
Der Fotograf vytisknout
Der Fotograf
Bd. 1: In den Bergen Afghanistans, Bd. 2: Ärzte ohne Grenzen, Bd. 3: Allein nach Pakistan.Lefèvre, Didier (Emmanuel Guibert, Frédéric Lemercier. Aus dem Französischen von Martin Budde)
zvětšit obrázek[ Knižní tip Martin Reiterer ] Die Comicreportage „Der Fotograf“ verknüpft Comiczeichnung und Fotografie miteinander, sie zeigt ein überraschend vielfältiges Repertoire an stilistischen und formalen Möglichkeiten der Kombination und des Erzählens im Comic und führt dabei ins Innere eines verletzten Landes: Afghanistan.
Soeben (2009) ist der letzte von drei Bänden auf Deutsch erschienen. Didier Lefèvre begleitet mit seinen Kameras eine Gruppe von „Ärzten ohne Grenzen“, die zu Fuß von Pakistan nach Afghanistan einreisen. Nach den Beschreibungen einer beschwerlichen Reise im ersten Band stehen im zweiten Alltag und Arbeit des Ärzteteams vor Ort im Mittelpunkt. Schließlich entscheidet sich der Fotograf, die Rückreise ohne Begleitung seiner Freunde von „Ärzte ohne Grenzen“ anzutreten: Ein Alleingang, der sich im letzten Band als äußerster Grenzgang erweist.
Die Reise hatte 1986 stattgefunden, als die damalige Sowjetunion bereits im siebten Kriegsjahr gegen die Mudschaheddins das Land besetzt hielt. Von den Wirren des Kalten Krieges zerrüttet liegt das Land da, gezeichnet von Hunger, Krankheit und desolatester Versorgung. Fast zwanzig Jahre später hatten Lefèvre und sein Freund Emmanuel Guibert die Idee, aus dem Fotomaterial, den Reiseerlebnissen und Notizen Lefèvres einen Comic anzufertigen. Dabei hat Guibert zusammen mit dem Koloristen und Gestalter Frédéric Lemercier die Fotos in die narrative, sequentielle Struktur der Comicerzählung eingefügt, in Panels angeordnet und mit Zeichnungen ergänzt. Das Ergebnis ist eine wunderbar gelungene Comicreportage, über den historischen Zeitpunkt hinaus höchst aktuell, beeindruckend und fesselnd.
Was den dreibändigen Comic so eindringlich macht, ist seine differenziert subjektive Herangehensweise. Die Bewegung einer spontan-flexiblen Aufmerksamkeit hat Platz für die flüchtige Notiz wie die beharrliche Beobachtung. Eine solche Methode ist vielleicht ungeschützt, doch zugleich anregend. Sie lässt den LeserInnen ihren Spielraum, zieht sie anderseits ins Vertrauen. Diese offene, bewegliche Beziehung zu seinem Thema wie zu den LeserInnen hat im Bereich der Comicreportage als einer der ersten Joe Sacco mit seinem aufrüttelnden Buch über „Palestine“ (1993–95) kunstvoll angewandt. Wie Sacco zeigen auch Lefèvre und Guibert auf eindrucksvolle Weise, wie produktiv sich Subjektivität und (Selbst-)Ironie mit Differenziertheit und Präzision verbinden lassen und die Annäherung an vertrackte und diffizile Themen nicht zu scheuen brauchen.
So versteht es Lefèvre beispielhaft, im Gespräch mit seinen ReisegefährtInnen von „Ärzte ohne Grenzen“, die über fundierte Kenntnisse der Sprache und Kultur des Landes verfügen, seine Beobachtungen zu hinterfragen, gegebenenfalls zu verwerfen und neu anzustellen. Damit kratzt der Autor auch an einem Verhalten, das Menschen einmal (bequem oder mühsam) gefasste Bilder nur schwerlich abschütteln lässt, was für eine Reise in eine andere Kultur jedoch unabdingbar ist. Die Comicreportage ist gleichzeitig Autobiografie des 2007 verstorbenen Fotografen Lefèvre und Porträt des Teams von „Ärzte ohne Grenzen“, deren Einsatz am ehesten als heldenhaft bezeichnet werden darf. Schließlich stehen noch die Menschen im Mittelpunkt, denen das Team im Lauf seiner Expedition begegnet. Das sind die Händler auf dem Markt in Peschawar anlässlich des Kaufs der Pferde und Esel für die Karawane, die Träger, Begleiter und MitarbeiterInnen des Ärzte-Teams, die Gastgeber und Behörden ebenso wie die Kranken und Verletzten, Vorüberziehende und Flüchtlinge oder die Trauernden bei Todesfällen. In dem dichten Netz aus Gesten, Eindrücken und Begegnungen werden nicht allein die herzliche Gastfreundschaft, Großzügigkeit und Dankbarkeit der Menschen sichtbar, ihr liebevoller Umgang mit ihren Kindern, neben einer durchaus unerbittlichen Härte: gegen sich selbst, gegen ihre Tiere und gegen andere. Lefèvres Bericht ist eine vielschichtige Annäherung an eine vielschichtige fremde Kultur.
Schließlich macht die Kombination von Fotografie und Zeichnung aus dem Comic ein Ereignis. Guiberts klare Zeichnungen und Lemerciers matte, zwischendurch abwechslungsreich hervortretende Kolorierungen stellen ein feines Gegenstück zu den (großteils) schwarz-weißen Fotos von Lefèvre dar. Durch das unterschiedliche Arrangement der Fotos - als Einzelbild (mit gänzlich unterschiedlichem Format, vom ganzseitig angelegten Foto bis zum kleinen Bildchen) oder als Serie (von zwei, drei bis zu 48 Bildern auf einer Seite) - schaffen die Autoren eine facettenreiche Erweiterung narrativer Formen und Rhythmen. Stakkatoartige Bilderfolgen zwischen Beschleunigung und Zeitlupe wechseln mit anhaltenden Fermaten, großen hervorgehobenen Fotografien, und bestimmen Leserhythmus und Atembewegung mit. Die sporadische Anpassung hochformatiger Fotos in querformatigen Folgen erzeugt eine Störung, die an disharmonische Zusammensetzungen erinnert.
Kontrast und Disharmonie freilich ist ein konstitutives Element einer Realität, die den Anblick paradiesisch anmutender Landschaften mit dem gleichzeitig unverwüstlichen Bewusstsein der kriegerischen Zerstörung verknüpft. Trauer und Melancholie breiten sich nicht erst aus, wenn es den Ärzten misslingt, das Leben eines kleinen Mädchens zu retten, das von einem Bombensplitter verletzt wurde. Lefèvres Aufnahmen von halb verendeten Pferden, denen, mitten in den afghanischen Bergen von Karawanen zurückgelassen, der erlösende Todesschuss missgönnt wurde, wirken wie komprimierte Allegorien von Schmerz und Brutalität.
[ Informace ] Lefèvre, Didier: Der Fotograf.
Bd. 1: In den Bergen Afghanistans, Bd. 2: Ärzte ohne Grenzen, Bd. 3: Allein nach Pakistan.. (original language: Französisch) Emmanuel Guibert, Frédéric Lemercier. Aus dem Französischen von Martin Budde.
Edition Moderne,
Zürich, 2008/2009
(2006).
ISBN: 978-3-03731-026-7 und 978-3-03731-033-5und 978-3-03731-034-2 .
Tato kniha je ...
Žánr: Komiks
Klíčová slova: Graphic Novel, Comicreportage, Ärzte ohne Grenzen, Autobiografie, Afghanistan, 1980er Jahre
Jazyky (knižní tip): Němčina