich erwarte in Brüssel kontroverse Diskussionen." Weiter sagte die Kanzlerin, sie befürchte, dass auf dem EU-Gipfel „wieder einmal viel zu viel über alle möglichen Ideen für eine gemeinschaftliche Haftung und viel zu wenig über verbesserte Kontrollen und Strukturmaßnahmen gesprochen wird".
Sie deutete jedoch einen kleinen Verhandlungsspielraum beim Thema Banken an, indem sie eine starke europäische Aufsicht über die größten Geldhäuser des Kontinents forderte. Erste Schritte in diese Richtung sollten „sehr bald" unternommen werden.
Die übrigen Staats- und Regierungschefs der EU aber wollen keine Zeit mehr verlieren. Zeitgleich zu Merkels Rede im Bundestag sagte etwa der spanische Premierminister Mariano Rajoy, dass sich Spanien die astronomischen Zinsraten auf seine Staatsanleihen nicht länger leisten können. Tags zuvor hatte Italiens Premierminister Mario Monti angekündigt, er werde – wenn nötig – sogar bis Sonntag in Brüssel bleiben, wenn nur endlich ein glaubwürdiger Plan zur Lösung der Euro-Krise gefunden würde.
Auch der Chef der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, macht Druck: Es sei „sehr wichtig", dass der Gipfel „sämtliche Zweifel an der Unumkehrbarkeit des Euro ausräumt", sagte er.
Frankreich will, dass der Rettungsfonds einspringt
Doch bei den Gesprächen werden die Meinungen aufeinanderprallen. Frankreichs Staatspräsident François Hollande will sich dafür einsetzen, dass angeschlagene Banken direkt über den europäischen Rettungsfonds ESM finanziert werden können, heißt es von Seiten eines Regierungsmitarbeiters. Die momentane Regelung sieht vor, Banken nur über ihre jeweiligen Staaten Geld bekommen können. Das aber treibt die Staatsschulden in die Höhe.
Die Premierminister von Spanien und Italien wollen ihrerseits darauf pochen, dass entweder die Rettungsfonds oder die Europäische Zentralbank in den Markt eingreifen, damit die Anleiherenditen ihrer Länder sinken.
Neue Rückendeckung bekommen sie von Angel Gurría, dem Generalsekretär des Industriestaatenverbunds OECD, der die Krisenstrategie der Eurozone schon mehrfach kritisiert hat und ein stärkeres Eingreifen von EZB und anderen Institutionen ebenfalls für sinnvoll hält. „Warum sollte man sich dramatische Alternativen ausdenken, wenn man die bestehenden noch gar nicht richtig ausgenutzt hat?", fragt er in einem aktuellen Interview mit dem Wall Street Journal.
Der Druck auf die Kanzlerin wächst
Klar ist für Regierungsvertreter und Analysten vor allem eines: Der Druck auf Bundeskanzlerin Merkel wächst, bei den Spitzengesprächen nachzugeben. Ihr bislang wichtigster Verbündeter, Frankreichs Ex-Präsident Nicolas Sarkozy, steht ihr nicht mehr zur Seite. Und das Mittelmeer-Trio aus Hollande, Rajoy und Monti will Merkel nun persönlich in die Zange nehmen.
Daraus könnte sich ein Eklat entwickeln, sagt Janis Emmanouilidis, politischer Analyst am Europäischen Politikzentrum in Brüssel. „Die Gefahr ist, dass die Deutschen irgendwann nur noch in der Ecke stehen und Nein sagen und es zu keinem Kompromiss kommt", sagt er – auch wenn er glaubt, dass das Gipfeltreffen an diesem Wochenende noch einmal glimpflich ausgehen wird.
Es gebe Anzeichen aus dem Kanzleramt und dem Finanzministerium, dass Deutschland eine Art Bankenunion unterstützen würde, sagt er. Zumindest zeige Deutschland Bereitschaft, im Gegenzug zu einer stärkeren Bankenaufsicht kippelnden Finanzinstituten begrenzte Finanzhilfen zu gewähren. Eine gemeinsame europäische Einlagengarantie, wie sie viele Analysten für notwendig halten, um das Vertrauen in hochverschuldeten Staaten wieder herzustellen, stehe allerdings noch in den Sternen.
—Mitarbeit: David Román, Jonathan House, Matina Stevis und Gabriele Parussini.Kontakt zum Autor: redaktion@wallstreetjournal.de
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