Neue Literatur aus Österreich
Incentives - Neue Literatur aus Österreich
readme.cc eröffnet einen mehrsprachigen Zugang zur neuesten österreichischen Literatur. In Kooperation mit dem Literaturhaus in Wien bietet die Leseplattform Einblick in das aktuelle literarische Geschehen des Landes.
LiteraturjournalistInnen und WissenschaftlerInnen stellen aktuelle Neuerscheinungen vor, Leseproben vermitteln kurze Einblicke in die jeweiligen Texte, Kurzporträts der Autorinnen und Autoren ergänzen das Bild.
Das Informationsangebot steht derzeit in fünf Sprachen zur Verfügung: Deutsch, Englisch, Französisch, Tschechisch und Ungarisch.
Das Projekt will zur Internationalisierung österreichischer Literatur beitragen bzw. zur Übersetzung aktueller Texte anregen.
Durchführung: Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur (Rezensionen, Autorenporträts) – Übersetzergemeinschaft (Übersetzungen) – readme.cc (Infrastruktur).

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[ Buchtipp von Uwe Schütte ] Kein Buch, eher ein Kosmos ist dieses Gravitationszentrum eines der ungewöhnlichsten Erzählabenteuer der deutschsprachigen Literatur - der sieben Bände der „Archive des Schweigens” (1980 - 1991). Ein Jahrhundertbuch ist der „Landläufige Tod” sowieso, aber was heißt das schon. Dass nur viel zu wenige Leser dieses immense Romanwerk kennen, schadet dem Buch letztlich nicht. Umso eigensinniger kann es so seine kaleidoskopischen Blüten treiben. Denn irgendwie ist dieser Roman sowieso gegen die Literatur geschrieben, will auf etwas ganz Andres hinaus als das Gute, Wahre, Schöne, freilich auch nicht auf das Gegenteil des Klassischen.
Was Roth mit „Landläufiger Tod” unternommen hat, war die Metamorphose des Einen ins Andere, das Eigentliche der (literarischen) Kunst also: der Umschlag des Eigenen ins Allgemeine, die Verwandlung des Peripheren der südweststeirischen Provinz in ein Modell der Welt, wie sie ist und doch nicht sein wollte, eine phantastische Reise vom Mikrokosmos in den Makrokosmos, während der sich das, was wir Geschichte nennen, als letztes, gewalttätiges Kapitel der Naturgeschichte entpuppt. Und noch so viel mehr. „Landläufiger Tod” ist ein poetisches Plädoyer für eine andere Sicht der Dinge als jener, die uns von Naturwissenschaften und Medien als einzig wahre verkauft wird. Das Buch ist eine Einheit aus Vielzahl. Als Konstruktionsmodell diente Roth der „Bien”, d.h. die Vorstellung, dass ein Bienenvolk aus einer Vielzahl autonomer Einheiten besteht, die aber zugleich in der Summe einen übergeordneten Organismus ergeben. Erzählt wird vornehmlich aus der Perspektive des stummen Bienenzüchtersohns Lindner, der von psychotischen Halluzinationen heimgesucht wird und seine Umwelt oft verzerrt wahrnimmt. Authentische Ereignisse aus der Dorfgeschichte der letzten 200 Jahre werden von Roth mit den surrealen Visionen Lindners fusioniert. Dies auf eine beeindruckende Weise, die die Konstruktionsprinzipien psychopathologischer Texte emuliert, anstatt, wie andere Autoren das machen, Schreibweisen Schizophrener zwangsläufig erfolglos zu simulieren.
Ganz auf das magische Prinzip der Assoziation, der zufälligen Verknüpfung vertrauend, gelangt Roth auf dem gleichsam falschen Weg eines „wilden” Denkens zum richtigen Ergebnis: der geglückte Versuch eines ganz anderen Schreibens.
[ Info ] Roth, Gerhard: Landläufiger Tod.
S Fischer,
Frankfurt, 1986
.
ISBN: 3100666054.
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[ 14.07.08 - 17:12 ] [ Kommentar von ELit Literaturhaus Europa ] Der "Landläufige Tod" ist gewiss der Roman der österreichischen Gegenwartsliteratur, der mich am meisten beeindruckte. Vorallem, dass Gerhard Roth sich nicht mit dem subjektiven Realismus der 70 er zufrieden gab und den Roman wieder als umfassenden Parallelentwurf zur Wirklichkeit - Roman als Welt - auffasste, war damals ein immens ermutigendes Signal für junge Autoren.