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Lost City Radio

Alarcón, Daniel (Aus dem Amerikanischen von Friederike Meltendorf)

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[ Buchtipp von ] Der Debütroman des 1977 in Peru geborenen und in den USA aufgewachsenen Daniel Alarcón konfrontiert uns auf eindringliche und einfühlsame Weise mit einer Welt, in der das Zusammenleben immer wieder von Bürgerkrieg und Gewalt bedroht wird. Ein Roman, der sich wie eine Parabel liest, ein präziser literarischer Entwurf, der eine nicht näher verortete Gewaltsituation sowohl auf Süd- und Mittelamerika wie auch auf koloniale Regime andernorts übertragbar erscheinen lässt: Die Verschwundenen und der Kampf gegen das Vergessen sind zentrales Thema dieses geschickt komponierten Romans.

In einem fernen Land, Jahre nach dem Ende eines blutigen Bürgerkriegs, regiert das Vergessen. Die alten Sprachen sind verboten, die Orstnamen durch Zahlen ersetzt und die Erinnerung an die Besiegten ausradiert. Eine Frau jedoch, Norma, leistet mit ihrer unverwechselbaren Stimme subtilen Widerstand: Sie moderiert die Radiosendung "Lost City Radio", in der die Zuhörer nach Vermissten suchen können.

Eines Tages taucht im Sender ein Junge aus einem Dschungeldorf auf, Victor, mit einer Liste von Verschollenen und Toten, auf der auch der Name von Normas verschwundenem Mann Rey steht. Norma beginnt, die Wahrheit zu suchen und die Bausteine ihrer Vergangenheit zusammenzusetzen. Was weiß sie von Rey? Wer war er? Ethnobotaniker oder Untergrundkämpfer oder beides? Drei Tage lang irrt sie durch die Hauptstadt, den kleinen Victor an der Hand, auf der Suche nach dem Schlüssel zu den Ereignissen im Dschungel. Am Ende muss sie eine folgenschwere Entscheidung treffen.

Ein ergreifender Roman und eine große Parabel eines nachdenklichen jungen Autors, der sich als gebürtiger Lateinamerikaner, so die einhellige Meinung der Kritiker, in die erste Reihe der US-Literatur geschrieben hat. Alarcón schreibt in der Sprache seiner neuen Heimat USA und erlebt mit kühlem und präzisem Blick Geschichten seines Herkunftslandes nach. Die raffiniert Verknüpfung verschiedener, fein ausgearbeiteter, nicht chronologisch angeordneter Erzählstränge zeigt, jenseits eines vordergründig lateinamerikanischen Szenarios, die weltweiten Webmuster von Macht und Gewalt auf: Sie werden in der Radiosendung "Lost City Radio" subtil übersetzt, gleichsam hörbar gemacht. Die sinnliche Stimme der Rundfunksprecherin Norma trifft die Stimmung der sprachlos Gewordenen so, wie die Radiosendung den Sinn, die Sendung der Literatur freisetzt. Das Medium Radio erhält seine eigenständige Rolle und vermag die so verschiedenen Atmosphären von Stadt und Dschungel miteinander zu verbinden.

Vorangetrieben von einem unbändigen Willen zum Erzählen entsteht aus der meisterhaften und von Friederike Meltendorf kongenial ins Deutsche übersetzten Prosa des Romans das faszinierende Bewegungsbild einer Literatur, die zwischen den Welten, zwischen den Gewalten, zwischen den Sprachen ihre eigenen Stimme und ihren Eigen-Sinn entfaltet.

[ Info ] Alarcón, Daniel: Lost City Radio. Aus dem Amerikanischen von Friederike Meltendorf. Wagenbach, Berlin, 2008 (2007). ISBN: 3803132185.


Dieses Buch ist ...

Genre: Roman
Sprachen (Buchtipp): Deutsch


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