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Arme Närrchen. Selbstgespräche

Winkler, Andrea

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[ Buchtipp von Angelika Reitzer ] „Ich mag das Gefühl von Wörtern die tun was sie wollen und was sie tun müssen wenn sie leben wo sie leben müssen also wo sie angekommen sind um zu leben was sie selbstverständlich auch tun.“ (Stein, Erzählen)

Die Figuren in diesen kurzen Prosastücken benutzen keine Wege, sie sind in einem Labyrinth; sie befinden sich zwischen Wänden oder wollen in den Wald. Und auf der Ebene der Semantik gibt es Neuigkeiten: lange Sätze zum So-tun-als-ob, kurze Sätze zum Begreifen & solche, die niemanden ansprechen & nichts allzu Konkretes aussagen, die mag das erzählende Ich (in: Stücke aus der Wand). Die Wörter in dieser Prosa können alles, sie sind Akrobaten, wenn es darauf ankommt, aber sprechen können sie nicht. Oder muss man sagen: gesprochen werden können sie nicht?
Wie diese Welten beschaffen sind: Der Beginn der Nacht wird vom Einbruch der Müdigkeit bestimmt, nicht umgekehrt!
Hier ist nichts festgelegt & die Rollen sind selten vergeben: weder die der Sprechenden noch sind die Personen klar auszumachen oder wie man gerne sagt umrissen: vom wem welche Sätze kommen, und wann die einen in die anderen übergehen: das wird nicht behauptet. Wenn doch etwas oder festgelegt ist, dann maximal durch eine Sprache, die Grenzen zieht wie Haut einen Körper umschließt und immer wieder durchlässig ist oder offen, allzu offen.

Wie in Bachmanns Erzählung Alles haben Winklers Sprechende, die Gesprochenen in den Selbstgesprächen keine Chance gegen die „Sprache, die Welt, die Ordnung und die Maßstäbe“ (Bachmann): auch, oder gerade wenn sie doch allesamt in der Welt der Sprache, der Bücher, der Wissenschaft, der Literatur zuhause sind. Nicht zuletzt der dichte Wald von Zitaten und Variationen von Zitaten in Winklers Texten veranschaulicht, versinnbildlicht das umso mehr.

Den Armen Närrchen, die sich auch auf den vorderen Rängen der renommierten SWR-Bestenliste fanden, wurde ein hoher Grad an Poesie, Eigenständigkeit im Tonfall, an Reflektionsniveau attestiert, außerdem eine Vielfalt an Themen, Melancholie. Der „große geheime Schmerz“ ist notwendig, weil er macht, dass „uns die Augen aufgehen“ – so Bachmann in Frankfurt (1959/60): Wie utopisch auch diese Worte sind, bei Andrea Winkler sind sie noch einmal/wieder einmal sehr wahr geworden, auf eine gänzlich originäre, zeitgenössische Art.

[ Info ] Winkler, Andrea: Arme Närrchen. Selbstgespräche. Droschl Verlag, Graz/Wien 206 . ISBN: 3-85420-7.


Dieses Buch ist ...

Genre: Erzählende Prosa
Stichworte: beeindruckend
Stil: experimentell
Empfohlen für: Sprachgenuss, Reiselektüre
Sprachen (Buchtipp): Deutsch


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