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[ book tip by Incentives ] Eva Menasses Roman „Quasikristalle” lässt sich nicht in eine Schublade stecken. Zunächst mag der Leser meinen, er tauche ein in einen Jugendroman. Er liest über die Abenteuer eines Teenager-Dreiergespanns: Judith, Xane und Claudia. Es ist ein Kapitel, das tragisch endet – mit dem Tod eines Mädchens.

Als Leser ahnt man nicht, dass gleich ein Bruch folgen wird. Dass die nächste Seite nicht mit einem neuen Kapitel, sondern mit einer ganz neuen Geschichte beginnen wird. Der gemeinsame Nenner: Auch in der nächsten Textpassage kommt die Figur Xane (inzwischen eine junge Frau) vor. Und nicht nur hier: Auch in der nächsten, der über- und übernächsten Geschichte ist Xane Molin eine Figur. Selten steht sie im Mittelpunkt, eher ist sie der rote Faden, der sich durch den Text webt.

13 Geschichten sind es, die jeweils aus einer anderen Perspektive erzählt werden und jeweils einen anderen Lebensabschnitt von Xane beleuchten. Da gibt es den Vermieter, der Xane auf ihrem Balkon beobachtet. Oder die Schwester von Judith (aus der ersten Geschichte), die Xane Jahre später auf einer Party in der Berliner Künstlerszene wiedertrifft. Und die Frauenärztin, die Xane mit Mitte 30 unterstützt, endlich schwanger zu werden. Aus ihrem jeweiligen Blickwinkel beschreiben die anderen Figuren die Protagonistin Xane. Eine Heldin, die sich immer wieder selbst erfindet. Dieses Buch ist ein Entwicklungsroman, der anders konstruiert ist als viele herkömmliche. Jede Geschichte in diesem Buch könnte für sich stehen. Es würde funktionieren. Natürlich ist es empfehlenswerter, die Figur der Xane in ihrer Gesamtheit – von ihrer Jugend bis ins Großmutteralter – kennen zu lernen. Eva Menasse erzählt damit eine Lebensgeschichte. Sie schreibt aber auch Geschichten über das Leben. Lässt man sich als Leser auf die vielen wechselnden Schauplätze ein, entwickelt das Buch einen ungeheuren Sog. Dies ist ein Roman (oder doch eine Erzählungsreigen?), den man im Gehen, Stehen, Fahren weiterlesen möchte und der 420 Seiten außergewöhnlich gut ausfüllt.

Kurzfassung der Rezension von Emily Walton, Juni 2013
Originalversion: http://www.literaturhaus.at/index.php?id=9895

[ book info ] Menasse, Eva: Quasikristalle. Kiepenheuer & Witsch, Köln, 2013 . ISBN: 978-3462045130.