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"Unsere 40-Stunden-Woche in Europa ist lächerlich"

Julie Meyer ist Vorstandsvorsitzende von Ariadne Capital, einem Londoner Wagnisfinanzierer Julie Meyer ist Vorstandsvorsitzende von Ariadne Capital, einem Londoner Wagnisfinanzierer
Julie Meyer ist Vorstandsvorsitzende von Ariadne Capital, einem Londoner Wagnisfinanzierer
Quelle: Ariadne Capital/Gong Communications
Managerin Julie Meyer zählt zu den einflussreichsten Frauen Europas. Wer Karriere machen will, sollte richtig lang arbeiten, empfiehlt sie.

Eine der „30 einflussreichsten Frauen in Europa“, die „Unternehmerin des Jahres“, „Global Leader“ von morgen: Julie Meyer ist in ihrem Leben schon viel gelobt worden. Trotzdem ist die Unternehmensgründerin aus den USA auf dem Teppich geblieben – auch dank ihrer deutschen Wurzeln: Die Großeltern der 45-Jährigen stammen aus Osnabrück.

Noch heute lobt sie die Arbeitsmoral, die sie zu Hause vermittelt bekam. Julie Meyer ist Vorstandsvorsitzende von Ariadne Capital, einem Londoner Wagnisfinanzierer. Sie erleichterte unter anderem dem kürzlich von Microsoft aufgekauften Telefonie-Anbieter Skype die ersten Schritte.

Welt Online: Sie haben gesagt: „Wenn du eine gute Idee hast, wird dich das Geld finden.“ Stimmt das wirklich? Oder gilt das nur für Lichtgestalten wie Mark Zuckerberg und Steve Jobs?

Julie Meyer: Ich glaube daran, dass Geld den guten Ideen folgt. Die Geschichte zeigt uns: Kapital ist wie eine Waffe, die von Wärme angezogen wird. Das stelle ich immer wieder fest, wenn ich mit Freunden spreche, die bei Hedgefonds arbeiten und von denen man denkt, die schwebten über den Dingen. Die sagen immer noch, dass sie auf der Suche nach den besten Ideen sind. Das soll nicht heißen, dass es einfach ist, Gründer zu sein. Meine Eltern haben mich nicht nur ermuntert, hart zu arbeiten – sie haben mich geradezu gezwungen.

Ich habe nie erwartet, dass es für mich leicht wird. Das heißt nicht, dass du davon krank wirst, weil du so viel arbeitest. Aber: Niemand wird dir den Erfolg auf einem Teller servieren. Das Geld findet dich nur, wenn du da draußen bist, netzwerkst und ständig überlegst, wie du es schaffen kannst. Das kostet dich vielleicht zwei Jahre: Als wir Niklas Zennström halfen, Skype zu gründen, hatte der bereits viel Geld gesammelt. Skype wurde am Ende für 8,5 Milliarden Dollar verkauft. Du musst hart im Nehmen sein, um weiterzumachen, auch wenn dir niemand Geld für deine Idee gibt.

Welt Online: Haben Jobneulinge diese Härte? Oder sind sie zu wenig risikobereit?

Meyer: Vielleicht. Dabei ist es doch so: In deinen 20ern muss dir gar nichts Angst einjagen. Du hast geringe Fixkosten, keine Hypothek und bist meist auch noch nicht verheiratet. Das ist eine großartige Zeit, um sich auszuprobieren. Mag ich das Risiko, ist es Teil des Spiels oder macht es mich verrückt? Wenn das Start-up pleitegeht – und das kommt vor –, ist das zwar nicht lustig, aber trotzdem kein großer Akt. Wenn du das erste Mal mit 38 oder 48 dein eigenes Unternehmen aufmachst, hat das ganz andere Konsequenzen für dein Leben. Ich rate jungen Leuten deshalb immer, herauszufinden, wo in diesem Zug auf dem Weg ins Unternehmerland sie sich sehen: Einige von uns werden den Zug steuern. Andere dagegen verkaufen den Kaffee und den Tee an Bord. Das ist okay – solange jeder das macht, wovon er träumt.

Welt Online: In Deutschland machten zuletzt Kopien von US-amerikanischen Ideen Schlagzeilen, zum Beispiel der Coupon-Dienstleister DailyDeal, der bei Groupon in den USA abgeschaut hat.

Meyer: Das ist doch smart! Wenn die Deutschen Dinge in den USA kopieren und die US-Bürger dazu bekommen, für viel Geld die Kopie zu kaufen, dann ist das doch brillant. Als ich vor Jahren nach London kam, bekam ich oft zu hören, Europa habe nicht denselben Schlag Unternehmer, wie man sie in Israel oder im Silicon Valley findet. Das ist Quatsch. Es sind die finanziellen Möglichkeiten, die nicht dieselben waren, weil weniger Wagniskapital verfügbar war.

Welt Online: Europa befindet sich auf dem Weg in die Rezession. Wird es schwieriger, Wagniskapitalgeber zu finden?

Meyer: Da draußen wartet eine Menge Geld. Es kann sein, dass es sich am anderen Ende der Welt befindet oder dass es von Familien gehalten wird. Du musst strategisch denken: Wenn du eine völlig neue Art entdeckt hast, wie sich ein Kühlschrank konstruieren lässt, kannst du nicht nur potenzielle Geldgeber in Berlin ansprechen. Natürlich gibt es Produkte, für die sich kein Markt findet. Ich glaube aber: Für eine wirklich heiße Idee lässt sich fast immer ein Finanzierer finden.

Welt Online: Was raten Sie jungen Unternehmern?

Meyer: Arbeite an deinen Stärken, nicht an deinen Schwächen. Im Studium ist mir immer wieder aufgefallen, dass andere in vielen Dingen um Längen besser waren als ich selbst. Doch ich wusste, was ich wollte, und konnte deshalb eine Art unfairen Vorteil für mich in Anspruch nehmen. Ich wusste, was ich in dieser Welt erreichen wollte, was mein einzigartiger Beitrag war. Und darum geht es: um einen Job oder um Berufung. Ich bereue lediglich, dass ich diese Erkenntnis statt mit 22 erst mit 32 gehabt habe.

Welt Online: In wenigen Monaten wird Facebook an die Börse gehen . Was erwarten Sie?

Meyer: Es wird ein riesiges Ereignis sein, vergleichbar mit den Börsengängen von Apple, Microsoft oder Google. Die Idee hinter Facebook – das Netzwerk, das Hierarchielose – hat bedeutende Konsequenzen für die Art und Weise, wie wir in Zukunft Geschäfte machen werden. Ich kann nicht mehr einfach hingehen und Entscheidungen durchfechten, wenn ich so eine große Bandbreite an Aktionären habe, die mit dieser Form der hierarchielosen Kommunikation sozialisiert worden sind. Es geht viel mehr als früher darum, Allianzen zu schließen. Frauen sind sehr gut in so was. Das andere Thema, das der Börsengang von Facebook wieder auf die Agenda bringt, ist die Verwertung von persönlichen Daten der Nutzer. Facebook und Google benutzen Informationen über uns, und wir bekommen nichts dafür. Es geht hier nicht etwa um Privatheit, sondern darum, wer von unseren Daten finanziell profitiert. Mehr und mehr Menschen werden diese Tatsache hinterfragen.

Welt Online: In welchen Branchen erwarten Sie langfristig größere Veränderungen?

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Meyer: Ich schaue mir eher Trends, nicht Branchen an. Die digitale Revolution verändert die Art und Weise, wie Firmen funktionieren. Das ist wie bei David und Goliath: In Zukunft wird es mehr und mehr kleine Davids geben, die auf Goliath angewiesen sind, um eine entsprechende Reichweite zu erlangen. Gleichzeitig brauchen die Goliaths die Innovationen von außen, um Fortschritte zu machen. Das passiert quer durch alle Industrien.

Welt Online: Alle Welt schaut derzeit nach Asien. Was können wir von Chinesen, Koreanern und Indern lernen?

Meyer: Besonders viel in Bezug auf Arbeitseinstellung. Unsere 40-Stunden-Woche hier in Europa ist lächerlich. Erfolgreiche Unternehmer in China arbeiten 80 oder 100 Stunden in der Woche. Ich sage nicht, dass das gut ist – ich stelle es fest. Für ein wirklich großes Ding brauchen Sie diesen Einsatz. In Ländern ohne Sozialstaat arbeiten die Leute wie blöd. Das hat nichts damit zu tun, ob sie smart oder nicht smart sind. Leider ist das Thema hier immer noch ein Tabu. Zugegeben: Auch ich sähe besser aus, wenn ich weniger arbeiten, mehr Sport treiben und mehr schlafen würde. Aber ich weiß auch: Es ist cool, wenn du weißt, was du in dieser Welt willst.

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