Gefährliche Wegkreuzungen
Nicht wenige Autoren nennen den Begriff der Information, seine Flatterhaftigkeit und vergängliche Aktualität, literaturunwürdig. Polemisch setzen sie multimediale Kulturtechniken als Inbegriff des Postmodernismus mit Kunstfeindlichkeit gleich und bezeichnen eine essentielle Literatur als Trost und Rettung der Menschheit. Diese collagiere nicht historische Stoffe, gebe also nicht tradierte Literatur als Konsumenten-Erinnerung spielerisch wieder, wie es einer multimedialen und computergestützten Kulturtechnik entspräche. Vielmehr heilige ein literarisches Verfahren Geschichte durch den besonderen Autorenblick, also im Sinne einer Politik der Identität.
In einer MTV-Talk-Sendung hörte ich kürzlich ein Interview mit einem deutschen Rapper. Nach der Erläuterung von Grundzügen der poetischen Technik des Rappens äußerte er die Überzeugung, anspruchsvolles zeitgenössisches Erzählen ereigne sich hauptsächlich im Feld der Popmusik. Nun wurden in den letzten Jahren Hiphop, afrikanischer Pop oder Bad-Girls-Pop oft als multikulturelle Chimären des Neoliberalismus kritisiert. Und doch, unzweifelhaft kursieren mit der weltweiten Warenzirkulation auch Ideen und Vorstellungen unterdrückter und marginalisierter Kulturen, befördert also die Entwertung der Produktionsstandorte durch die elektronischen Kommunikationstechnologien auch das Entstehen einer neuen - multimedialen wie multikulturellen - Kulturmatrix.
(S. 15)
© 2001, Haymon Verlag, Innsbruck.
Publikation mit freundlicher Genehmigung des Verlags.
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