Neue Literatur aus Österreich
Incentives - Neue Literatur aus Österreich
readme.cc eröffnet einen mehrsprachigen Zugang zur neuesten österreichischen Literatur. In Kooperation mit dem Literaturhaus in Wien bietet die Leseplattform Einblick in das aktuelle literarische Geschehen des Landes.
LiteraturjournalistInnen und WissenschaftlerInnen stellen aktuelle Neuerscheinungen vor, Leseproben vermitteln kurze Einblicke in die jeweiligen Texte, Kurzporträts der Autorinnen und Autoren ergänzen das Bild.
Das Informationsangebot steht derzeit in fünf Sprachen zur Verfügung: Deutsch, Englisch, Französisch, Tschechisch und Ungarisch.
Das Projekt will zur Internationalisierung österreichischer Literatur beitragen bzw. zur Übersetzung aktueller Texte anregen.
Durchführung: Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur (Rezensionen, Autorenporträts) – Übersetzergemeinschaft (Übersetzungen) – readme.cc (Infrastruktur).

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Mein sehr lieber Herr Schönengel
Urech, Marie-Jeanne (Le syndrome de la tête qui tombe)
Bild vergrößern[ Buchtipp von Literatur Schweiz ] Drunten im Keller hocken die Arbeitstiere und verrichten stumpfsinnige Dinge. Die Menschen sind zu nichtssagenden Rädchen mutiert, die alle auf den Namen «Weisslich» hören. Einzig die Anrede signalisiert die Hierarchie: Zuoberst regiert «Unser Brillanter Pantheonischer Durchlauchtigster .... Sehr Lieber Herr Weisslich». Einer dieser Kellermenschen ist Arthur Schönengel, der den lieben langen Tag nur ansteigende Striche zeichnet, von links unten nach rechts oben. Je kühner die Striche ansteigen, umso mehr Erfolg ist der Firma beschieden. Im Unterschied zu den Kollegen erlaubt sich Schöngengel einen Rest an Eigensinn, indem er seinen richtigen Namen nicht vergisst, und sich am Sonntag frei nimmt. Derlei wird nicht bestraft, denn die Firma ist keine Diktatur, nur eine alltägliche Tretmühle.
«Mein sehr lieber Herr Schönengel» schildert eine vordergründig absurde Welt, worin sich Kafka und Orwell begegnen – im Dienst des Firmenerfolgs. Komischer, boshafter kann das Börsengeschäft kaum dargestellt werden. Marie-Jeanne Urech hat eine wunderbar freche Parabel entwickelt, die sie mit schlichter, präziser Sprache zum Leuchten bringt. Wie Herr Schönengel jedoch anmutige Bäume anstatt gerade Linien zu zeichnen beginnt, bricht das Geschäft zusammen.
(Beat Mazenauer)
[ Lieblingszitat ] «Nichts zwang ihn, in der Tat, aber alles trieb ihn dazu.»
[ Info ] Urech, Marie-Jeanne: Mein sehr lieber Herr Schönengel.
(original language: Deutsch) Le syndrome de la tête qui tombe.
Bilgerverlag,
Zürich, 2009
(2006).
ISBN: 978-3-03762-007-6.
Übersetzt aus dem Französischen von Claudia Steinitz