Neue Literatur aus Österreich
Incentives - Neue Literatur aus Österreich
readme.cc eröffnet einen mehrsprachigen Zugang zur neuesten österreichischen Literatur. In Kooperation mit dem Literaturhaus in Wien bietet die Leseplattform Einblick in das aktuelle literarische Geschehen des Landes.
LiteraturjournalistInnen und WissenschaftlerInnen stellen aktuelle Neuerscheinungen vor, Leseproben vermitteln kurze Einblicke in die jeweiligen Texte, Kurzporträts der Autorinnen und Autoren ergänzen das Bild.
Das Informationsangebot steht derzeit in fünf Sprachen zur Verfügung: Deutsch, Englisch, Französisch, Tschechisch und Ungarisch.
Das Projekt will zur Internationalisierung österreichischer Literatur beitragen bzw. zur Übersetzung aktueller Texte anregen.
Durchführung: Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur (Rezensionen, Autorenporträts) – Übersetzergemeinschaft (Übersetzungen) – readme.cc (Infrastruktur).

Neue Literatur aus Österreich drucken
[ Buchtipp von Incentives ]
„Don't cry - work!”
Diese Anleitung wählte der Autor Rainald Goetz als Untertitel für seinen frühen Roman Irre. Dementsprechend der Werkbegriff: Existentiell. Alles ist eins: Leben, Schreiben, Wirklichkeit, Literatur. So auch in Thomas Ballhausens neuem Werk Bewegungsmelder. In zehn Prosastücken erzählt der Wiener Schriftsteller und Kulturwissenschaftler Episoden aus der alltäglichen Medienrealität und Lebenswelt eines radikalen Solipsisten.
Fluchtversuche und Interventionen heißen die beiden Teile des schmalen Buches. Die Überschriften sind Programm. Denn während Ballhausen in die fließende Form der ersten sechs Erzählungen die Auseinandersetzung mit Geschichte, Schuld und Gedächtnis einschreibt, vor der seine Protagonisten zu fliehen versuchen, erprobt er in dem rhythmischen Stakkato der vier Interventionen die Revolte gegen jegliche Festlegung durch die Kultur und ihre Narrative.
Ballhausen schreibt eine hochreflektierte, doch dabei sinnliche Prosa. Im Schreibprozess verschmelzen Schriftsteller, Ge- und Beschriebene(s) zum Schrift-Körper, einer Textur, in der Bruchstücke von Träumen und Erinnerungen, fiktive Begegnungen und reale Kontakte, Erlebtes und Zitiertes gleichwertig nebeneinander stehen.
Die programmatische Offenheit und gleichzeitige strenge Hermetik von Ballhausens Prosa speist sich aus ihrer Vielstimmigkeit. Die Häufung von Zitaten aus „Pop und Poetik/ Poetik und Pop“ zeigt die intertextuelle Verstrickung als Spiel, das die Genre- und Gattungsgrenzen durchdringt und den Leser vor die Herausforderung stellt, den vielen Spuren zu folgen anstatt nach einem roten Faden zu suchen.
Im Grunde sind es jedoch Geschichten über die Liebe, die Ballhausen erzählt, wenn auch unglückliche, gescheiterte. Am ehesten gelingen flüchtige Begegnungen von Fremden, unter Vorspiegelung falscher Namen und Leben, die Gesichter hinter Masken verborgen, die Körper käuflich. Doch ihnen allen ist in ihrer Heimatlosigkeit eine heimliche Sehnsucht nach Romantik und Geborgenheit eigen. Für sie – und das ist das vielleicht Verblüffendste an diesem belesenen Buch – findet Ballhausen, dieser so ernsthafte, kluge und kopflastige Autor, wunderbar melancholische Sätze von stiller Poesie.
Kurzfassung der Rezension von Martina Wunderer, November 2010
Originalversion: http://www.literaturhaus.at/index.php?id=8506
[ Info ] Ballhausen, Thomas: Bewegungsmelder.
(original language: Deutsch)
Haymon Verlag,
Innsbruck, Wien, 2010
(ja).
ISBN: 978-3-85218-643-6.
Dieses Buch ist ...
Genre: Roman
Sprachen (Buchtipp): Englisch, Französisch, Tschechisch, Ungarisch, Deutsch