Ein Festival-Überblick von Beatrice Simonsen
WIEN
In der Bundeshauptstadt wird der Sommer mit Open Air Veranstaltungen bei freiem Eintritt bespielt. Das Festival O-Töne, das seit 2004 aktuelle österreichische Literatur in den Höfen des Wiener Museumsquartiers bietet und in diesem Jahr zum 10-jährigen Jubiläum des MQ erstmals wichtige europäische Stimmen hören lässt, zeigt erfolgreich vor, wie man Literatur als „Event“ feiert.
Eine kleinere, aber auch eventreiche Bühne ist die Summerstage am Donaukanal, die unter dem Motto Gemischter Satz in den Sommermonaten jeden Sonntag abendliche Lesungen veranstaltet. Die interaktive Förderung von österreichischen SchriftstellerInnen und heimischer Gastronomie macht hier Schule.
Seit 20 Jahren klingt der Sommer mit dem 24-Stunden-Fest Rund um die Burg im September aus. In eigens errichteten Zelten liest das „Who is Who“ der österreichischen Literaturszene im Schatten des Burgtheaters aus aktuellsten Werken.
Noch im selben Monat (heuer am 20. September) hält die inzwischen siebte Wiener Kriminacht in zahlreichen Kaffeehäusern und anderen Lokalitäten (unter anderem in der städtischen Kanalisation) mit einheimischen und internationalen Krimistars die LeserInnen in Atem.
Die Wiener Literaturinstitution Alte Schmiede stellt mit Literatur im Herbst jeweils unter einem anspruchsvollen Motto - von 28. bis 30. Oktober 2011: Via Donau, Literatur im Fluss - internationale AutorInnen auf die Bühne des Odeon-Theaters.
Der Hauptverband des Österreichischen Buchhandels ist seit 1948 alljährlich im Rahmen eines großen Festes für den Buchverkauf tätig. 2008 ist die ehemalige „Buchwoche“ vom Rathaus ins Wiener Messegelände übersiedelt, hat auf Buch Wien (dieses Jahr: 10. bis 13. November) umfirmiert und sich an internationale Standards angepasst. Zwar kommt sie mit 28.000 Besuchern nicht an die riesenhafte Schwester Frankfurter Buchmesse mit zehnmal so vielen Gästen heran, doch läuft man hier auch nicht Gefahr, sich im Überangebot zu verlieren. Begleitend dazu findet eine Lesefestwoche (7. bis 13. November) statt, während der renommierte AutorInnen an prominenten Plätzen und in sachkundigen Buchhandlungen lesen.
Den spätherbstlichen Abschluss des Jahres bilden die Erich Fried Tage im Literaturhaus Wien (23. bis 27. November). Die seit 1999 zweijährlich stattfindenden Literaturtage widmen sich 2011 der Kurzprosa. Rund 35 AutorInnen aus 10 Ländern präsentieren fünf Tage lang Kurzgeschichten, Kürzesttexte, Erzählungen, Tagebuchnotizen, Fragmente, literarische Kolumnen, Miniaturen, Aphorismen und literarische Blogs.
Im Frühling macht Wien jeweils Programm für die Jugend: Literatur für junge LeserInnen im Palais Auersperg, die Wortspiele im Jazz Club Porgy & Bess.
BURGENLAND
Je kleiner das Fest, desto individueller die Gestaltung. Auch das Burgenland darf sich eines Lesefestes rühmen: Literatur in Grün findet alljährlich mit Lesungen österreichischer AutorInnen im Frühsommer auf Schloss Deutschkreutz statt. Eine Führung des Schlossherrn und Malers Anton Lehmden durch die restaurierten Gemächer der ehemaligen Wasserburg und seine Atelierräume gibt dem Ganzen ein familiäres Ambiente.
KÄRNTEN
Seit stolzen 35 Jahren findet in Kärnten zu Sommerbeginn das medial meistbeachtete Literaturfest statt: die Tage der deutschsprachigen Literatur, die neben dem Wettbewerb um den Ingeborg-Bachmann-Preis auch ein umfangreiches Rahmenprogramm bieten. Vielsprachigkeit gewährleistet ein Internet-Projekt, das alle Wettbewerbstexte in acht Sprachen online bringt, ebenso wie Open Air Lesungen in den Sprachen der Grenzländer. Ein Literaturkurs, LiteraTOURfahrten auf den Spuren bekannter Kärntner AutorInnen, Musik, Street Art und ein Readers Corner unterhalten all jene, die nicht die Lesungen der 14 AutorInnen im ORF-Theater mitverfolgen können oder wollen. Die Vorauswahl wird von der Jury getroffen, die Beurteilung erfolgt ad hoc, den AutorInnen ist keine Widerrede gestattet. Der ansehnliche Hauptpreis wird von der Stadt Klagenfurt gestiftet.
NIEDERÖSTERREICH
Zum dritten Mal finden im September 2011 die Europäischen Literaturtage in Spitz an der Donau statt, veranstaltet vom Unabhängigen Literaturhaus Niederösterreich und der Literaturplattform readme.cc. Ein literarischer Salon, Lesungen, ein Schreibworkshop und Musik stehen auf dem Programm, das an ausgesuchten Plätzen an der Donau mit internationalen Gästen aufwarten wird.
Im nördlichsten Waldviertel lädt die Stadtgemeinde Heidenreichstein am 21./22. Oktober zu Literatur im Nebel. Als Erfolgsrezept gilt: ein weltbekannter Autor, eine ländliche Mehrzweckhalle, heimische Autoren- und Schauspielerprominenz und ein bunt gemischtes Publikum von Literaturinteressierten aus dem Umkreis von 200 Kilometern. Dass es sich um anspruchsvolle Literatur handelt, beweist die Einladung des somalischen Schriftstellers Nuruddin Farah als Ehrengast 2011.
Blätterwirbel nennt sich ein Lesefest in St. Pölten, das 2011 bereits zum sechsten Mal stattfindet und von Mitte Oktober bis Anfang November ein breitgefächertes Programm für Erwachsene und Kinder bietet. Bespielt werden das Landestheater, das Stadtmuseum und das Cinema Paradiso.
Die Wiener Neustädter Buchwoche öffnet im November unter dem Titel "Herbstblätter" ihre Pforten - mit einer Buchausstellung im BORG und Lesungen an verschiedenen Orten für Schulklassen und Erwachsene. Thematisch ist das Programm bunt gemischt.
Im Stift Göttweig hat sich das vom Unabhängigen Literaturhaus Niederösterreich veranstaltete Kulturenfestival, wie sich das Fest Literatur und Wein nennt, nach 13 Jahren zu einem Publikumsrenner entwickelt. An einem langen Wochenende im April wird im prunkvollen Stift und im Literaturhaus in Krems in einer geglückten Kombination aus Lese-und Trinkfreudigkeit gefeiert. Die Besucher verkosten die neue Literatur aus dem deutschsprachigen Raum und die neuen Weine der Kamptaler Winzer bei entsprechend gelöster Stimmung.
Aus privater Eigeninitiative entstand der Literatur Wettbewerb Wartholz. Hier wählen unabhängige Jurorenteams in mehreren Durchgängen niveauvolle Texte von NachwuchsautorInnen aus. Neben dem (zum Großteil privat gestifteten) Hauptpreis werden auch ein Newcomer- und ein Publikumspreis verliehen. Das Ambiente der winterlichen Umgebung in Reichenau am Fuße der Rax, das immer schon inspirierend auf die Wiener Künstlerschaft wirkte, lockt auch heute noch ins stimmungsvolle Vorgebirge.
OBERÖSTERREICH
Neben literarischen Großereignissen nehmen sich die Oberösterreichischen Literaturtage der Gemeinde Hinterstoder winzig aus und finden dennoch schon zum 14. Mal (im Juni) erfolgreich statt. Hier bietet man Kasperltheater für die Kinder und österreichische Literatur und Prosecco für die Erwachsenen an. Volks-und naturnah werden während einer LiteRADtour Lese-und Jausenstationen erradelt, umrahmt von Kulinarik und idyllischer Landschaft.
Ein Fest der besonderen Art ist auch das oberösterreichische Krimi Literatur Festival, das sich gleich über mehrere Monate erstreckt und mit 3 x 3 Krimitagen in Wien Überregionalität erlangt. Von Mai bis November sorgt das Programm am Attersee und am Fuschlsee, auf der Gartenschau Ansfelden und beim Kultursommer in Wels, in Vöcklabruck und in Linz nicht wegen der Temperaturen, sondern wegen der einschlägigen Literatur für Gänsehaut. Für die Lesungen werden unterschiedlichste Schauplätze gewählt: am Schiff, beim Heurigen, im Brauhaus, in Cafés und Restaurants.
SALZBURG
Voran gestellt sei hier das Traditionsfestival Rauriser Literaturtage im April. Neben AutorInnen und ihren neuen Büchern aus dem gesamten deutschen Sprachraum ist jeweils ein Gast aus fremden Sprachen, Ländern und Kulturen eingeladen. Von der Salzburger Landesregierung und der Marktgemeinde Rauris werden Preise gestiftet, die Texte von einer jährlich wechselnden unabhängigen Jury ausgewählt. Als Programmpunkte gibt es neben den Lesungen studentische Arbeitskreise, Schulprojekte und das traditionelle AutorInnen-„Gespräch über Kindheit“ ebenso wie die sogenannten „Störlesungen“, bei denen DichterInnen nach mittelalterlichem Brauch „auf Stör“ gehen und gegen Pinzgauer Kost in Rauriser Stuben im engsten Kreis aus ihrem Werk vorlesen.
Die festverwöhnte Landeshauptstadt Salzburg feiert erst seit 4 Jahren, dafür aber gleich 5 Tage lang die deutschsprachige Literatur. Vom Buchstabenkarussell für Kinder über die lyrische Matinée, die Lesungen zur Mittagszeit, die Visuelle Theaterbibliothek für Gehörlose bis hin zu literaturkritischen Gesprächen wird das Literaturfest Salzburg im Mai mit zahlreichen heimischen AutorInnen bespielt.
STEIERMARK
Ein intensiver Ort der Begegnung und des kulturellen Austausches ist das Kulturzentrum bei den Minoriten in Graz, das neben vielen anderen Aktivitäten das eintägige, aber pulsierende Lesefest Neue Texte im März veranstaltet, wo (steirische) AutorInnen - jeweils von den KollegInnen vorgestellt - im 8-Minuten-Takt lesen.
TIROL
Im Westen setzt Hall in Tirol einen literarischen Akzent mit den zum 9. Mal stattfindenden internationalen Literaturtagen Sprachsalz (September). Bei diesem „Fest für Ohren, Köpfe und Herzen“ wird das Parkhotel mit Hotellounge, Sälen und Terrassen stimmungsvoll von rund 20 internationalen Autoren belesen, wobei traditionellerweise ein/e Tiroler AutorIn eröffnet (2011 Irene Prugger). Von Autoren für Autoren, hieß von Anfang an die Devise und die Veranstalter sorgen mit Überraschungslesungen und Beat-Literaten für Abwechslung.
VORARLBERG
Vorarlberg hält in Dornbirn die literarische Fahne hoch, auch wenn 2008 bedauerlicherweise das traditionelle Fest der „Poesie International“ nach 10 Jahren eingestellt werden musste. Stattdessen bringt nun der Kulturverein Spielboden im Rahmen des Sommerfrische Festivals (Juni, Juli) eine originelle Zusammenstellung von Open Air Lesungen mit einem „literarischen“ Filmprogramm.
Diese Auswahl der LITERATUR FEIERN zeigt ein österreichweit gespanntes Literaturnetz, das allen Gelegenheit bietet, Literatur in nächster Nähe zu erleben. Das Motto der seit so vielen Jahren erfolgreichen Rauriser Literaturtage hat dabei Allgemeingültigkeit:
- neugierig zu machen auf die Welt der Dichtung, sie nah und unverstellt zu präsentieren und die unendliche Vielfalt von zeitgenössischen Romanen, Erzählungen und Gedichten zu zeigen, die immer ein Spiegelbild der Gegenwart und damit unseres Lebens sind
© Beatrice Simonsen, Juli 2011