17. 1., Berlin
Wie konnte ich Müller und Wagner in eine Linie mit Schlattner stellen?
In einem Artikel der NZZ vom 15.1. 2010 entdecke ich Details zu einem Vorgang während der stalinistischen Ära Rumäniens, der am Buchumschlag zu Schlattners Rote Handschuhe verschämt als “Weg eines Menschen (…), der sich auf der falschen Seite wiederfindet” beschrieben ist. Faktisch handelte es sich um einen Prozess, der fünf Autoren der Siebenbürger Sachsen gemacht worden war und die infolgedessen zu 95 Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden wurden. Informationen zu deren angeblichen landesverräterischen Absichten gab als Hauptbelastungszeuge der junge Eginald Schlattner. Daher also der symposiumhafte Ton des Romans, die Darstellung eines in zahllosen Diskussionen herbeigezwungenen Verrats. Sicher ist der Motor des Romans das Schuldbekenntnis des Autors, andererseits aber genauso das Rechtfertigungsverfahren eines Menschen, der im Diskurs den Vertretern der Herrschaftssprache unterliegt. Mit dem Erfolg des Romans jedoch siegt der Autor sowohl über die, die ihn zum Verrat gezwungen haben als auch über die von ihm Verratenen.
“Eine wirkliche Versöhnung hat zwischen den beiden Seiten nie stattgefunden, auch weil für die Verurteilten es wie ein Hohn erscheinen musste, dass ein grosses Publikum im Westen, aber auch in Rumänien gerade denjenigen als Chronisten der Sachsen unter der Diktatur feierte, der entscheidend zu ihrer Verurteilung beigetragen hatte”, endet der Artikel.
|||