News Check
Schlagzeilen, Meldungen und alles Wichtige
Die Nachrichten heute: Newsticker, Schlagzeilen und alles, was heute wichtig ist, im Überblick.
Zum News Check
  1. Home
  2. Kultur
  3. Literatur
  4. Krimi der Woche: Wallace Strobys „Kalter Schuss ins Herz“

Literatur Krimi der Woche

Manchmal ist ’ne Frau ein ziemlich harter Kerl

Redakteur Feuilleton
Wallace Stroby war Polizeireporter in New Jersey, der Nachrichtenchef für die „Sopranos“. Dann erfand er Crissa Stone. Diebin, Killerin und Mutter. Seitdem schmeckt Hardboiled ein bisschen anders.

Vielleicht fangen wir mit der Katze an. Schwarz, mit ausgefranstem Ohr. Sie kuschelt sich ein – es ist kalt, der Himmel spuckt Schnee, es geht gegen Weihnachten an der amerikanischen Ostküste – in das nicht sonderlich kuschelige Leben der Crissa Stone.

Und schon geht alles schief. Man soll halt auf schlechte Omen achten. Vor allem auch in Kriminalromanen. Mit Katzen ist da nicht zu spaßen.

Wobei natürlich – aus spießbürgerlicher Sicht – schon ziemlich lange alles schief lief im Leben der Crissa Stone. Die brauchte dazu keine Katze, die hatte Wallace Stroby. Der hat sie nämlich erfunden für seinen vierten Roman, der nicht nur „Kalter Schuss ins Herz“ heißt, sondern auch einer ist.

Wallace Stroby – Nachrichtenchef der „Sopranos“

Stroby (Jahrgang 1960), muss man dazu sagen, ist ein literarischer Extremkriminalist. Er kennt alles, was in Film und Buch auch nur nach Noir riecht. Er liebt die harten Jungs. Jahrzehntelang hat er als Polizeireporter gearbeitet, mehr als ein Dutzend Jahre beim „Star Ledger“.

Den wiederum kann man von den „Sopranos“ kennen, weil dessen Titelseite da regelmäßig in die Kamera gehalten wurde von Tony Soprano. Stroby hat etliche Nachrichten erfunden für die „Sopranos“-Seiten des „Star Ledger“.

Und weil wir mit den „Sopranos“ schon bei der Mafia sind, sind wir auch schon auf der richtigen Spur. Wallace Stroby wollte nämlich in die hart gekochte Literatur einen weiblichen Glutkern pflanzen, eine Frau, so außerhalb des Gesetzes wie Richard Starks Parker, wie Garry Dishers Wyatt.

Eine Verbrecherin, nicht aus verlorener Ehre, nicht aus Verzweiflung, sondern eine, die gar nicht anders kann. Für die das Stehlen, das Einbrechen ihr Leben ist, als einzig adäquate Existenzform, als ganz eigene Geschäftsidee natürlich auch.

Als Wallace Stroby Ali MacGraw in „Getaway“ sah, hatte er Crissa Stone gefunden. Crissa ist allerdings sozusagen die hyperaktive Version von Ali MacGraws Frau im Film von Sam Peckinpah
Als Wallace Stroby Ali MacGraw in „Getaway“ sah, hatte er Crissa Stone gefunden. Crissa ist allerdings sozusagen die hyperaktive Version von Ali MacGraws Frau im Film von Sam Pecki...npah
Quelle: picture alliance/Mary Evans Picgture Library

Und dann sah er Ali MacGraw an der Seite von Steve McQueen in Sam Peckinpahs „Getaway“, der Verfilmung eines Romans von Jim Thompson (einem der ganz harten Jungs). In dem geht ein Banküberfall schief, und ein Gangsterpärchen flieht Richtung Mexiko.

Irgendwie hat er MacGraw, die ihm zu passiv war, und McQueen verschmolzen, eine ordentliche Portion Wyatt und Parker dazu gebröselt und alles, was ihm zur Mafia einfiel und zur Geschichte der nicht nur literarischen Ostküstenverbrechen.

Crissa Stone – mehr als ein Parker mit Büstenhalter

Anschließend hat er es in seinem kriminologischen Thermomix ein bisschen kreiseln lassen. Das Ergebnis ist der Auftakt für eine Krimiserie, die einem vom ersten Satz an die Füße unterm Knie wegschießt.

Was vor allem daran liegt, dass Stroby eine Figur durch die Schneeschauer von New Jersey schickt, die mehr ist als ein Parker mit Büstenhalter. Crissa Stone ist eher ein ganzheitlicher Wyatt.

Kein fremder, kalter Gott. Eine schussbereite Halbgöttin mit extremer Verwurzelung im Menschlichen, was sie nahbarer macht, aber nicht weniger fremd. Eine schöne Bruchlinie ergibt das, an der man sich ständig reibt.

Wallace Stroby: Kalter Schuss ins Herz. A. d. Engl. und Nachwort v. Alf Mayer. Pendragon, Bielefeld. 352 S., 15,99 Euro.
Wallace Stroby: Kalter Schuss ins Herz. A. d. Engl. und Nachwort v. Alf Mayer. Pendragon, Bielefeld. 352 S., 15,99 Euro.
Quelle: Verlag

Ein Leben will sich Crissa aufbauen. Neben der Welt des Verbrechens, das ihr den Unterhalt sichert, den feinen Rotwein, die schöne Musik, die sie hört. Mit Haus. Mit dem Kind, das sie schon hat, aber nur wie eine Detektivin beobachtet, was sie verletzlich, erpressbar macht.

Sie beklaut die Banken, lässt ihr Geld anlegen. Und dann kommt halt die Katze, die sie zum Ameublement eines bürgerlichen Leben eigentlich auch noch bräuchte, zu früh, und alles geht schief.

Ein herrliches Feuerwerk der literarischen Anspielungen und Verweise findet statt. Wunderbare Autos werden gefahren. Mit klasse Kanonen wird geballert. Motels werden besucht. In glimmernden, schlimmen Diner wird gegessen.

Ist die Katze weg, erholt sich der Mensch

Stroby schickt Crissa die Nemesis an den Hals. Eddie der Heilige heißt er, er trägt den Mantel von Sam Spade auf und ist sozusagen Parker in richtig böse. Blut spritzt. Gehirnmasse fliegt.

Es ist gerne dunkel. Es fühlt sich immer echt an. Dann werden Nächte noch kälter. Die Katze ist weg. Und Crissa Stone fährt weiter. Was für ein Glück.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema
KOMMENTARE WERDEN GELADEN
Neues aus unserem Netzwerk