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Meinung Shortlist

So schafft sich der Deutsche Buchpreis ab

| Lesedauer: 3 Minuten
Literarischer Korrespondent
Die Schriftstellerin Jenny Erpenbeck gilt jetzt mit „Gehen, ging gegangen“ als Favoritin für den Deutschen Buchpreis. Clemens J. Setz kam mit seinem Roman „Die Stunde zwischen Frau und Gitarre“ nicht in die Endauswahl Die Schriftstellerin Jenny Erpenbeck gilt jetzt mit „Gehen, ging gegangen“ als Favoritin für den Deutschen Buchpreis. Clemens J. Setz kam mit seinem Roman „Die Stunde zwischen Frau und Gitarre“ nicht in die Endauswahl
Die Schriftstellerin Jenny Erpenbeck gilt jetzt mit „Gehen, ging gegangen“ als Favoritin für den Deutschen Buchpreis. Clemens J. Setz kam mit seinem Roman „Die Stunde zwischen Frau... und Gitarre“ nicht in die Endauswahl
Quelle: dpa
Mit dem Deutschen Buchpreis soll in jedem Jahr der beste deutschsprachige Roman ausgezeichnet werden. Jetzt ist die neue Shortlist da. Und die offenbart den zentralen Geburtsfehler des Preises.

Um zu verstehen, was in diesem Jahr beim Deutschen Buchpreis schiefgelaufen ist, muss man etwas weiter ausholen. Nicht jedem dürfte bewusst sein, was für ein Aufwand hier betrieben wird, um schließlich, am Montag vor der Frankfurter Buchmesse, einen Preisträger bekannt geben zu können.

Bevor überhaupt über ein Buch gesprochen wird, tritt nämlich erst einmal, irgendwann im tiefsten Winter, die Akademie Deutscher Buchpreis zusammen. Dieser ehrwürdigen Vereinigung gehören zehn Mitglieder an, unter ihnen traditionell der Buchmessendirektor, die Kulturstaatsministerin, der Präsident des Goethe-Instituts, der Vorsteher des Börsenvereins sowie weitere Funktionäre der Buchbranche, aber auch ein Vorstandsmitglied der Deutsche Bank Stiftung – schließlich mit dem jeweiligen Kerr-Preisträger des Vorjahres auch ein Literaturkritiker (oder, in diesem Jahr eine Kritikerin).

Die Kritiker sind in der Jury unterrepräsentiert

Die einzige Aufgabe dieser „Akademie“ ist die Auswahl der jährlich wechselnden Jury – also der eigentlichen Jury, der mit den Büchern. Nun hat das Meta-Gremium nach zehn Jahren Buchpreis offenbar ein Problem: Ihm gehen nämlich die renommierten Kritiker aus, denn in diesen fein ausgetüftelten System gilt die Regel, dass niemand zweimal in denselben Fluss der Neuerscheinungen steigen darf.

Mit dem Ergebnis, dass in diesem Jahr mit dem SZ-Kollegen Christopher Schmidt nur ein einziger Literaturkritiker von Rang und mit überregionalem Wirkungsgrad beteiligt ist. Jurymitglieder sind etwa Markus Hinterhäuser, Intendant der Wiener Festwochen, oder Ursula Kloke, Inhaberin einer „gut sortierten Stadtteil-Buchhandlung“ in Stuttgart-Botnang (auch ein Kollege von der Mayerschen Buchhandlung ist noch dabei).

Unter Buchmachern sozusagen der zweite Favorit von der Finalliste: der Schriftsteller Ulrich Peltzer
Unter Buchmachern sozusagen der zweite Favorit von der Finalliste: der Schriftsteller Ulrich Peltzer
Quelle: picture-alliance/ ZB

Nichts gegen Buchhändlerinnen, Festspielintendanten oder auch andere passionierte Leser – in einer Jury für den besten Roman des Jahres haben sie dennoch nichts verloren. Hier gehören einfach die besten Kritiker aus Deutschland, Österreich und der Schweiz hinein (wie das etwa der Leipziger Preis macht), und das sind immer noch genug, um jedes Jahr für Abwechslung zu sorgen.

Mit absoluter Sicherheit wäre dies dann nämlich nicht passiert: Dass mit Clemens J. Setz’ „Die Stunde zwischen Frau und Gitarre“ der provokativste, intelligenteste, sprachmächtigste und verstörendste Roman des Jahres auf der Shortlist fehlen würde (s. „Welt“ v. 29. August). Ohne damit irgendetwas Schlechtes über die sechs Bücher sagen zu wollen, die es geschafft haben (von Jenny Erpenbeck, Rolf Lappert, Inger-Maria Mahlke, Ulrich Peltzer, Monique Schwitter und Frank Witzel) – der Deutsche Buchpreis 2015 ist damit schlicht bedeutungslos geworden.

Wenn eine Jury nicht in der Lage ist, den herausragenden Charakter eines solchen Buches zu erkennen (und sei es nur als eine zugegeben extreme Möglichkeit zeitgenössischen Schreibens), dann hat sie versagt, ganz egal, welcher der anderen Kandidaten am Ende den Preis bekommt. Der ist nämlich von Vornherein entwertet.

Die vollständige Finalliste:

Jenny Erpenbeck: Gehen, ging, gegangen (Knaus)

Rolf Lappert: Über den Winter (Carl Hanser)

Inger-Maria Mahlke: Wie Ihr wollt (Berlin Verlag)

Ulrich Peltzer: Das bessere Leben (S. Fischer)

Monique Schwitter: Eins im Andern (Droschl)

Frank Witzel: Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969 (Matthes & Seitz)

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