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Ausgehen

Marković, Barbi

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[ Buchtipp von Christine Rigler ] Clubben und Denken, das verträgt sich schlecht. Wer clubbt, denkt beser nicht, denn wer denkt, vermiest sich das Clubben. "Ausgehen" von Barbi Marković ist eine wunderbare Denkfigur ums Ausgehen, Nachtleben, Musikhören, Drogen Reinziehen. Milica ging früher am Samstag mit dem erzählenden Ich ging in den Ausgang, und am Sonntag mit Bojana. Doch seit Bojana nicht mehr ausgeht, sondern vor der Glotze hockt, geht Milica auch am Sonntag mit dem Ich in den Ausgang, denn allein auszugehen ist das Entsetzlichste, was Milica widerfahren könnte. Musik, Drogen, Style - vor allem Style sind Kernbegriffe dieser Prosa. Nichts Neues also - wäre da nicht dieser eigenartige Sound, der an ein ganz anders geartetes Buch erinnert.

1971 liess Thomas Bernhard ein Ich mit mit Oehler gehen und gehen, weil Karrer in die Steinhof-Klinik eingeliefert worden war. Zwei grantige Kerle ziehen mit bärbeissigem Spott über die Welt her und feiern beredt die entsetzliche Langeweile ihrer Existenz. Thomas Bernhards Buch "Gehen" ist "Ausgehen" nachempfunden - nicht zufällig und beliebig, sondern akkurat von einer Autorin, die ihr literarisches Vorbild sichtlich mag und es zugelich in eine neue Sphäre hebt. Aus Gehen und Denken wird Clubben und Denken, was bleibt ist die Unmöglichkeit einer befriedigenden Existenz respektive das rhetorisch raffinierte Ausleben der Ambivalenz zwischen Sein und Reflexion. Indem Marković in ihrem Buch akkurat dem Vorbild bis in die feinsten Verästelungen hinein nachfolgt, erzielt sie einen stupenden Verfremdungseffekt. Der Fernseher ersetzt die Klapsmühle, aus Alt wird Jung - nur die Langeweile und die Verzweiflung bleiben sich gleich.

Marković formuliert eine wunderbare Paraphrase auf einen literarischen Vorläufer und erneuert dieses durch ihr eigenes Buch. Beide verbindet ein bestechender literarischer Sound. "Im Grunde ist alles, was gesagt wird, zitiert, ist auch ein Satz von Bojana, der mir im Zusammenhang damit einfällt".

[ Lieblingszitat ] Die Events, zu denen wir gehen, dürfen nciht gegenstand unseers Denkens werden, wenn wir nicht genug Kraft haben, denn dann kann uns zuerst krankhafte Langeweile befallen, und anschliessend tödlcihe Verzweiflung. Wie wir uns auchnicht in der Clubszene, die uns umgibt, umgeben hat und umgeben wird, bewegen dürfen, wenn wir nicht fähig sind, eine Pause im Clubbing einzulegen, im sogenannten Belgrader Trash- oder Alles-wurscht-Clubbing, und zwar genau in jenem Augenblick, in dem die Sättigung eintreten würde. Die Kunst des Ausgehens besteht in der Kunst, sagt Milica, vor dem Augenblick der Sättigung eine Pause einzulegen.

[ Info ] Marković, Barbi: Ausgehen. Suhrkamp Verlag, Berlin, 2009 (2006).
Übersetzt aus Serbisch von Mascha Dabić


Dieses Buch ist ...

Genre: Roman
Stichworte: Party, Jugend, Denken, Ausgehen
Stil: witzig, präzis, paraphrasierend, Intertextuell
Sprachen (Buchtipp): Deutsch, Englisch


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