Letterature Svizzere
Letterature Svizzere stampare questo consiglio di lettura
[ Consiglio per un libro di Incentives ] Ein fragiler Zustand
Ein einsamer, alter Mann (Dr. Walter Steiner) läuft ziellos durch Wiens Straßen. Pensioniert und von seiner Frau verlassen „[herrscht] in jeder seiner Zellen eine wunderbare Leere“. Aber: „Wie soll er diese Leere aushalten.“ Sein sonderbarer Fund von zwei Fotorollen, die er entwickeln lässt, katapultiert ihn um fast 15 Jahre zurück. Die Bilder entführen ihn in die Welt der Schwestern Mona (eines der Bilder zeigt einen Grabstein mit der Aufschrift: Monica Stanek 1979-2000) und (der bis zur vorletzten Seite namenlosen) Andrea Stanek. Er schaut sich die Bilder „immer wieder durch, vielleicht um die Geschichte (eine Geschichte) ins Laufen zu bringen“. Um den Übergang zu meistern. Oder um die Leere in ihm mit Fremdmaterial aufzufüllen.
Wien im Jahr 2000, als „eine Rasse von braungebrannten strahlenden Siegertypen unter der Führung von zwei bösartigen Gnomen die Macht übernommen [hat]“. Eine junge Frau (Andrea Stanek), die „nicht mehr vor ihrem Leben in die Politik flüchten“ und „auch nicht vor der Politik in ihr eigenes Leben flüchten [kann]“ und die nach dem Tod des Vaters und der Schwester nur Leere, Hilflosigkeit und Wut fühlt. Als wollte sie den Tod aufhalten, die dadurch entstandene Leere ausfüllen, „geht [sie] an Monas Stelle, lebt an Monas Stelle“, die sich aus der Gesellschaft herausnahm, sich treiben ließ, umherstreifte, von Kneipen in fremde Betten, bis „sie sich zum Verschwinden [bringt]“.
Es sind Momentaufnahmen aus dem Leben dreier Suchenden, deren Geschichten Thomas Stangl in seinem Roman „elegant und schattenhaft“ langsam zu einer Choreografie entwickelt. Alles ist ein ständiges Grübeln, Spüren, Zweifeln. Gedankenverlorene innere Monologe, „Verdoppelungen und Verzögerungen“. Begegnungen als „Eingang zu einem anderen Leben“. Stangl konkretisiert in Klammern. Behauptet und stellt zugleich in Frage. Rückt Bilder zurecht. Verschiebt Bedeutungen oder kehrt sie um und lässt vieles offen.
„Alles ist eine Frage des Rhythmus“, und diesen beherrscht Stangl meisterhaft. Drei Personen, drei Körper, drei Solochoreografien, die sich schließlich in einen fulminanten Tanz verwandeln. Als hätte Stangl in seinem neuen Roman immer wieder Augustinus zitiert: „Tanzen ist Verwandlung, Raum und Zeit“ – oder auch die Fähigkeit „durch Wände zu gehen“.
Kurzfassung der Rezension von Edit Rainsborough, Dezember 2013
Originalversion: http://www.literaturhaus.at/index.php?id=10219
[ Informazioni sul libro ] Stangl, Thomas: Regeln des Tanzes.
(original language: Deutsch)
Droschl Verlag,
Graz, 2013
.
ISBN: 978-3854208464.