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Leseprobe: Franz Josef Czernin - "Der Himmel ist blau. Aufsätze zur Dichtung."

Da beginnt also ein Gedicht oder sein Lesen mit dem Satz Aber der Himmel ist blau, also mit der Buchstabenfolge A, B und deshalb mit einem auch das Alphabet selbst evozierenden Anfang und zugleich mit der Sphäre sinnlich wahrnehmbarer Gegenstände. Eben jenes Wort Aber kann dann den Bezug auf etwas anderes enthalten, eine Entgegensetzung zu etwas, das schon geschehen sein muß; aus dieser Entgegensetzung könnte in dem Gedicht – vielleicht in Konsonanz mit der Evokation des Alphabets – der Anfang eines Widerstandes gegen das Willkürliche, das Zufällige entstehen. Dieser Gegensatz zieht dann vielleicht den nächsten nach sich; etwa zwischen dem Satz Aber der Himmel ist blau und seiner wie selbstverständlichen Vertrautheit; vielleicht aber entwickelt das Gedicht auch den Gegensatz zwischen der Gegenwart, der Sphäre des Satzes, und einer Vorstellung vom Himmel, einer Erinnerung an einen Himmel, an einen freien Himmel vielleicht, wo von einem Haus, von einem Dach und ebenso von Buchstaben oder Sprachlauten kaum eine ferne Ahnung wirksam ist. So könnte das Gedicht es dazu bringen, dass als Gegenbild des Satzes – seines bestimmten Auftretens und Entgegensetzens – die Gegenwart unbestimmt-grenzenloser Bläue erfahren wird, ein äther-ozeanisches Glücksgefühl vielleicht, das sich dann (doch wie viel hätte das Gedicht zu tun, uns davon zu überzeugen!) wieder mit dem Anfang, mit dem Alphabet, verkörpert durch die Buchstabenfolge A, B verknüpft. Verliefe das Gedicht so, könnte es dann nicht auch die Frage nach dem Anfangen enthalten, nach seinem eigenen Anfangen im Besonderen: Kann man anfangen, ein Gedicht zu schreiben oder zu lesen? Ist der Glaube daran nicht ebenso fragwürdig wie die feste Annahme, man könne den Himmel oder das Haus oder auch die Buchstaben auf dem weissen Blatt, man könne Zuneigung oder Hass zum ersten oder zum letzten Mal und also unvermittelt erkennen? Wie, wenn es ebenso wenig einen Anfang und ein Ende des Gedichtes oder seines Lesens gibt, wie es kein erstes und kein letztes Mal für die Erfahrung des blauen Himmels, eines Hauses, der Buchstaben und des weissen Blattes gibt? Doch was ist ein Gedicht, was ist sein Lesen, wenn es nicht zum ersten und zum letzten Mal geschehen kann? Was sind dann der Raum und die Zeit eines Gedichtes?
(S. 13/14)

© 2007 Urs Engeler, Basel und Weil am Rhein.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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