
Das Leben der Wünsche drucken
[ Buchtipp von Antje Flemming ] Er ist zurück. Ist er zurück? Jonas, so hieß der Held in Thomas Glavinic’ Buch „Die Arbeit der Nacht“, das das Wort Verlassenheit neu buchstabierte. Vor drei Jahren war das, und nun heißt wieder einer wie der Mann im Walfischbauch. In seinem neuen Roman „Das Leben der Wünsche” ist der Österreicher, der es weiland mit der Literaturbetriebsabrechnungssatire „Das bin doch ich” auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises schaffte, wieder ganz bei sich, in der Düsternis, im Horror des Alltags und knüpft kunstvolle Bedeutungsnetze zwischen seinen Werken.
Erneut bahnt sich das Abgründige schon auf der ersten Seite Raum. Jonas liebt Marie, auch davon haben wir gelesen, aber halt: Jonas ist mit Helen verheiratet. Und die beiden haben zwei Söhne. Jonas schlägt sich zumeist mit Werbetexten für Autowaschanlagen herum, lustlos freilich. Und in der Mittagspause taucht er dann auf, der allwissende, weiß gewandete Fremde mit Goldkettchen nebst dunkler Spiegelbrille und spricht die magischen Worte: „Es geht nicht darum, was Sie wollen, sondern darum, was Sie sich wünschen. Was wünschen Sie sich, Jonas?”
Nein, eine gute Fee hat man sich nicht als Zuhälterverschnitt vorgestellt, doch Glavinic wäre kein filigraner Sezierer der Zwischenmenschlichkeit, wenn er nicht das Märchenklischee nach allen Regeln der Kunst zertrümmern würde. Im feinen Unterschied zwischen Wollen und Wünschen scheint die Wahrheit zu liegen, wenn es sie in diesem raffiniert erzählten Buch überhaupt gibt. Plötzlich steigen Jonas’ Aktien unaufhaltsam. Das Söhnchen wächst über Nacht eine Handbreit. Er steigt nicht in die Maschine, die Augenblicke später als Flammenball vom Himmel fällt. Doch in der Nacht findet er keine Ruhe, und die Grenze zwischen Traum und Albtraum verwischt: „Er blickte hinab in den dunklen Hinterhof. Er fühlte sich beklommen. Ihn erfüllte das rätselhafte Gefühl, dass da unten etwas nicht in Ordnung war. Es ging vor sich, was nicht recht war.” Und dann liegt Helen regungslos in der Badewanne...
[ Lieblingszitat ] Ich wünsche mir, dass sich alle meine Wünsche erfüllen. Dies ist mein erster Wunsch, und auf die anderen zwei kommt es nun nicht mehr an, ich schenke sie Ihnen.
[ Info ] Glavinic, Thomas: Das Leben der Wünsche.
(original language: Deutsch)
Carl Hanser Verlag,
München, 2009
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ISBN: 978-3-4462-3390-4.