
Autopol drucken
[ Buchtipp von Preis der Literaturhäuser ] „Autopol“ ist das zukunftsträchtige System der Entsorgung von Müll aller Art: menschlichem und ökologischem. Wie auf einer Umlaufbahn kreisen Grosstransporter mit trägen 20 km/h auf dem Autopol-Autobahnring etwa zwischen Bremen, Basel und Lublin. Hermetisch von der Aussenwelt abgeschottet vegetieren darin Verbrecher, denen keine Chancen auf Wiedereingliederung eingeräumt werden: Sadisten, Psychopathen und Politische. Obgleich ausbruchsicher, kommt es wider Erwarten zu einem Gefangenenaufstand. Angeführt vom „Politischen“ Sten Rasin übernehmen ein paar ungeschlachte Kerle das Kommando über eine der Ruhestationen zwischen den Fahrtabschnitten. Geiselnahme, Verhandlungspoker, Flucht und Polizeiaktion...
Trojanow erzählt dieses dramatische Geschehen als Collage aus unterschiedlicher Optik. Rasins Gedanken, Gesprächsfetzen, die Notizen eines Scoop-Journalisten, Pressebeiträge und konzerninterne Diskussionen ergeben ein buntes Bild dieser bizarren Zukunftsvision.
Trojanow verzichtet auf stilistische Feinheiten und erzählt dafür schnell, zupackend und amüsant. Das flexible Internet –dem sich die Entstehung dieses Buches verdankt –,spiegelt sich in den kurzen prägnanten Texten, die mit Bildern angereichert sind.
Nur einmal greift Trojanow zu einer kleinen Spitzfindigkeit. Die Drohung, dass betäubt werde, wer den Anweisungen bis zum festgesetzten Zeitpunkt „nicht Folge geleistet haben sollte“, ermuntert den Helden Rasin zu einer kurzen Reflexion über das grammatikalische Futur II: „Diese Zeitform, die hat mich immer fasziniert, dieses aus der Zukunft nach hinten schauen“, wie es der Ordnungsdienst gerne tue. Genau darin liegt auch die Fazination einer solchenVision unserer Zukunft, die bereits begonnen hat.
(Beat Mazenauer)
[ Info ] Trojanow, Ilija: Autopol.
In Zusammenarbeit mit Rudolf Spindler. (original language: Deutsch)
dtv,
München, 1997
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