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Taghelle Gegend

Reitzer, Angelika

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[ Knižní tip Ulrike Matzer ] „Bevor all das Licht dahingeht/bevor das Licht sich ausschaltet mit Wolken, Linden, Sonnenschalter; bevor alles verweht : gehe ich selber. Nehme Anlauf und fliege irgendwohin.“ Einhalten, Luft holen, anheben zum Satz lässt solch ein frei gestellter Doppelpunkt, und macht Raum auf - Anfang von etwas. „In keinem ihrer Elemente ist die Sprache so musikähnlich wie in den Satzzeichen“, vermerkt Adorno in seinen „Noten zur Literatur“: von eigenem physiognomischen Stellenwert, eigenem Ausdruck, der nicht zu trennen sei von der syntaktischen Funktion, aber doch keineswegs in ihr sich erschöpfe; Zeichen, „von deren körperloser Gegenwart der Sprachleib zehrt“.[1] Der ist in Reitzers Prosatext dissoziiert, fragmentiert in einzelne Bilder und Sequenzen, um alle (paar) Seiten in Johnson'scher Lakonik „schlicht und streng anzufangen so:“[2] Beschreibungen von Situationen, beginnend klein geschrieben in zwei fettlettrig gesetzten Wörtern.

Bilder, die fotografisch wirken, und Sequenzen wie aus Episodenfilmen: Angelika Reitzers Blick ist foto- und kinematografisch; einer, der etwas festhalten respektive etwas folgen will. Ihr Narrativ engagiert optische Metaphern, die wie Objektive scharf stellen oder flou. Jäh umgeleuchtet wird bisweilen: Gleißende Helle folgt auf Düsteres, dazwischen schwimmt einiges im Diffusen: da die lichte Weite einer neuen Welt (Berlin), in die eine junge Frau ausreißt oder aufbricht; dort provinzieller Muff und die Enge der „Familieneinheit“, die sie, Maria, flieht. Was sich wann ereignet, wo wer sich befindet und wie, wird allerdings selten sofort klar: nur langsam entwickelt sich jedes Bild, werden Konturen schärfer, Zusammenhänge evident. In Vor-, Rück- und Zwischenblenden mischt sich Faktisches mit vage Erinnertem, Tagträumen und Andeutungen von Traumata, die die Protagonistin neben sich stehen lassen oder auf befremdliche Weise am Boden sein: „Sind das Flügelschläge im Liegen, bei gebrochenem Hals.“

Über Fragen, die keine sind, über Erzählperspektiven, die zwischen außen und innen springen, schildert die Autorin nüchtern aber einfühlsam wie eine flügge wird, etwas früh womöglich; ein Erwachen und Erwachsen, in das Erlebnisse des Kindseins bildern; „aus dem Raum dem Staub“ der Familie macht Maria sich, aus dem Abseits ins Leben hinein und die Liebe, was recht unbekümmerte Liebschaften meint: Ein bisschen blauäugig, zurückhaltend verwegen, blau nicht selten auch oder bekifft setzt sie sich aus: over-exposed.

Nicht allein die Zeichensetzung zeigt, dass Reitzer Literatisches poetisch denkt und formuliert. Ihre Sprache, sparsam, präzis, bedacht, unterscheidet sich wohltuend von einer flapsig-flotten Schreibe, wie sie das skizzierte Milieu des Berliner Kreativprekariats nahe legen möchte. Im Fragmentarischen, im Ausschnitthaften intarsieren sich sinnlich Einzelheiten in enormer Dichte: eine leise Intensität.

Freilich: Identitätsfindung, das Abenteuer Adoleszenz sind altbekannte Themen; an solche Topoi sich bewusst anlehnen „oder aus ihnen hinaus“, um mit der Autorin zu sprechen, eine Herausforderung offenbar für Reitzer. Jeder Stoff ist so elastisch, wie man/frau ihn webt: In gedehnte Wahrnehmung bis zum nunc stans schießt akzeleriertes feeling, unversehens: „Das ist ein neues Tempo oder das Gegenteil/Antigeschwindigkeit“, heißt es im Buch, und in angelika express, Reitzers blog, lesen wir: „Aus der selbstbewussten weiblichen Perspektive kann denn auch natürlich jedes Thema beleuchtet werden, wie groß oder wie klein es angeblich sein mag.“[3] Nun, diese Reflexionen sind sehr licht, luzide, leuchtend.

[1] Theodor W. Adorno, „Satzzeichen“, in: Noten zur Literatur, Frankfurt/Main 1981, p. 106.
[2] Uwe Johnson, Das dritte Buch über Achim, Frankfurt/Main 1961, p. 7.
[3] agnesz, Dürfen die das?! Ein paar Gedanken zur Diskussion „Autorinnen und große Themen“, http://angelikaexpress.twoday.net, 19. September 2005.

Eine ausführlichere Rezension des Buchs wurde publiziert in: Literatur und Kritik N° 417/418, Salzburg, September 2007, sowie unter literaturhaus.at, April 2008 (Zweitverwertung).

[ Nejoblíbenější citát ] (Bin ich als Ganzes ein explodierendes Feld oder liege ich darauf verstreut. Die Augen sind auch ganz flach, wahrscheinlich ohne Wimpern und Lider/denn hätt ich welche, dachte ich : würden sie schmerzen und : wenn ich diesen Fetzen Stoff wegschiebe, würde ich feststellen, dass ich nicht im Bett liege.)

[ Informace ] Reitzer, Angelika: Taghelle Gegend. (original language: Deutsch) Haymon, Innsbruck – Wien, 2006 . ISBN: 9783852185231.


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