ELIT Authors
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[ book tip by Beat Mazenauer ] Was wissen wir von den Dingen - von ihren Geheimnissen und Absichten, die sich nur den Aufmerksamen offenbaren? Einer von diesen ist der slowenische Dichter Aleš Šteger. Sein Gedichtband "Buch der Dinge" unternimmt den Versuch, die stummen Dinge zum Sprechen zu bringen.
Am Anfang war das Wort, das den Dingen ihren Namen und so ihre Essenz verlieh. "Knjiga reč" heisst der Band im Original, wobei im slowenischen Wort "reč" - wie der Übersetzer im Nachwort anmerkt - sowohl das "Ding" wie die "Rede" verwurzelt sei.
Durch das lyrische Ich werden alltägliche Dinge zum Leben erweckt: Paket, Kartoffel, Händetrockner, Puppe, Messer, Klammer, Stuhl. Doch Vorsicht! Die Dinge sprechen durch die Worte des Dichters nicht so, dass sie sich uns widerstandslos offenbaren. Die Lesenden, das zeigt sich schnell, müssen ihren Beitrag dazu leisten. Sie bilden den unentbehrlichen Contrepart zum Autor. Lesend dringen sie ein in die sprachlichen Falten und Verwerfungen, um die Dinge für sich dingfest zu machen. In den Dingen spiegelt sich das lyrische Ich ebenso wie das lesende Ich. Das erfordert Wachheit, und auch Geduld.
Falsch liegt, wer glaubt, man könne den Dingen einfach so zuhören. Andererseits: Wer die Dinge hört, hört Wundersames. Es ist mit diesen Gedichten wie mit dem Korken, den Šteger beschreibt:
"Du weisst nie, auf wessen Seite er steht.
Auf der des Gedenkens, auf der des Vergessens."
Schützt der Korken die Welt vor dem Dschinn aus Aladins Lampe, oder wahrt er "die letzte Zuflucht der Stille"?
Štegers Sprache bedient sich aus Mythen und Beobachtungen, mal flunkert sie Offenheit und Einfachheit vor, mal gibt sie sich enigmatisch, verschlossen. Diese Gedichte müssen erobert, (in mehreren Anläufen) erlesen werden. Wer für sich aber den Dreh findet, entdeckt die Dinge von einer neuen Seite - beispielsweise den Händetrockner mit seinen sprechenden Winden aus allen erdenklichen Himmelsrichtungen.
[ Favourite quote ] Scheibenwischer
Beide verheimlichen etwas.
Darum agieren sie synchron.
Zwei Knechte in schwarzen Gummistiefeln.
Stehen auf, um sich gleich wieder hinzulegen.
Schlammspritzer. Tropfen. Tropfen. Verschmiertes Ungeziefer.
Sie wischen, ohne es zu tilgen.
Niemand verleiht ihnen die Kraft der Vergebung.
Ihr Streben nach klarer Sicht ist völlige Verblendung.
Folgt man Reflexen, ist man niemals frei vom Abglanz der Welt.
Die Windschutzscheibe hinauf gleiten sie ins Unbekannte.
Deine Schuld ist glasklar. Undurchlässig. Attestiert.
Erst wenn sie zu Staub zerspringt, vergisst du, dass du bist.
[ book info ] Šteger, Aleš: Buch der Dinge.
(original language: Deutsch)
Suhrkamp,
Frankfurt / M. , 2006
(2005).
Translated from Slowenisch by Urska P. Cerne & Matthias Göritz