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Kultur Martin Zet

Verhasst, weil er Sarrazins Bücher vernichten will

Der Künstler Martin Zet will 60.000 Bände von Thilo Sarrazin sammeln und vernichten. Die massive Kritik an seinem Projekt überrascht ihn. Ein Gespräch.

Die geplante Künstleraktion um das umstrittene Buch "Deutschland schafft sich ab" von Thilo Sarrazin stößt wegen möglicher Assoziationen zur NS-Bücherverbrennung auf heftigen Protest. Als die Aktion am Freitag bekannt wurde, meinte der Direktor des Moses Mendelssohn Zentrums in Potsdam, Julius H. Schoeps, dieses Vorhaben sei "ein Akt der Peinlichkeit, den es zu verhindern gilt". Der tschechische Künstler Martin Zet, der das Buch in tschechischer Übersetzung gelesen hat, hatte dazu aufgerufen, das seiner Ansicht nach ausländerfeindliche Werk an verschiedenen Sammelstellen abzugeben." Bei der Berlin Biennale (ab 27.4.) sollten die Bücher dann in einer Installation gezeigt und nachher "für einen guten Zweck recycelt" werden. Bernd Scherer, Intendant des Hauses der Kulturen der Welt, das sich als eine der Sammelstellen zur Verfügung gestellt hatte, will jetzt mit dem Künstler das Konzept klären. "Die Welt" sprach mit Martin Zet über sein Konzept.

Die Welt: Wie geht es Ihnen?

Martin Zet: Nun, ich glaube, ich bin die zurzeit meistgehasste Person Deutschlands. Glauben Sie dass es eine gute Idee ist, mit mir ein Interview zu führen?

Die Welt: Wir sind für Meinungsfreiheit.

Martin Zet: Gut!

Die Welt: Warum aber wollen Sie Bücher zerstören?

Martin Zet: Ich liebe Bücher! Deshalb sind Buchinstallationen so eine Art Spezialität von mir. Sie helfen mir, Antworten auf bestimmte Fragen zu finden. Meistens behandeln meine Projekte Bücher als eine Form des Übergangs - die Entwicklung von überhaupt keinen Büchern zu wenigen Büchern für einige Wenige, zu Büchern als Massenmedium, - und wieder zu etwas exklusivem, das von anderen Medien überholt wird. In meinen Installationen können die Menschen diese Zeitlichkeit physisch erfahren. Aber ehrlich gesagt - was nach der Installation mit den Büchern passiert, war in anderen Ländern nie ein Problem.

Die Welt: Behaupten Sie ernsthaft, bei Ihrer Kunstaktion nie an die Bücherverbrennung der Nazis 1933 gedacht zu haben?

Martin Zet: Natürlich habe ich daran gedacht. Aber ich dachte auch, Deutschland ist darüber hinweg. Ich wusste nicht, dass das Land davon noch so traumatisiert ist. Ich habe durchaus mit heftigen Reaktionen gerechnet - aber eher in Bezug auf die Gegenwart und Zukunft.

Die Welt: Selbst ohne diese historische Komponente - wieso würde ein Bücherliebhaber zur Bücherzerstörung aufrufen?

Martin Zet: Dass meine Aktion ein Akt der Bücherzerstörung ist, das wurde doch erst von den Medien so dargestellt. Dieser - erste - Teil meiner Arbeit sollte vielmehr um das Mobilisieren von Menschen gehen. Ich leide persönlich darunter, wenn Bücher falsch behandelt werden - obwohl mir klar ist, dass das Buch nur die Form ist - was zählt, ist der Inhalt. Wäre es genauso schmerzhaft, eine CD mit dem Text zu zerbrechen? Oder das E-Book vom Computer zu löschen?

Die Welt: Solche Fragen hätten Sie mit jedem anderen Titel aufwerfen können. Sie wählten dieses, das politisch extrem aufgeladen ist.

Martin Zet: Ja, weil es die Frage schwieriger und interessanter macht: Gibt es ein Buch, das Sie gerne loswerden oder gar zerstören wollen würden? Und wenn ja - wie?

Die Welt: Wie genau wird Ihre Installation aussehen?

Martin Zet: Das ist eine Überraschung.

Die Welt: Und was passiert mit den Büchern am Ende?

Martin Zet: Das habe ich noch nicht entschieden. Eine Idee war, das Publikum entscheiden zu lassen. Wenn Büchereien ihre Regale von alten oder zerstörten Büchern räumen, kommen sie zu einer ganz schnöden Papier-Recyclinganlage. Das passiert den Klassikern, den großen Schriftstellern, jedem. Aber nun - als Teil der Berlin Biennale? Ehrlich gesagt, ich glaube nicht, dass die Installation so stattfinden wird wie geplant. Bis jetzt habe ich noch kein einziges Buch erhalten. Aber das wichtigste ist passiert: Menschen haben Anteil genommen. Und vielleicht, wenn sie genug haben von dem masochistischen Gedanken der Verbrennung dieses Mediums, werden sie anfangen, über seinen Inhalt nachzudenken, und was es in der Gesellschaft ausgelöst hat.

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