New Literature from Austria
Incentives - New Literature from Austria
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The Project "Incentives" targets at the internationalization of Austrian literature, respectively the translation of current texts.
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Maja Haderlap, die Bachmann-Preisträgerin 2011, ist mit ihrem ersten Roman “Engel des Vergessens in ihre Kärntner Heimat, genauer in ihr slowenisches Dorf Lepena zurückgekehrt. Großmutter und Vater sind die Helden ihrer Kindheits-, Familien- und Partisanengeschichte, in der die Autorin sich selbst als heranwachsendes Mädchen erzählen lässt - ein Kind mit wachen Augen und klarem Verstand, jedoch zunehmend wirren Gefühlen angesichts der schleichenden Initiation in das Familienschicksal, sprich: das Schicksal der Kärntner Slowenen in der Nazi-Zeit.
Nicht umsonst fürchtet das Mädchen nach einer Jagd, zu der es vom Vater mitgenommen und die mit Kriegserinnerungen und einer Menge Alkohol beschlossen wird, dass sich der Tod in ihr eingenistet habe „wie ein kleiner schwarzer Knopf” (S. 91). Ein sehr schwerwiegender Satz aus dem Mund eines kaum zehnjährigen Mädchens, der jedoch ganz bewusst den Beginn einer Entwicklung markiert, die auf den Spuren von Tod und Verstörung stattfindet.
Die Großmutter der Erzählerin war im KZ Ravensbrück, der Großvater und später auch seine Söhne im Wald bei den Partisanen - Zdravko, der Vater, ist kaum zwölf Jahre alt, als er von Polizisten gefoltert wird und sich wie viele Männer der Umgebung in den Wäldern versteckt. Zahlreiche Nachbarn und Verwandte sterben dort im Kampf gegen die deutsche Wehrmacht, andere werden auf ihren Höfen erschossen oder verschwinden im Gefängnis.
Dies sind aber „nur” die familiären Eckpunkte des Romans, der tief hinein in die jüngere Kärntner Geschichte führt und die Leser mit den Wurzeln eines Konfliktes vertraut macht, in dem anscheinend 66 Jahre nach Kriegsende „immer noch Sturm” herrscht. Die jüngste Diskussion um das Kärntner „Ortstafelgesetz” im österreichischen Parlament hat der Aktualität von Maja Haderlaps Roman zweifellos Nachdruck verliehen. Ebenso wie Peter Handkes bei den Salzburger Festspielen uraufgeführtes Drama „Immer noch Sturm”, in dem der Kärntner Autor literarisch ebenfalls ‘in sein Dorf zurückkehrt’ und seine eigene, teils reale, teils fiktionale Familiengeschichte mit dem Freiheitskampf der Kärntner Slowenen verknüpft.
Maja Haderlaps Portrait ihrer Familie und Heimat ist jedoch keineswegs nur ein politisches, sondern auch ein sehr sinnliches Buch. In kräftigen poetischen Bildern skizziert die Autorin ihre Kindheit in einer traditionellen slowenischen Dorfkultur, nicht zu vergessen die zahlreichen Wald-Beschreibungen, vom kleinen Wald hinter dem Haus über den Holzschlag des Vaters bis zu den Jagdritualen und den großen Wäldern, die zu einem Mythos geworden sind. Der Trapezakt, das Persönliche zum Politischen und beides gleichzeitig zu Literatur zu machen, ist dabei weitgehend gelungen, auch wenn die scheinbar naive Kindperspektive nur in den ersten Kapiteln des Romans funktionieren kann. Mit zunehmendem Alter der Erzählerin müssen auch Reflexionen, politische Exkurse, Träume und immerhin drei Zeitebenen im Text Platz finden.
Überzeugend und tief berührend ist der Roman dort, wo die Autorin nah an den beschriebenen Personen und ihren Erlebnissen bleibt und schlicht erzählt - dabei zaubert die versierte Lyrikerin einen Klangteppich herbei, der wie im Flug durch das dichte Netz an Geschichten trägt.
Kurzfassung der Rezension Sabine Schuster, Oktober 2011.
Originalversion: http://www.literaturhaus.at/index.php?id=9108
[ Boginfo ] Haderlap, Maja: Engel des Vergessens.
(original language: Deutsch)
Wallstein Verlag,
Göttingen, 2011
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ISBN: 978-3-8353-0953-1.