Schweizer Literaturen
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I promise when the sun comes up...
Bild vergrößern[ Buchtipp von Michel Mettler ] Der Alltag, ein Kriegsschauplatz
Die Welt als nässender Ausschlag, das Bewußtsein als Schwartenriß, das Ich als Warze im Gesicht des Seins: Ein Solitär erkundet die hintersten Fettecken und Speckfalten des Daseins, frenetisch bis zum Erblassen.
Ein Mensch undefinierbaren Alters hockt im Zimmer, horcht hinab ins Tosen seiner Wut und hinaus ins Rauschen der soziale Idiotie, den Irrsinn der Warenwelt, die Fisimatenten am Rand der Dunstglocke. Sein Blick zeigt das Uhrwerk des Bewußtseins bei der Arbeit. Er seziert bei lebendigem Hirn ein Selbst, das sich nicht mit dem Status Quo abfinden will und 1000 Auswege ersinnt, einer halsbrecherischer als der andere. Uferlos verbreitet er sich über die Schwanenverseuchung der heimischen Gestade, sinnt auf Anschläge und Übergriffe, bastelt Hundeattrappen für seinen Fahrradlenker, ist Universalgelehrter in Sachen Fußpilz und auf Achse als nimmermüder Anwalt des schlechten Geschmacks.
Taugt nicht für einen Roman? Gewiß. Außer man heißt Stauffer, schreibt am Schweizer Schwanensee, schafft es, auf 90 Seiten eine Komplettwelt aufzuspannen, die aus Mundgeruch und schlechter Laune besteht, und ist der rabautzigste Nachfahr Robert Walsers. War jener überkonziliant, so gibt sich dieser hyperunversöhnlich. Keiner, fürwahr, verstimmt die Sprachgitarre so gekonnt wie er. Der Erstling eines Autors, der selbst über den Musenkuß lästern könnte: mit einem fetten Knutschfleck am Arsch.
[ Info ] Stauffer, Michael: I promise when the sun comes up....
Urs Engeler Editor,
Basel 2001
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ISBN: 3-905591-17-0.
Dieses Buch ist ...
Genre: Erzählende Prosa
Stichworte: gewagt
Stil: exotisch, satirisch
Empfohlen für: Lektüre zum Nachdenken
Sprachen (Buchtipp): Deutsch
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Kommentare Chronologie wechseln

[ 16.10.08 - 21:05 ] [ Kommentar von Tim Schomacker ] Möglicherweise wird aber so ein Schuh draus, dass das Netz seinerseits jene "zerfaserte Verlinktheit" wiedergibt, die das Leben des eigenartigen wie -sinnigen Staufferprotagonisten ausmacht. "Sammeln wurde mir in die Wiege gelegt", heißt es an einer Stelle. Die dazugehörige Fußnote (28) gibt Hinweise auf später zu Sammelndes, auf Dinge gegen die das Gesammelte hernach einzutauschen wäre. Möglicherweise, unklar, aber ganz fest mitten drin steckend. Und das ist eben, gerade weil Stauffer es zwischen Buchdeckel zwängt (oder zwingt) kein Blogersatz in Ermangelung von... ja, was? Sondern, tatsächlich, Poesie. Über der der "sonntag" nicht beginnt, sondern ausbricht, wie weiland H. C. Artmann ihn, den "sonntag", inklusive "bewölkungszunahmen", für den "auftritt eines rowdys" aufspannte. Ein solcher Rowdy ist auch Stauffers Erzählfigur. Sie tut, was sie tut, notiert, was sie notiert, und schreibt, was sie schreibt - aus Notwehr. Inklusive notwendiger (und die Seitenmenge so hübsch auszählender) Fußnoten. Nicht als Ablenkung, sondern als Bestandteil dieser Weltausschnittsbetrachtung. Fußnote: Dem Buchtippgeber sei an dieser Stelle für das schön verstimmte Bild von der verstimmten Sprachgitarre gedankt.

[ 26.01.06 - 21:18 ] [ Kommentar von Stephan M. ] Was'n Buch. Vom Stil und Inhalt her heutzutage genauso auch in besseren Blogs zu finden. Es ist recht kurzweilig, aber die Methode den Leser damit zu ärgern, daß der Text fast schon zwanghaft mit Fußnoten zerstückelt wird, mag für ein paar Male lustig sein, mit der Zeit nervt's aber schon. Wahrscheinlich ist es einfach nur die einzige Möglichkeit die zerfasernde Verlinktheit im Internet in einem gedruckten Text wiederzugeben. Aber: Dann lese ich doch lieber gleich Blogs.