New Literature from Austria
Incentives - New Literature from Austria
readme.cc provides multilingual access to the latest Austrian literature. In collaboration with the Literaturhaus in Vienna the reading forum offers the latest insights about literature published in Austria.
Literary journalists and researchers introduce current new publications; reading samples allow for a closer look at the texts; short portraits of the authors complement the picture.
The range of information is currently available in five languages: German, English, French, Czech and Hungarian.
The Project "Incentives" targets at the internationalization of Austrian literature, respectively the translation of current texts.
Project realization: the Office of Documentation of Contemporary Austrian Literature (reviews, author’s portraits) – The Association of Translators (translations) – readme.cc (infrastructure).

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[ book tip by Incentives ] „Neid“ heißt der neue Roman der Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, ein „Privatroman“, ausschließlich auf der Homepage der Autorin zu lesen und somit nicht Teil des Literaturmarktes.
Jelinek setzt sich darin mit der mangelnden Aufarbeitung der österreichischen NS-Vergangenheit auseinander, stellt die Tourismusindustrie der aktuellen Einwanderungspolitik gegenüber, wirft einen kritisch-ironischen Blick auf die „konstruierte Opfertheorie der Österreicher“ und deren heutiges Pendant - medial zelebrierte Opfer wie Natascha Kampusch.
Ein Opfer ist auch die Ich-Erzählerin des Romans. Sie ist Opfer ihrer Mutter und Opfer ihrer Kritiker, was ironisierend thematisiert wird und sie ihrerseits zur Täterin macht. Ebenfalls ein Opfer ist die immer wieder angekündigte Hauptfigur, die Geigenlehrerin Brigitte K. Von ihrem Exmann verlassen und von ihrem jüngeren Geliebten hintergangen, schafft sie dessen Freundin aus dem Weg. Nach all dem Blut, das in Neid die Donau hinunterfließt, erscheint dieser Mord allerdings als rationale, fast unbedeutende Tat, wie sie jede vernünftige Frau in dieser Situation begehen würde.
Wie bei Thomas Bernhard, Robert Musil oder Marcel Proust ist auch in Jelineks „Neid“ die Musik ein Bezugspunkt inmitten einer fremd gewordenen Welt. In Zeiten der „Kunst aus der Konservendose“ erweist sich Musikverständnis allerdings nicht als Rettungsanker, sondern als überholter Wert und weiterer Grund zur Verzweiflung.
„Neid“ ist narrativer Minimalismus und maximale Essayistik, gesellschaftskritischer Privatroman, Geisterbahnfahrt in die österreichische Vergangenheit, Genre-Experiment, Reflexion zur Unmöglichkeit des Schreibens und vieles mehr.
In einem Satz: Sollte Elfriede Jelinek ihr Druckverbot widerrufen und die "Süddeutsche" in 100 Jahren wieder "50 große Romane des Jahrhunderts" herausgeben, ist "Neid" vielleicht darunter. Aber nicht alle 936 Seiten, nein. Zu viel des Neids, heißt es, ist schließlich ungesund.
Langversion: Christine Schranz, September 2008
http://www.literaturhaus.at/index.php?id=1588
[ book info ] Jelinek, Elfriede: Neid.
(original language: Deutsch)
Internet-Download,
http://www.elfriedejelinek.com/,