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Der einzige Ort drucken

Der einzige Ort

Stangl, Thomas

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[ Buchtipp von Angelika Reitzer ] Laing, der britische Untertan & Caillié, der französische Underdog (dessen Story vom von Christen entführten Moslem proportional zur Entfernung von Europa souveräner wirkt resp. lieber geglaubt wird: grandios geschildeter Exotismus aus afrikanischer Sicht): Die Suche dieser beiden Männer in den 20er Jahren des 19. Jahrunderts nach der sagenhaften Stadt Timbuktu erzählt Stangl in «Der einzige Ort». Laut Klappentext «vollzieht sich das eigentliche Abenteuer von Satz zu Satz». Was wahr ist. Phantasie(welt), Wahn, Geschichte, Geschichtsschreibung, kollektive Träume anhand eines Kontinents (einer Idee!), den Stangl so weit ich weiß ebensowenig besucht hat wie Karl May die Schauplätze seiner Romane oder Adalbert Stifter das Hochgebirge. Das Vor und Zurück, die Langsamkeit, der Duktus der Schritte & die Gerüche (des Kamels, das wiedergekaute, faulende Wasser, der Karavane), die Ahnung der flirrenden Hitze, Details der afrikanischen Landschaft, die sich auflösenden, auseinanderbrechenden Körper der Helden, die Unmöglichkeit umzukehren. Jene Unmöglichkeit, die den Wahn dieses europäischen biedermeierlichen Exotismus auf die Spitze treibt. Bei Stangl bekommt – auch durch die meisterhafte Weise, in der die Exkurse auf die Erzählung folgen & umgekehrt – jene Pionierabeit Laings & Cailliés («das Land schreiben») eine viel wortwörtlichere Bedeutung, wenn es denn möglich wäre, eine Steigerungsform von «wortwörtlich» zu bilden. Weil alles, was (dem Land, der Idee, dem Anderen) eingeschrieben wurde, wieder auftaucht: nicht theoretisch oder diskursiv, sondern durch eine Sprache, in der die Bilder, der ethnografische Überbau & das imaginierte Abenteuer sich an jeder Stelle, in jedem Satz, in den einzelnen Absätzen mehrfach überlagern. Fulminant.

[ Info ] Stangl, Thomas: Der einzige Ort. Droschl Verlag, 2004 . ISBN: 3-85420-649-6.


Dieses Buch ist ...

Genre: Anderes
Stichworte: interessant, ungewöhnlich, meisterhaft
Stil: exotisch, spannend
Empfohlen für: Sprachgenuss, Lektüre zum Nachdenken, Reiselektüre
Sprachen (Buchtipp): Deutsch


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Thomas Ganzberger

[ 27.12.08 - 18:20 ] [ Kommentar von Thomas Ganzberger ] Der Erobererpathos des einsamen Mannes, der sich in die kulturelle Fremde wagt, wird hier eindringlich entlarvt: Einsamkeit nicht gleich Heldenmut, sondern nichts als Schwäche in eingebildeter Stärke. Wahrhaft meisterhaft ist wie die Diskurse ineinander übergehen und auch die Beschreibung der beiden (Anti-) Helden, der Landschaft, der Fluss der Sätze sehr oft. Bewunderswert, wie der Autor den Prozess der Zersetzung durchhält, diese Schreibkarawane.
Interessant auch wäre es dieses Buch neben Kehlmann zu stellen, der doch auch dieses Entdeckertum zerstört. Die Entdeckung der Welt ist hier und da eine Selbstfindung, literarische Zerstörung von Mythenbildung über die Schwächen des Einzelnen, und ein Zerlegen von vergangenen, historischen Diskursen aus heutiger Sicht. Der Stil der Bücher ganz anders, und während das eine (nämlich der Stangl) bei mir eben auch diesen fulminanten Eindruck hinterlässt, so ganz Kunstwerk, haben das andere ein paar Millionen gelesen.






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