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Zone

Enard, Mathias

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[ Buchtipp von Beat Mazenauer ] Mathias Énards Roman "Zone" ist ein grandioses, beklemmendes Erzählfresko über Hass und Rache, Nationalstolz und Vertreibung, Erinnern und Vergessen. In einem einzigen kühnen Satz über mehr als 500 Seiten hinweg schlägt er einen Bogen vom Holocaust über die Balkankriege zum Nahostkonflikt und zum islamistischen Terror. Im Zentrum steht der ehemalige Kroatiensöldner und Geheimagent Francis Servain Mirković, der in Mailand den Zug besteigt, um einen mysteriösen Aktenkoffer nach Rom zu bringen. Darin liegt sein Vermächtnis: Zeugnisse von Kriegsgräueln und deren Tätern, die er während Jahren akribisch zusammengetragen hat. In Rom will er den Koffer dem Vatikan übergeben und mit dem Erlös daraus ein neues Leben beginnen. Während der Zug durch die Dezembernacht fährt, schwirren in seinem Kopf Erinnerungen, Bilder und Einfälle wild durcheinander. Dieser endlos kreiselnde Gedankenstrom lässt bald erahnen, dass auch er nicht frei von Schuld und Gewissensbissen ist.

Der Roman ist keine leichte Kost – doch eine lohnende Anstrengung. Mathias Énard hat sein stupendes Detailwissen über Krieg und (Un-)Menschlichkeit brillant in eine subtile, stringente, atemlose Form gebracht hat. Die irrlichternde Prozession von Opfern und Tätern legt sich wie eine Folie über die antike homerische "Ilias" –  wie diese in 24 Kapitel unterteilt. Unwillkürlich fragt Énard so nach dem Fortschritt der abendländischen Condition Humaine. Was treibt sie an? Die Antwort darauf findet er im Motiv der Rache. Die Rache für erlittene Opfer erzeugt Rache und wiederum Rache. Auch Francis ist längst Gefangener auf diesem Karussell. Sein beschwörender Gedankenstrom gibt den Lesern allmählich seine eigentliche Motivation preis: Er will sich von der Last der eigenen Schuld befreien. Dabei geraten berufliche und private Erinnerungen permanent durcheinander – von Mathias Énard souverän und glaubhaft orchestriert – also lesbar gemacht.

„Zone“ beschreibt – in Anlehnung an Peter Weiss' "Die Ästhetik des Widerstands" – eine Ästhetik des (vernunftgeborenenen) Wahnsinns, der sich in regionalen Konflikten stetig erneuert. Widerstand ist nicht zwecklos, doch es sind wenige Lichtgestalten, die ihn leisten. Dabei dreht sich das mächtige Karussell der Rache fort und fort. Doch Francis wirft am Ende den mysteriösen Koffer in den Tiber...

[ Info ] Enard, Mathias: Zone. (original language: Französisch) Actes Sud, Paris, 2008 .
Übersetzt aus Französisch von Holger Fock Sabine Müller


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Interview mit Mathias Enard über "Zone" (frz.)

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André Pilz

[ 08.12.09 - 12:04 ] [ Kommentar von André Pilz ] Klingt interessant, ist aber leider noch nicht auf Deutsch erschienen.






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