
Die Beschreibung des Unglücks drucken
Die Beschreibung des Unglücks
Zur österreichischen Literatur von Stifter bis Handke Bild vergrößern[ Buchtipp von Uwe Schütte ] Eigentlich ist der Literaturessayist Sebald genauso bedeutend wie der Schriftsteller Sebald. Das wird gerne übersehen. Obgleich es ungleich mehr literaturkritische Schriften von ihm gibt als literarische Prosa. Ein kontroverser Paukenschlag war schon seine im Alter von 25 Jahren veröffentlichte Magisterarbeit über Carl Sternheim (1969), in der er eine Art Generalangriff auf die Germanistik als Fachdisziplin führte. Das kontroverse Buch über Luftkrieg und Literatur (1999) wie auch die 1993 publizierte Polemik zu Alfred Andersch sind insofern nur Endpunkte einer drei Jahrzehnte umfassenden, von Provokation geprägten Auseinandersetzung mit der Literaturwissenschaft.
In dieser Zeit schrieb Sebald eine ganze Reihe von zumeist höchst bemerkenswerten Aufsätzen, die sich insbesondere mit österreichischen und alemannischen Autoren beschäftigen. Zu Goethe, Schiller, Thomas Mann und Co. hatte Professor Sebald nichts zu sagen. Ihn interessierte insbesondere die Peripherie des deutschen Sprachraums und am Rande stehende Autoren wie Herbert Achternbusch, Ernst Herbeck oder Robert Walser. Diese und andere 'mindere', für ihn aber umso wichtigere Autoren zu rehabilitieren, verstand er als eine seiner Aufgaben. Besonders relevant waren auch jene Autoren, die im Umfeld der Grazer Literaturzeitschrift Manuskripte ab den Sechzigern auszogen, um die Literatur für sich zu erobern. Vor allem Peter Handke und Gerhard Roth beschäftigten ihn wiederholt, weil es bei diesen Generationsgenossen - auf unterschiedliche Weise - um den Ausgang aus einer unverschuldeten Unmündigkeit durch das Schreiben von Literatur ging.
Von den drei Sammelbänden mit Sebalds Essays ist mir der erste der liebste. "Die Beschreibung des Unglücks" erschien 1985 im Salzburger Residenz Verlag. Darin enthalten sind, unter anderem, ganz außerordentliche Essays über Adalbert Stifter, Elias Canetti und Thomas Bernhard. Höchst eindringlich finde ich aber insbesondere den Aufsatz zu Handkes Erzählung von der Angst des Tormanns Bloch, in der Sebald auf unnachahmliche Weise auslotet, wie Handke die prekäre Grenzüberschreitung von der angeblichen Realität in den sogenannten Wahnsinn mit den Mitteln der Literatur begreifbar macht. Zu meinem Lieblingsband geworden aber ist Die Beschreibung des Unglücks, weil darin der wunderschöne Essay über den schizophrenen Lyriker Ernst Herbeck enthalten ist, der mir als Leser wie als Literaturwissenschaftler eine ganz neue, wundersame Welt aufschloss.
[ Info ] Sebald, W. G.: Die Beschreibung des Unglücks.
Zur österreichischen Literatur von Stifter bis Handke . (original language: Deutsch)
Residenz,
Salzburg, 1985
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ISBN: 3701704228.