Nouvelle littérature de l'Autriche
Incentives – la nouvelle littérature d’Autriche
readme.cc propose un accès en plusieurs langues à la littérature autrichienne la plus récente. Réalisée en collaboration avec la Maison de la littérature à Vienne, cette plateforme de lecture offre un aperçu de l’actualité littéraire du pays.
Des critiques littéraires – journalistes et/ou universitaires – présentent des ouvrages qui viennent de paraître, de courts extraits permettent de se faire une première idée, des notices biographiques complètent la présentation.
Pour l’instant, ces informations sont disponibles en cinq langues : allemand, anglais, français, tchèque et hongrois.
Le projet « Incentives » cherche à promouvoir l’internationalisation de la littérature autrichienne et la traduction de textes récents.
Réalisation : centre de documentation pour la nouvelle littérature autrichienne (comptes rendus, notices biographiques) – association des traducteurs (traductions) – readme.cc (infrastructure).

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[ Recommandation de Incentives ]
Judith W. Taschlers „Sommer wie Winter“ ist zwar ein Debütroman, aber dennoch ein stilistisch und erzähltechnisch reifes Buch. Souverän verknüpft die Autorin die narrativen Fäden zu einem komplexen Geschichtennetz, stilsicher gestaltet sie die Rede der lebendig erscheinenden Figuren. Die Sicherheit der Autorin verleiht „Sommer wie Winter“ eine gewisse Leichtigkeit, obwohl das Buch von sehr schwierigen Themen handelt: Herkunftstraumata und Schuld, Tabu und Verbot, Alterität und Identität, Anpassung und Ausgrenzung. Dabei liefert Taschler keine letztgültigen Wahrheiten, sondern erzeugt Zonen der Ambivalenz, der konfrontativen Interpretationen von Welt. Dies gelingt über die multiperspektivische Struktur des Romans: Mitglieder der Söllner Bauern- und Hoteliersfamilie Winter erzählen in einer Serie von Therapiegesprächen ihre Familiengeschichte im Hinblick auf das Pflegekind Alexander Sommer. Alexander selbst erhält den größten Raum, ohne dass aber seine Lebenserzählung unhinterfragt bleibt oder als Metawahrheit außerhalb des familiären Bezugssystems verortet wird. Der Hintergrund der Therapiegespräche erschließt sich dem Leser nur langsam. Schon zu Beginn ist allerdings klar, dass etwas außergewöhnlich Schreckliches passiert sein muss. Der 19-jährige Alexander und seine fast gleichaltrige Stiefschwester hatten einen Unfall unter zunächst diffusen Umständen. In den von Jänner bis April 1990 abgehaltenen Therapiegesprächen werden diese Umstände beleuchtet, wird die Familiengeschichte aufgerollt.
Alexander kam im Alter von vier Jahren zur Familie Winter, auf Betreiben des Vaters und obwohl es bereits drei Töchter im Hause gab. Schnell wird er vom Arbeitssystem der Familie aufgesaugt, er muss wie ein Knecht im Stall helfen und die Urlauber unterhalten. Über seine Herkunft „habe ich aber nicht[s] gewusst, das haben die Eltern mir nie erzählt. Darüber ist einfach nicht geredet worden.“ (47) Erst in der Pubertät erfährt er, dass seine Mutter ausgewandert sein und ihn zurückgelassen haben soll.
Wie Alexander letztendlich die wahren Umstände seiner Herkunft und Lebensgeschichte entschlüsselt, so kann der Leser die verschiedenen Schichten von Judith W. Taschlers Erzählkosmos in all seiner symbolischen Dichte und narrativen Differenziertheit freilegen.
Dass Taschlers Roman dabei auch noch mit einer spannenden Krimihandlung aufwarten kann und es sich hier um einen klassischen „page-turner“ handelt, tut der Freude über dieses gelungene Debüt natürlich keinen Abbruch.
Kurzrezension von Gerald Lind, September 2011
Link zum Originalbeitrag: http://www.literaturhaus.at/index.php?id=8761
[ Info ] Taschler, Judith W.: Sommer wie Winter.
(original language: Deutsch)
Picus,
Wien, 2011
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ISBN: 978-3-85452-671-1.