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Deutschland Michael Wolffsohn

Abschied eines dickköpfigen Akademiker-Soldaten

| Lesedauer: 4 Minuten
Der umstrittene und streitbare Historiker Michael Wolffsohn tritt in den Ruhestand Der umstrittene und streitbare Historiker Michael Wolffsohn tritt in den Ruhestand
Der umstrittene und streitbare Historiker Michael Wolffsohn tritt in den Ruhestand
Quelle: DAPD
Michael Wolffsohn hält am Donnerstag seine Abschiedsvorlesung an der Bundeswehruniversität in München. Der Historiker eckte gern an. Das machte ihn einsam – und äußerst wichtig für das Land.

Warum einer im besten Alter an deutschen Universitäten nun nichts mehr zu sagen haben soll, ist ein Rätsel. Doch am Donnerstag hält er seine Abschiedsvorlesung. Michael Wolffsohn, Professor für Neuere Geschichte an der Bundeswehruniversität in München, wird emeritiert.

Manch eine(r) in Neubiberg wird bei seinem Abschied aufatmen. Missverständnis oder Armutszeugnis? Immerhin hat er die Universität mit der Forschungsstelle Deutsch-Jüdische Zeitgeschichte bereichert.

Und jede andere als eine deutsche Universität wäre stolz auf einen Lehrer, der so gut vernetzt ist und so vielfach ausgezeichnet wurde.

Wolffsohn verstand etwas von Soldaten

Wolffsohns Abschied von seiner Universität dürfte ein Blick zurück nicht ohne Zorn sein. Er war umstritten, immer wieder. Weil er auffiel? Seine Meinung sagte? Eine öffentliche Person war? Oder weil er als Soldat etwas von Soldaten verstand, was man nicht allen in München nachsagen kann, Gender-Forschung hin oder her?

"Weniger Akademikermief und Nabelschau", empfiehlt er seiner Universität im Nachhinein. Und den dort studierenden künftigen Führungskräften, ja der Bundeswehr insgesamt? "Mehr berechtigtes Selbstwertgefühl."  

Wolffsohn, in Tel Aviv als Sohn einer 1939 aus Deutschland geflohenen jüdischen Kaufmannsfamilie geboren, die bereits 1954 zurück nach West-Berlin ging, ist ein schmaler Mann, der mit leiser Stimme argumentiert. Wer ihm begegnet, versteht nicht, wieso er so unbeliebt ist bei vielen der ostentativ "Guten" im Lande.

War es die Tatsache, dass er fast drei Jahre in der israelischen Armee gedient hat? Dass er den Wehrdienst für die Pflicht nicht nur des Patrioten, sondern des Demokraten hielt, als man in Westdeutschland noch Verweigerung zur ersten Mannespflicht erklärte?

Dass er ein wehrhafter Jude ist, wohingegen viele in Deutschland die Juden nur als Opfer ertragen? Dass er Deutschland mehr liebt als man es im linksliberalen juste milieu für angemessen hält?

Oder liegt das am ganz normalen Antisemitismus? "Tote Juden sind bequemer", antwortet Wolffsohn lakonisch. Doch viele Angriffe auf ihn schiebt er weniger auf sein Judentum, als auf "Thesen und Person – beide unbequem".

Einen Platitüdenonkel hätten alle ins Herz geschlossen

In der Tat. Wäre er in seinen 30 Büchern und zahllosen Essays einer jener Mahner und Warner gewesen, ein Phrasendrescher und Platitüdenonkel, wie man sie hierzulande so liebt, hätten ihn alle in ihr Herz geschlossen.

Bis auf die notorischen Rechtsextremen natürlich, die stets fürchteten, der deutsche Jude und Ex-Soldat Israels würde "den deutschen Offiziersnachwuchs" vergiften.

Wolffsohn entzieht sich jeder Vereinnahmung konsequent und dickköpfig. Er mag das nicht, das "diplomatische Ver- und Übermitteln oder das verdeckende Überzuckern", er ist weder Befehlsempfänger noch Diplomat – sondern Professor geworden, weil das von "profiteri" komme – von "Bekennen".

Das macht einzelgängerisch – und manchmal auch einsam. Der sensible, überaus höfliche Wolffsohn macht keinen Hehl daraus, dass ihn vieles in der Vergangenheit gekränkt hat.

Und in der Tat: insbesondere das juste milieu der "Guten" leistete sich Erstaunliches. Friedrich Küppersbusch unterlegte einst Wolffsohns Konterfei mit dem Hakenkreuz der Reichskriegsflagge. Es war das Jahr 1995, die Sendung hieß "ZAK", und das alles sollte wohl lustig gemeint sein.

Kühle Ablehnung von "Sondergesetzen"

Verblüffend auch, wie viele glaubten, dem Juden Wolffsohn gegenüber das Judentum verteidigen zu müssen. Etwa in der 1989 diskutierten Frage, ob es, nachdem die erste und zweite Generation davon befreit war, wenigstens für die dritte Generation der jüdischen Holocaust-Überlebenden die Wehrpflicht geben sollte.

Natürlich, sagte Wolffsohn und lehnte kühl ein "Sondergesetz" ab. Prompt brachte sich die Kohl-Regierung gegen ihn als die historisch sensiblere Instanz in Stellung.

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Mit "historischer Sensibilität" ist das so eine Sache. Dass Wolffsohn für die Wiedereinführung des "Eisernen Kreuzes" plädierte, können nur jene für verdächtig halten, die nicht wissen, dass die militärische Auszeichnung nicht von Hitler, sondern 1813 vom preußischen König Friedrich Wilhelm III. gestiftet wurde – also zu den Befreiungskriegen von der Tyrannei Napoleons.

Nun fehlt er vielleicht der Universität. Alle anderen aber können nur gewinnen. Wolffsohn ist ein Enkel des Verlegers und Kino-Pioniers Karl Wolffsohn, seine Frau Rita Tochter des Designprofessors Wilhelm Braun-Feldweg.

"Man wird weiter von mir hören"

Die Familie hat mit erheblichem privaten Risiko ein jüdisches Vermächtnis erhalten, von dem nicht nur Berlin profitiert. Die in den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts vom Rudolf Fränkel erbaute "Gartenstadt Atlantic" am Gesundbrunnen, 1939 Karl Wolffsohn geraubt, dann verlorenes und verwahrlostes Gebiet, ist behutsam und denkmaltreu saniert und zu einem Musterbeispiel gelungener Integration geworden.

Das Projekt ist eines der Versöhnung, von einem, der kein Versöhnler war und niemals sein wird: der deutsch-jüdisch-türkischen Versöhnung.

Was hat man von ihm künftig zu erwarten? "Ich verspreche, man wird weiter von mir hören." Vielleicht schreibt er eine Familiengeschichte mit Autobiografie. Und vielleicht gelingt ihm nichts Geringeres als "die (welt)historische Einordnung der Bundesrepublik Deutschland."

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