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[ a könyvtippet írta Incentives ] „Geister und Tattoos”, Robert Prossers aktuelles Werk, handelt von den Einwohnern einer kleinen Siedlung an der armenisch-aserbaidschanischen Grenze, die nach den Gefechten um Berg-Karabach beschließen, den Krieg so weit wie möglich hinter sich zu lassen und einen Neuanfang in einem anderen Teil des Landes zu wagen. Dort, im äußersten Norden Armeniens, führen sie nun ein in jeder Hinsicht abgeschiedenes Leben, unentdeckt, vergessen von den staatlichen Behörden und fernab von deren Gesetzen und Gesetzmäßigkeiten. Es ist eine archaisch anmutende Gesellschaft, mit ihren eigenen Regeln und Riten, ihren eigenen Mythen und Zaubern, wo Vernunft und Magie gemütlich nebeneinander existieren und es nur ein kurzer Sprung von Medizin zu Medizinmann ist. Man lebt von Viehzucht und dem, was das umliegende Land hergibt, und begleicht die wenigen notwendigen Anschaffungen mit jenem Geld, das die Männer, die sich abwechselnd als Tage- oder Wochenlöhner in den näher gelegenen größeren Ortschaften verdingen, mit nach Hause bringen. Die restliche Zeit schlägt man mit Kartenspielen sowie mit der Herstellung und insbesondere dem Verzehr von diversen hochprozentigen Destillaten, den titelgebenden Geistern, tot.
Den Großteil des Buches folgt man einem der Bewohner dieser Siedlung, einem nicht näher definierten „Du“, das den Mittel- und Fluchtpunkt des Romans darstellt, doch auch den anderen Siedlern samt ihren Schicksalen und Eigenheiten wird ausreichend Platz eingeräumt, sodass man ein eindrückliches und lebhaftes Bild von der Ort- wie auch der Gemeinschaft erhält.
Das eigentlich Bestechende des Romans ist allerdings seine Sprache: Wie auch schon in früheren Werken überlässt Prosser nichts dem Zufall, schreibt, wenn es die Umstände verlangen (und dem immensen Schnapskonsum seiner Charaktere Rechnung tragend), bisweilen fast wie im Rausch, ständig wird der richtige, der scheinbar einzige auf diese oder jene Sache zutreffende Ausdruck gesucht und ge- bzw. gar erfunden. Dabei wirkt nichts gezwungen, jedes einzelne Wort sitzt und geht tief unter die Haut, ähnlich den Nadeln der meist nur behelfsmäßig konstruierten Maschinen, mit denen im Roman die Tätowierungen gestochen werden, die für die Figuren mehr als nur Körperschmuck sind.
„Geister und Tattoos” zeigt, wie Menschen trotz widrigster Umstände versuchen, ein menschenwürdiges Leben im gebeutelten Kaukasus zu führen, und nicht zuletzt deshalb ist es nicht nur ein sprachlich äußerst versierter und großartig komponierter, sondern auch ein hochpolitischer Roman.
Kurzfassung der Rezension von Simon Leitner
Originalversion: http://www.literaturhaus.at/index.php?id=10149
[ infó ] Prosser, Robert: Geister und Tattoos.
(original language: Deutsch)
Klever Verlag,
Wien, 2013
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ISBN: 978-3-902665-65-2.