Ei, ei, Herr Gustafsson!

von 

Die Rätsel seines Romans „Die dritte Rochade des Bernard Foy“

Von Ulrich Greiner

Kohl-Witze sind ja nun wirklich passé. Einen noch! Er stammt aus der Zeitschrift Titanic und geht so: Kohl, zu Gast bei den Scheichs von Arabien, soll eine Rätselfrage lösen: „Bilde einen Satz mit nur fünf Wörtern, in dem ein Zimmer, ein Mann, eine Frau, die Liebe und zwei Eier vorkommen.“ Lösung: „Ei, ei, liebe Frau Zimmermann!“ (Und Kohl? Also gut: Kohl verdirbt alles, indem er antwortet: „Ei, ei, liebe Frau Innenminister Zimmermann.“ Ende des endgültig und vorläufig letzten Kohl-Witzes.)

Der Roman „Die dritte Rochade des Bernard Foy“ von Lars Gustafsson hat Ähnlichkeit mit jener Art von absurden Scherzfragen, wie Kinder und satirische Geister sie lieben. Das Prinzip besteht darin, aus ihrem Zusammenhang gerissene Elemente in einen neuen grotesken Zusammenhang zu bringen. Der Schwede Lars Gustafsson, der nicht nur ein Dichter, sondern auch ein Philosoph, ein Intellektueller, dazu noch Tennis- und Schachspieler ist, verwendet für dieses absurde und geistvoll-sinnlose Spiel ein anderes Bild, die Rochade nämlich. Der Schachspieler bewegt bei der Rochade den König und wahlweise einen der beiden Türme gleichzeitig und schafft mit diesem Doppelzug eine völlig neue Situation. Es beginnt ein anderes Spiel.

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Von außen betrachtet ist die Rochade eine willkürliche Regel, willkürlich wie das ad hoc erfundene Regelsystem einer Scherzfrage. Für den Schachspieler ist die Rochade Teil einer vertrauten Logik. Auch die Scherzfrage hat ihre Logik. Es kommt nur darauf an, daß der Prüfling sie erkennt.

Scherz, Willkür und eine verborgene Logik – das sind auch die Merkmale von Gustafssons Roman. Er ist ein intellektuelles Spiel, ein virtuoses System von Bezügen, Querverbindungen, Zitaten, Verweisen, und dazu gehört auch, daß manche Wege in einer Sackgasse enden, daß scheinbar bedeutsame Spiegelungen sich als blind erweisen.

Das klingt nun sicherlich so, als wäre die Lektüre dieses Romans ein anstrengendes Unternehmen. Das Gegenteil ist der Fall. Gleich zu Beginn schlägt Gustafsson ein hohes, vergnügliches Tempo an. Bernard Foy, neunundzwanzig Jahre alt, seines Zeichens Rabbi in Stockholm, befindet sich auf einer Reise nach Paris. Den Schlafwagen teilt er mit einem Mann, der sich als Hans von Lagerhielm, Anwalt und Präsident des schwedischen Schachverbandes, vorstellt. Dieser Mann bittet ihn, die Betten zu tauschen. Kurz darauf wird er ermordet. Bernard Foy, der glauben muß, der Anschlag habe ihm gegolten, nimmt den schweinsledernen Aktenkoffer des Toten an sich, schlüpft in dessen Mantel und verfolgt die Spur des Mörders.

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  • Quelle DIE ZEIT, 3.10.1986 Nr. 41
  • Schlagworte Lars Gustafsson | Walter Benjamin | Agent | Hanser Verlag | Lucas Cranach | Rabbi
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