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Er hatte alles überlebt, war auch in den nächsten Monaten nicht totzukriegen gewesen, ganz gleich, an welchen Kriegsschauplatzen er gekämpft hatte. Er hatte fünfzig Deutsche höchstpersönlich ins Jenseits befördert, wie man in unserer Familie zu berichten wusste, und dabei auch noch Zeit gefunden, ihnen persönliche oder militärische Gegenstände abzunehmen. Keine Trophäen wohlgemerkt, der alte Herr wollte einfach sichergehen, sich nach dem Krieg an die Toten erinnern zu können. Man muss dem Großvater zugutehalten, dass ihm die Nazis einiges angetan hatten (also eigentlich unserer gesamten Familie), es war ihm allerdings gelungen, nach Amerika zu entkommen. Fortan hatte er nur darauf gebrannt, möglichst bald der Army beizutreten und nach Europa überzusetzen, um so viele Gegner wie nur möglich zu töten. Der Großvater stammte aus der Tschechoslowakei - "Resttschechei" hieß die in der Sprachregelung der nationalsozialistischen Propaganda - und er hatte vom ersten Tag in Amerika an keinen Zweifel daran gelassen, bald wieder dorthin zurückzukehren. Um reinen Tisch zu machen. Man konnte vom Großvater halten, was man wollte, doch er hielt für gewöhnlich sein Wort. Viel später, nach dem Krieg, bekam mein Vater (sein einziger Sohn) allerlei Gegenstände von ihm geschenkt, auf die er sich zunächst keinen Reim machen konnte. Diese befanden sich in etlichen großen Armeekisten, er solle damit machen, was er wolle, hatte der damals schon todkranke Großvater sein Geschenk kommentiert. Es waren fünfzig mehr oder minder seltsame Mitbringsel, die künftig unser aller Fantasie beflügeln sollten.
Großvaters Inventarliste:
1. Deutsches MG 7,9 mm 2. Wasserentkeimungstabletten 3. Energieriegel Mandel 4. Hörer eines Feldfernsprechers FF33 5. Hoheitsadler 6. Eisernes Kreuz, 2. Klasse 7. Lederkoppel mit Zweidorn-Schnalle 8. M 35 Stahlhelm 9. Asbestlappen 10. Gasmaske M 30 11. Signalpfeife 12. SmK (Spitzgeschoss mit Stahlkern) 13. Foto: Hinrichtung, 1941, mit Notiz auf Rückseite ("Baumblüte in Serbien" - das Foto zeigt erhängte Partisanen) 14. Foto: Deutsche Soldaten während einer Hinrichtung, Russland 1941/42 15. Foto: Deutsche Soldaten vor einer Kaserne in Deutschland, mit Notiz auf Rückseite ("Mit klingendem Spiel in des Führers Krieg") 16. Foto: Frau mit Kopftuch watet mit gerafftem Rock durchs Wasser, sie hat das Ufer fast erreicht, Titel: "Die Minenprobe" (die Frau ist augenscheinlich Jüdin und wird unter dem Decknamen "Minensuchgerat 42" geführt), Vormarsch der 97. Jager-Division vom Donez zum Don 17. Postkarte Jacques Callot ("Das Elend und das Unglück des Krieges", Radierung 1633) [...]
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