Was für einem Trugschluss sich die Cebit doch hingegeben hat, als sie die Privatbesucher von ihrer Hightech-Leistungsschau aussperrte. Die Organisation wollte das Treffen in Hannover aufwerten - dadurch, dass allein Fachbesucher Zutritt erhalten. Lösungen statt Produkte, war das Motto. Bloß nichts anfassen. Bloß nicht zu viel Entertainment. Und bloß keinen Spaß. Das war ein Spiel mit dem Feuer. Und dann noch das: Man pries die "Qualität der Besucher". Schallender könnte eine Ohrfeige für den Konsumenten kaum ausfallen.
Doch sinkende Besucherzahlen und weniger Aussteller haben die Messe etwas geläutert. Dieses Mal ist sogar die Musikindustrie in die niedersächsische Landeshauptstadt geladen. Die Branche zeigt sich auf der Cebit Sounds, einer kleinen eigenen Mini-Messe. Anderswo gibt es darüber hinaus ein digitales Klassenzimmer mit Touchscreens, in das Hunderte von Schulkindern geladen werden. Und auch Computerspiel-Meisterschaften werden angeboten. Trotzdem bleibt: Der Privatnutzer ist auch heute noch in Hannover das unterschätzte Wesen.
Wie kann sich eine Industrie über die mangelnde Bereitschaft junger Menschen beklagen, Informatik zu studieren, wenn sie genau diese Menschen nicht neugierig macht? Oder ihnen einfach nicht das Gefühl gibt, wirklich willkommen zu sein? Mit dem Finger auf das Bildungssystem zu zeigen, macht die Sache zu leicht. Eigentlich sollte die größte Hightech-Messe der Welt die Jugend in Scharen anziehen. Eine Chance, die aber jahrelang vergeben wurde.
Ebenso hat es die Cebit bis heute nicht vermocht zu zeigen, wie sehr Hightech schon in unseren Alltag vorgedrungen ist. Die Digitalisierung, die Verschmelzung von Computertechnik mit der Unterhaltungselektronik und die weitgehende Vernetzung sind schon lange keine Zukunftsvisionen mehr. Das ist längst in vielen Wohnzimmern Realität.
Plötzlich ist es nicht mehr die Industrie, die Nutzer vor sich hertreibt und sich wundert, warum ihre Innovationen nur langsam starten. Jetzt sind es die Anwender, die es den Unternehmen vormachen. Das beste Beispiel ist das Cloud Computing, mit dem sich viele Aussteller in Hannover schmücken, als wären sie bereits davon benebelt. Dienste, die bislang von Computern auf dem Schreibtisch geleistet wurden, sollen künftig ins Internet abwandern und in einer dubiosen "Wolke" von fernen Servern erledigt werden.
Wer sich von den blumigen Begriffen abwendet, blickt ein wenig erstaunt. Schon vor Jahren waren Websurfer millionenfach in der Wolke unterwegs und haben ihre komplette E-Mail-Kommunikation beispielsweise Portalen wie GMX, Web.de oder Googlemail überlassen. Fotos speicherten Flickr und Picassa. Ganze Musiksammlungen liegen im Netz und werden nach Hause gestreamt. Im Grunde ist Cloud Computing ein alter Hut, den sich nun auch Unternehmen aufsetzen. Hätten sie doch früher einmal auf die privaten Nutzer gehört.
Die Cebit muss genau das nun schaffen: Anbieter und Anwender in ein synchrones Verhältnis zu bekommen. Anknüpfungspunkte dafür gibt es genug, denn die Durchdringung des Alltags mit neuen digitalen Diensten schreitet immer schneller voran. Was in den kommenden Jahren geschieht, geht weit über die einfache Digitalisierung hinaus, bei der sich Musik und Fotos nicht mehr in Plastik oder Papier anfassen lassen.
Schon im November wird der elektronische Personalausweis ausgegeben, mit dem sich Deutsche auch im Internet ausweisen können. Fast zeitgleich startet die rechtverbindliche E-Mail, bei der Sender und Empfänger unzweifelhaft sind. Viele Behördengänge werden dadurch überflüssig, weil sie online erledigt werden können. Die elektronische Gesundheitskarte steht genauso vor dem Start wie intelligente Stromnetze oder Autos, die ständig mit dem Internet und somit praktisch rund um die Uhr mit ihrer Werkstatt verbunden sind. Was dies alles für den Alltag und die Gesellschaft bedeutet, muss die Cebit zeigen und erklären. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.