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Panorama Pornoproduzentin Joy

Feminine Variationen – Küssen, Ausziehen, Anfassen

| Lesedauer: 5 Minuten
Nahost-Korrespondentin
Petra Joy ist Pornoproduzentin und macht das Genre attraktiv für Frauen Petra Joy ist Pornoproduzentin und macht das Genre attraktiv für Frauen
Petra Joy ist Pornoproduzentin und macht das Genre attraktiv für Frauen
Quelle: Petra Joy
Ihr (Künstler-)name ist Programm: Petra Joy will Frauen Lust bereiten, sie dreht Sexfilme aus weiblicher Sicht. Die 48-jährige Deutsche ist Vorreiterin einer neuen Form des Pornos.

Petra Joy dreht Pornos, in dem der weibliche Orgasmus im Mittelpunkt steht. Dabei war die Regisseurin lange Zeit eine entschiedene Pornogegnerin: Joy arbeitet als freie Filmemacherin in Großbritannien für das deutsche Fernsehen, drehte unter anderem eine Dokumentation über Gewaltverherrlichung in Sexfilmen.

Inzwischen liegen ihre Produktionen in den Regalen der Beate Uhse-Filialen, fördert sie Pornoregisseurinnen mit einem eigenen Nachwuchspreis. Jetzt hat Joy ein Buch ("Die Pornografin", Heyne, München, 288 S., 8,99 Euro) über ihre sexuelle Revolution im Film geschrieben.

Welt Online: In den 80ern waren Sie Pornogegnerin. Heute sind Sie Pornoregisseurin. Wie erklären Sie diesen Bruch?

Petra Joy:  Das ist kein Bruch. Ich bin immer noch gegen die meisten Pornos, weil sie extrem gewaltverherrlichend und frauenfeindlich sind. Aber es reicht mir nicht mehr nur "Nein" zu sagen, ich will Alternativen schaffen.

Ich wollte Erotikfilme sehen, aber es gab nichts, das mir gefiel. Deswegen habe ich Anfang des neuen Jahrtausends beschlossen, selbst Pornos zu drehen und zwar solche, die Frauen ansprechen. Es war mir wichtig, den vielen Filmen von Männern eine weibliche Perspektive entgegenzusetzen.

Welt Online: Sind Pornos politisch?

Petra Joy:  Natürlich! Pornos reflektieren Geschlechterverhältnisse und zementieren sie auch. Die meisten Filme zeigen stets unterwürfige Frauen, die Männer bedienen und starke Männer, die kriegen, was sie wollen, während Frauen ihre Bedürfnisse hinten anstellen müssen. Leider bekommen viele Jugendliche ihre sexuelle Bildung durch Pornos im Internet. In diesen Filmen wird kein Safer Sex praktiziert und weibliche Sexualität völlig verzerrt dargestellt. Als sei es das höchste der Gefühle, einen Blowjob nach dem anderen zu geben.

Welt Online:  Worin unterscheiden sich Frauen- von Männerpornos?

Petra Joy:  Der Fokus liegt auf der weiblichen Lust. Im Männerporno geht es bloß um seinen Höhepunkt, wenn er ejakuliert hat, ist die Szene vorbei. Aber wir wissen ja, dass Frauen multiple Orgasmen haben können. Und selbst wenn der Mann schon gekommen ist, hat er noch eine Zunge, Finger und es gibt Spielzeug… Variationen sind wichtig.

Der Mainstream zeigt immer nur Nahaufnahmen der Genitalien oder die Frau, die "fester, härter" schreit. Ich filme auch mal einen schönen Männerhintern, seine Hände oder sein Gesicht. Und ich zeige gerne Küssen, Ausziehen, Anfassen – die ganze Erregungskurve eben.

Welt Online:  Ein typisches Vorurteil ist, dass Frauen nur Blümchensex sehen wollen.

Petra Joy: Das kann ich nicht bestätigen. Die weibliche Sexualität hat zahllose Facetten und ich versuche, möglichst viele sichtbar zu machen. Meine Filme stellen das Rollenklischee auf den Kopf, dass die Frau immer Sexobjekt und der Mann Voyeur ist.

Frauen genießen es, Männer beim Masturbieren zu beobachten, oder bisexuellen Männern beim Sex zuzusehen. Frauensex ist nicht nur Blümchensex. Die Heldinnen in meinen Filmen bekommen das, worauf sie Lust haben. Egal ob "hart" oder "weich".

Welt Online:  Sie haben den "PorYes"-Preis gewonnen, der feministische Sexfilme auszeichnet. Wie dreht man einen politisch korrekten Porno?

Petra Joy: Ich ziehe den Begriff des "fair porn" vor, wie "fair trade". Meistens drehe ich mit Laien. Ich caste nicht nach Brustumfang und Penislänge sondern achte darauf, dass es menschlich passt. Mein Set ist eine silikonfreie Zone, ich zeige nicht den typischen Pornostarlook, sondern ganz viele unterschiedliche Körpertypen. Wichtig ist, dass die Atmosphäre entspannt ist, sich niemand unter Leistungszwang fühlt.

Es gibt keine Liste von Positionen, die abgeturnt werden müssen. Für mich ist wichtig, dass die Darstellerinnen und Darsteller frei wählen, mit wem sie Sex haben, was sie machen und dass sie beim Dreh Safer Sex haben. Viele Szenen entstehen ganz spontan, je nachdem zwischen wem es gerade funkt. Oft lasse ich die Kamera einfach laufen. Die Lust ist völlig authentisch.

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Welt Online:  Woher kennen Sie die Wünsche der Frauen?

Petra Joy: Ich bekomme viele Briefe und Emails. Es ist ein schönes Gefühl, wenn mir eine Frau schreibt: "Ich habe Deinen Film gesehen, dazu masturbiert und einen der tollsten Orgasmen überhaupt erlebt." Oder dass mir Frauen sagen: "Ich dachte ich wäre allein mit dieser Fantasie. Jetzt sehe ich sie in Deinem Film reflektiert und fühle mich viel besser damit." Manche Frauen schreiben mir, dass ich sie inspiriert habe. Dass sie jetzt auch mal Lust hätten, einen Dreier zu erleben.

Aber auch Männer schauen meine Filme. Ein Mann hat mir zum Beispiel mal geschrieben, dass er es nicht mag, wie mit Frauen in Pornos umgesprungen wird. Er sagte: "Deine Pornos kann ich gucken und mich wohl dabei fühlen, weil sich alle mit Respekt behandeln."

Welt Online:  Kostenlose Internetangebote haben die Porno-Industrie in die Krise gestürzt. Der deutsche Markt ist in den letzten Jahren um 40 Prozent zurückgegangen. Wie behaupten sich Frauenpornos?

Petra Joy: Die Krise resultiert nicht nur aus der starken Konkurrenz der Gratis-Filme im Netz. Die Pornoindustrie hat viele Jahre lang lieblose Ramschfilme produziert. Ich glaube, sowohl weibliche als auch männliche Zuschauer möchten jetzt etwas sehen, das aussieht, als sei es mit Lust und Liebe gedreht. Das ist eine Chance für alternative Pornos. Trotzdem sind die Bedingungen noch immer extrem schwierig: Mein Film "The Female Voyeur", der vor einem Jahr herauskam, hat gerade einmal ein Viertel der Produktionskosten eingespielt. Pornos für Frauen zu drehen, ist wahrscheinlich das teuerste Hobby der Welt.

Welt Online:  Warum betreiben Sie es dann weiter?

Petra Joy: Wir haben ein riesiges Nachholbedürfnis. Sexfilme für Männer gibt es schon seit Jahrzehnten, für Frauen erst seit ein paar Jahren. Wir müssen sexuelle Klischees weiter infrage stellen, und der Monotonie ein Ende setzen. Ich glaube, wenn auch mal der Mann das Sexobjekt und die Frau Voyeurin sein kann, wir zwischen verschiedenen Rollen wählen und mit ihnen spielen können, werden wir alle variationsreicheren, ehrlicheren und besseren Sex haben.

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