Wie lästert man in der Sprache unseres Ressorts über Richard David Precht? Ganz einfach: Man nennt ihn den André Rieu der Philosophie. Wie gratuliert man der Berlinale zum Sechzigsten? Man feiert sie als Meryl Streep unter den Filmfestivals. Und was murmelte Henryk M. Broder neulich in der ARD, nach seinem Treffen mit linientreuen Alt-SED-Funktionären in der Integrationssendung "Entweder Broder"? "Das war der Jurassic Park der DDR!"
Man müsste mal genau nachzählen, aber ich glaube schon, dass es stimmt: Wenn's um feuilletonistische Formulieren geht, dann ist jene Stilfigur, die in der antiken Schulrhetorik Antonomasie heißt, eine der häufigsten - und auch der sympathischsten. Ein echtes Stück Feuilleton-Folklore, dieser notorische Drang, Namen (von Personen, Kunstwerken, Produkten) mit anderen Namen zu adeln oder auch ganz fies zu verknüpfen. Da gibt es dann einen "Dieter Bohlen der Parteienforscher", und jeder weiß, was gemeint ist. Kein Ressort macht von dieser Sonderform des Namedroppings hemmungsloser Gebrauch als das Feuilleton. Manchmal wird der Ersatz-Name beziehungsweise die Umschreibung, die anstelle des eigentlichen Namens steht, sogar zum literarischen Selbstzweck. Wenn ein Christian Kracht Stellung zum Stichwort Kalaschnikow bezieht, spricht er von der Jil Sander der semiautomatischen Waffen.
Weil jeder gern mit dieser Stilfigur herumspielt, ob talentiert oder nicht, ist die Antonomasie so etwas wie der Fußball unter den journalistischen Stilfiguren: eine Breitensportart, die auch andere Ressorts nutzen. Am besten und bissigsten immer da, wo ein Name eingängig, plastisch als Vertreter einer bestimmten Klasse funktioniert: Ein Chefvolkswirt der EZB als Rottweiler der fiskalpolitischen Disziplin belebt noch jeden Wirtschaftsteil. Im Politik-Ressort soll jemand der Joschka Fischer der Linkspartei gewesen sein, und im Reiseressort ist die Rede vom St. Moritz der DDR (natürlich Oberwiesenthal). Nur der Sportjournalismus bleibt weiter fest in der Hand der klassischen Synonyme: der Leimener, der Kerpener und - jetzt neu! - der Heppenheimer, eingebrannt ins kollektive Gedächtnis. Da erfrischt doch sogar ein Mozart des 100-Meter-Laufs - genau: Usain Bolt. Wir hier in der Fankurve der Feuilletonlektüre freuen uns über jeden Torschuss.
Marc Reichwein ist Mitbegründer von "Der Umblätterer", einem Blog zur Feuilletonbeobachtung.