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Gomorrha

Reise in das Reich der Camorra

Saviano, Roberto

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[ Buchtipp von Angelika Unterholzner ] Mode, Müll, Mafia. Roberto Saviano beschreibt in seinem dokumentarischen Roman „Gomorrha“ Facetten des verbrecherischen Zerstörungsprozesses, der von der Mafia-Organisation Camorra im süditalienischen Kampanien unaufhörlich vorangetrieben wird. Der Autor beginnt mit einer metapherreichen Beschreibung des neapolitanischen Containerhafens und trotz des etwas pathetisch geratenen Einstiegs gelingt es ihm, den Sog zu beschreiben, der von einem monströsen Verladeplatz illegaler Waren ausgeht. Insgesamt findet der Autor zu einer Form, die persönliche Schicksale und (numerische) Fakten so verbindet, dass sowohl die individuellen Geschichten, als auch die kollektive Tragödie erfahrbar werden. So versucht er zum Beispiel die Symbol- und Wirtschaftskraft von Waffen im Kapitel „Kalaschnikow“ in eine Familiengeschichte zu fassen.

Das Kapitel „Angelina Jolie“ erzählt vom Schneider Pasquale, der für einen Hungerlohn Kleider schneidert, die über mafiöse Kanäle nach Hollywood gelangen, wo sie von den Stars über den roten Teppich getragen werden. Saviano beschreibt, warum Pasquale seinen Beruf nicht in Würde ausüben kann und dass auch Hollywoodstars nicht weit genug weg sind, um von den Geschäften der Camorra unberührt, in diesem Fall unbekleidet, zu bleiben. Saviano geht der Globalisierung des Verbrechens nach, entschlüsselt mafiöse Wirtschaftsimperien, schildert die Reisefreiheit illegaler Waren. Es gelingt ihm zu zeigen, wie das „System“ unerbittlich alle Wirtschaftszweige durchdringt, so beschreibt er etwa, wie die Camorra ihre Wirtschaftskraft steigert, indem sie neapolitanische Steinbrüche und  Wälder zu Mülldeponien macht. Am treffendsten formuliert es der chinesische „Importeur“ Xiang: „Die Wirtschaft hat eine Ober- und eine Unterseite. Wir sind unten eingetreten und kommen oben wieder raus.“

Von der gegenseitigen Beeinflussung von Film und Wirklichkeit handelt das Kapitel „Hollywood“: Hier wird von der Villa erzählt, die der Camorrist Walter Schiavone jener Villa nachbauen lässt, die im Film „Scarface“ dem Mafioso Tony Montana gehört. Es handelt aber auch von den Jugendlichen Giuseppe und Romeo, die Passagen aus allen Gangsterfilmen rezitieren können und wohl erst im Augenblick des Todes den Unterschied zwischen Film und Wirklichkeit erkennen. Matteo Garrones preisgekrönte Verfilmung von „Gomorrha“ wiederum stellt den Jungen Totò, der im Roman nicht vorkommt, ins Zentrum. Totò wächst inmitten der mafiösen Wucherung auf und wird am Ende selbst ein Teil davon. Über die Fehde der Clans der Secondigliano und der Di Lauro ist Totòs Geschichte mit der des U-Bootes/Mafia-Buchhalters Don Ciro verbunden. Davon unabhängig werden die Geschichten des Schneiders Pasquale, der Jugendlichen Giuseppe und Romero und die der „Müllbeauftragten“ Franco und Roberto aus dem Roman aufgegriffen. Durch die Art der Montage der fünf Episoden wird das System des Verbrechens und der Zerstörung im Film etwas weniger als individuelle, denn viel mehr als kollektive Tragödie erfahrbar. Dadurch gelingt es dem Film einen wichtigen Aspekt von Ursache und Wirkung des „Systems“ erfahrbar zu machen. Und das macht den Film auf eine andere Weise, aber genauso wichtig wie das Buch.

[ Lieblingszitat ] „Die Wirtschaft hat eine Ober- und eine Unterseite. Wir sind unten eingetreten und kommen oben wieder raus.“

[ Info ] Saviano, Roberto: Gomorrha. Reise in das Reich der Camorra. Hanser Belletristik, 2007 . ISBN: 3446209492.


Dieses Buch ist ...

Genre: Roman
Sprachen (Buchtipp): Deutsch


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