[ Knižní tip Christian Gasser ] Ein einzelner B-29-Bomber kreist über Hiroshima. Merkwürdig, sagt sich der kleine Gen, dass die Sirenen schweigen. Eine Luke öffnet sich, Gen sieht, wie "etwas Weisses" aus dem Flugzeug fällt, dann der Blitz, die Druckwelle, die Hitze, die pechschwarze Dunkelheit; Gen verliert das Bewusstsein. Es ist der 6. August, ein Montag, Gen war auf dem Weg zur Schule – und als er wieder erwacht, befindet er sich in der Hölle. Entsetzt eilt er nach Hause – sein Vater und seine Geschwister sind unter den Trümmern des Hauses eingeklemmt. Die Feuersbrunst naht; Gen und seine hochschwangere Mutter müssen fliehen – und ihre Angehörigen dem Tod überlassen.

In seinem 900 Seiten starken Comic-Roman "Barfuss durch Hiroshima" schildert Keiji Nakazawa die Wochen vor und nach dem Bombenabwurf aus der Perspektive des sechsjährigen Jungen, der er damals war. Er beschreibt, wie lückenlos Repression, Propaganda und Zensur den Alltag der Zivilbevölkerung durchdrangen, so dass der Kaiser und seine Offiziere am längst verlorenen Krieg festhalten konnten, ohne dass sich Widerstand regte. Er zeigt, dass niemand das Ausmass und die Nachhaltigkeit der zerstörerischen Wirkung der Atombombe begriff und wie das Regime seine Bevölkerung im Stich liess. Und er erzählt die Flucht von Gen und seiner Mutter: Sie begegnen Zombies, deren geschmolzene Haut in Fetzen vom Körper hängt, sie erleben Hunger, Tod, Plünderungen und Seuchen, sie werden bestohlen und betrogen und von der Landbevölkerung, die nichts mit den fliehenden Städtern zu tun haben will, misstrauisch vertrieben.

Keiji Nakazawa schildert diesen Albtraum ohne Selbstmitleid und Pathos. Vielleicht wirkt Gen, der selbst in Momenten düsterster Verzweiflung seine kindliche Güte bewahrt, manchmal zu gut, um wahr zu sein – andererseits wird Nakazawas Bericht womöglich erst durch diese unverdorbene Lichtgestalt erträglich.

[ Informace ] Nakazawa, Keiji: Barfuss durch Hiroshima (4 Bände). Carlsen Verlag, Hamburg 2004 ff. .