Neue Literatur aus Österreich

Incentives - Neue Literatur aus Österreich

readme.cc eröffnet einen mehrsprachigen Zugang zur neuesten österreichischen Literatur. In Kooperation mit dem Literaturhaus in Wien bietet die Leseplattform Einblick in das aktuelle literarische Geschehen des Landes.

LiteraturjournalistInnen und WissenschaftlerInnen stellen aktuelle Neuerscheinungen vor, Leseproben vermitteln kurze Einblicke in die jeweiligen Texte, Kurzporträts der Autorinnen und Autoren ergänzen das Bild.

Das Informationsangebot steht derzeit in fünf Sprachen zur Verfügung: Deutsch, Englisch, Französisch, Tschechisch und Ungarisch.

Das Projekt will zur Internationalisierung österreichischer Literatur beitragen bzw. zur Übersetzung aktueller Texte anregen.

Durchführung: Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur (Rezensionen, Autorenporträts) – Übersetzergemeinschaft (Übersetzungen) – readme.cc (Infrastruktur).

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Hundert Tage

Bärfuss, Lukas

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[ Buchtipp von Literatur Schweiz ] Seit einigen Jahren brilliert Lukas Bärfuss als Theaterautor auf Bühnen in aller Welt. „Hundert Tage“ markiert sein Debüt als Romanautor. Mitreissend erzählt er aus der Perspektive eines Fremden vom Völkermord in Ruanda. Dieser Helfer, David Hohl, kommt unvorbereitet nach Ruanda. „Ich war vierundzwanzig Jahre alt und ich hatte die Autoren der Négritude gelesen“. Doch die Hauptstadt Kigali erweist sich für den Idealisten als langweiliges Dorf, in dem sich rechtschaffene Helfer wie Paul, aber auch Zyniker wie der „Expat“ Missland tummeln. Es gibt viele von ihnen in diesem afrikanischen Paradies, in dem die Menschen friedlich sind und arbeitsam. Doch das Land hat eine finstere Nachtseite, die von den Westlern nicht verstanden wird.

Als Tutsi-Rebellen angreifen, rutscht das Land in die Katastrophe. Das grossse Morden beginnt, das David Hohl – vergebens auf eine Frau wartend – einsam in einem Haus, hundert Tage lang, mit- und überlebt. Von dieser Warte aus erkennt er, dass das scheinbare Chaos einer perfekte Ordnung entspringt, in der „jeder seinen Platz kennt“. Er beginnt die eigene Selbstgerechtigkeit zu ahnen: „Das Schlimmste ist der Gedanke (...), dass es eine Symbiose gab zwischen unserer Tugend und ihrem Verbrechen.“ Mag er selbst zum Zyniker werden, widerfährt ihm dies ohne böse Absicht. Zynismus ist nur die Schattenseite der Hilfbereitschaft. Darin liegt der Kern dieses Buches von höchster Konzentration, gepaart mit Eleganz und politischer Leidenschaft.

Bärfuss gelingt es, eine beklemmende Verunsicherung zu erzeugen. Dabei legt er es in keiner Weise auf Besserwisserei an. Er weiss um die Ambivalenz der Entwicklungshilfe, die allerdings ohne politisches Bewusstsein nicht zu leisten ist. „Hundert Tage“ ist ein grosses Buch, das einen beklemmenden Stoff mit höchster poetischer Ökonomie auf wenig mehr als 200 Seiten behandelt.

(Beat Mazenauer)

[ Lieblingszitat ] «Ich sagte ihm, dass er in der Hölle brennen würde, und ich war so töricht zu glauben, dies würde ihn beeindrucken. Er war ein guter Christ gewesen, war jeden Sonntag zur Messe gegangen. Das wird wohl stimmen, sagte er, aber was soll ich in Gottes Paradies. Ich wäre alleine dort, nein, unser Präsident ist auch dort, aber nur wir beide, alleine unter lauter seligen Europäern, und das möchte ich nicht, verstehen Sie, Monsieur.»

[ Info ] Bärfuss, Lukas: Hundert Tage. (original language: Deutsch) Wallstein Verlag, Göttingen, 2008 . ISBN: 978-3-8353-0271-6.


Dieses Buch ist ...

Genre: Roman
Sprachen (Buchtipp): Französisch, Deutsch, Englisch, Italienisch


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