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Im April

Viragh, Christina

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[ Buchtipp von Rolf-Bernhard Essig ] Wenn man wie ich an einem Ort wohnt, der Romantik hervorgebracht, erzwungen, vertrieben und doch wieder hergelockt hat, dann ist man besonders empfänglich für den Zauber verwirrend machtvoller Gegenden und Tabu-Stätten, die Gutes oder Böses bewirken, je nachdem, wie man sich ihnen nähert.

Bamberg im Dezembernebel kann so ein Platz sein, aber auch „die Matte“ in Christina Viraghs Roman „Im April“; nur scheinbar eine schlichte Schweizer Wiese, auf der vier Geschichten sich ereignen und vermengen, in Wirklichkeit ein Sonderort seit Jahrhunderten und überraschend machtvoll. Eine Episode spielt 1415-17, eine weitere in den Zwanzigern des 20. Jahrhunderts, eine in den Sechzigern, die letzte Anfang unseres Jahrhunderts. Das Schicksal von drei Dutzend Figuren, darunter wie selbstverständlich auch ein paar verständige Tiere, beschreibt dieser überaus beziehungsreiche Roman.
Es dauerte mindestens zwei Dutzend Seiten, bis in mir eine gewisse Abneigung dem Buch gegenüber wich, das selbstbewusst hin und her springt zwischen den Zeiten und Figuren, herbe Formulierungen liebt, sich nirgends anbiedert, wohl gerade deshalb aber mehr und mehr faszinierte und provozierte; vor allem die Denk- und Vorstellungskräfte. Die seltsam magische Wiese wirkt durch die Jahrhunderte hindurch und noch aus dem Buch heraus.
Die reale Welt mit ihren alltäglichen Problemen zaubert Viragh aber nicht fort, vielmehr ist ihre schmerzliche Begrenztheit überall fühlbar: Zwei ungarische Flüchtlinge leiden an der Fremde. Sexuelle Lust drängt nach Erfüllung, wandelt sich in Aggression. Paare driften auseinander. Nachbarn beäugen sich misstrauisch. Schadenfreude, Spott, Missgunst, Gier gibt es, Rassismus, Homophobie, Rufmord, Mord und Selbstmord.
Romantik in Reinkultur ist das insofern, als der Intellekt sich hier wundersam verbrüdert mit dem Phantastischen, die Sprachlust mit der Wortwiderborstigkeit, das Nebulöse und das Klare. Wo gibt es heute Vergleichbares?

[ Lieblingszitat ] „So ist diese Welt: voller unsichtbarer Wege, die wiederzuerkennen eine ungeheure Freude ist. Wer sich so freut, erholt sich davon nicht mehr.“

[ Info ] Viragh, Christina: Im April. (original language: Deutsch) Ammann, Zürich, 2006 . ISBN: 978-3250600947.


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Arno Raffeiner

[ 27.02.08 - 11:43 ] [ Kommentar von Arno Raffeiner ] Lucas Cejpek meint in seiner Besprechung von Viraghs Roman, er sei "ein soziales Stilleben, das heißt ein Paradox, wie es nur Literatur produzieren kann."
www.readme.cc/de/buchtipps-leser/buchtipp/showbooktip/1911/






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