170 Jahre „Der Struwwelpeter” – Facetten eines Bestsellers

10.02.2015 - 30.06.2015


Ausstellungsfolder

„Was –dieser alte Schinken?“
„Kenn ich nicht, wer soll das sein?“


Zwischen diesen beiden typischen Reaktionen liegt das Spektrum der Antworten,
wenn die Rede auf den Struwwelpeter kommt, den Bilderbuch-Bestseller des
19. Jahrhunderts. Die eindringlichen Bilder und Texte lösen seit ihrer Entstehung
heftige Debatten bei Lesern jeden Alters aus. Bis heute ist das Kinderbuch weder
aus den Kinderzimmern noch aus dem schulischen Alltag verschwunden – allen
pädagogischen und psychologischen Strömungen zum Trotz.
 

Ursprünglich entstanden als liebevolles Weihnachtsgeschenk für den dreijährigen
Sohn, entwickelte sich daraus sozusagen eine eigene „Sparte“ im Rahmen der
Kinderliteratur – die „Struwwelpetriaden“, die sich mehr oder minder ungeniert auf
das Original beriefen. Den Namen des Autors kennen vielleicht einige, kaum jemand
aber weiß, dass Heinrich Hoffmann (13. Juni 1809 – 20. September 1894) in seiner
Heimatstadt Frankfurt/M. ein Pionier auf dem Gebiet der Betreuung psychisch Kranker war.
 

Parodien und Nachahmung

Von Anfang an dienten die Figuren des Buches als Basis für Parodien und Nachahmungen.
Die Parodien für Erwachsene verwenden den „Struwwelpeter“ zur Anprangerung sozialer
Missstände, gesellschaftlicher Auswüchse und politischer Ereignisse. Bei den Bearbeitungen
für Kinder sind die Autoren humorvoll, oftmals auch drastisch, entsprechend den jeweiligen
pädagogischen Vorstellungen der Zeit. Weibliche Gegenstücke heißen Struwwel-Suse oder
Struwwel-Liese und verüben entsprechende Untaten. Die „Verfehlungen“ gehen mit der Zeit:
Fernsehkonsum, ungesunde Ernährung, Sportereignisse, Punker und Skinheads werden
zum Thema der Bearbeitungen. Militär(un)wesen, Erster- und Zweiter Weltkrieg, sogar
amerikanische Politskandale sind willkommene Anlässe, um auf Basis des Kinderbuch-
klassikers zu reagieren.

Bereits zwei Jahre nach der Erstausgabe im Jahr 1845, erschienen Übersetzungen ins
Dänische, Englische und bald auch ins Russische. Waren diese Übersetzungen für den
Kinderbuchmarkt geplant, so gibt es heute zahlreiche Übertragungen in Fremdsprachen,
deren Käufer hauptsächlich unter den Erwachsenen zu finden sind. Dabei werden die
Übersetzungen oft dem kulturellen Umfeld angepasst.
 

Internationaler Erfolg

Hoffmann selbst war über den bereits zu seinen Lebzeiten großen internationalen Erfolg
des Struwwelpeter mehr als erstaunt, hatte er doch noch andere Kinderbücher geschrieben,
die heute fast vergessen und nur Insidern bekannt sind. In seinen Lebenserinnerungen
äußert er sich dazu folgender Maßen: „Ja, ich kann mit Befriedigung sagen, der Schlingel
hat sich die Welt erobert, ganz friedlich, ohne Blutvergießen, und die bösen Buben sind
weiter auf der Erde herumgekommen als ich.“
 

Seit mehr als 25 Jahren sammelt die Pädagogin und Bibliothekarin Adelheid Hlawacek
Bücher und Objekte aus verschiedenen Materialien zum Thema „Struwwelpeter“. Die
Neuauflage des „Aegyptischen Struwwelpeter“, einer im familiären Umfeld entstandenen
Bearbeitung des Bilderbuchs, war der Auslöser für ihre Sammeltätigkeit.

Die ausgestellten Teile der Sammlung zeigen die Facetten des Bestsellers, der mehr als
„NUR ein Kinderbuch“ ist: grenzenlos – politisch – gesellschaftskritisch – aktuell.

Pressefotos: