
Göttlicher Gestank drucken
Göttlicher Gestank
Aus dem Ungarischen von Zsuzsanna Gahse Bild vergrößern[ Buchtipp von Beat Mazenauer ] „Göttlicher Gestank“ – ein Widerspruch? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Die Gedichte des vojvodinischen Autors Ottó Tolnai glänzen mit solchen Ungereimtheiten. Das zum Titel gehörige Gedicht heisst „Der göttliche Gestank des Leims“. Die „klebrige Pampe“, von einer Leimköchin angerührt, könnte dem lyrischen Ich helfen: „um nicht wie eine lose Schuhsohle / endgültig vom Erdball zu fallen“.
Tolnais Gedichte sind bukolische Verse in subtilen freien Rhythmen, reimlos, mit chorischen Refrains verbunden. In ihren kürzesten Varianten setzen sie kleinste Bilder aufs Papier. In ihren epischen Langformen mäandern sie erzählend durch Landschaften und Geschichten und nehmen Widersprüchlichstes in sich auf, um es zu verwandeln. Eindrücke, Metaphern und Mythen – aus der Vojvodina – verstricken sich ineinander und begründen eine poetische Wirklichkeit, die sich dem schnellen Einverständnis verweigert. Ihre lächelnde Anschaulichkeit aber ist förmlich zu spüren. Tolnai lässt einen am Gedicht erleben, dass es ein poetisches Vorverständnis gibt, welches sich hier in der lauten Lektüre seiner Sprechgedichte vollzieht.
Leicht macht es sich der Autor selbst nicht, wie das wunderbare „Oberhalb von Edenkoben“ zeigt. „Es ist gar nicht einfach, Nägel in Bleiplatten zu hauen“ – in die „Bleiplatte des Firmaments“. Und doch probiert er es täglich. Das Schreiben als Exerzitium der Vergeblichkeit, mit dem sich das weisse Papier füllt. Der Leser vollzieht es mit: „es ist schön derlei Poesie zu machen“. Die Übersetzerin Zsuzsanna Gahse – offenkundig eine Geistesgewandte Tolnais – hat eindrückliche Arbeit geleistet im Namen aller, die kein Ungarisch verstehen. Ihre Auswahl gibt Einblicke frei in einen dichterischen Kosmos, der die karge Landschaft der Vojvodina direkt mit dem Firmament verbindet. Ein kommuner Besenstiel legt die Achse dazwischen.
[ Lieblingszitat ] das All selbst ist
sehr wohl in Ordnung
aber alle einzelnen Punkte sind
ungenau
(Aus dem Langgedicht "Der Rosshaarbesen")
[ Info ] Tolnai, Ottó: Göttlicher Gestank.
Aus dem Ungarischen von Zsuzsanna Gahse. (original language: Ungarisch) Zweisprachig.
Edition Korrespondenzen,
Wien, 2009
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Dieses Buch ist ...
Genre: Lyrik
Stichworte: Vojvodina, Verwandlung, Natur, Kultur, Heimat, Bukolik
Stil: schräg, schillernd, Naturlyrik, kosmisch
Empfohlen für: Lautlesern, Langsamlesern
Sprachen (Buchtipp): Deutsch