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Sie wollte nie ins Heim. Lieber sterben als diese Bevormundung hinnehmen müssen. Dabei hat sie Glück, ist mobil. Wird nicht um sechs ins Bett gesteckt und mit Schlaftabletten sediert, damit die Nachtschwester in Ruhe Kaffee trinken kann. Die Sonnenstrahlen lassen sie blinzeln, dann niesen. Sie ist gern auf der Rudolfshöhe, betrachtet die Baumwipfel, die sich sacht im Wind wiegen. Ein quengelndes Kleinkind stört die beschauliche Ruhe. Die Frau wird sich doch nicht ... mit dem Kind ... auf ihre Bank? Sie greift in die Manteltasche, umklammert die Dose. Die wirkt Wunder. Der alte Steirerkäse vertreibt ungebetene Besucher. Scheele Blicke nimmt sie gern in Kauf. Das entschuldigende Lächeln hat sie vor dem Spiegel geübt. Peinlich ist es immer den anderen. Warum? Das hat sie noch nie verstanden. Aber es gefällt ihr, macht die Vorstellung reizvoller. Die Frau nimmt das Kind auf den Arm, geht weiter, an der Bank vorbei. Sie löst den Griff, lässt die Dose im Mantel, zieht den Korb näher zu sich heran, streicht über das Setzholz. In ein Zweibettzimmer haben sie sie gesteckt. Sie, die sie schon seit Jahren alleine lebt, ihre Gewohnheiten pflegt. Und redselig ist die, diese verrückte Alte mit den breitkrempigen Hüten. In der zweiten Woche hat sie ihr Tropfen in den Kaffee geschüttet. Danach war das Geplapper schnell vorbei. Das Würgen im Badezimmer wurde ihr dann doch zu viel, sie ging derweil ins Musikzimmer. Später hat sie ihr von einer Schwägerin erzählt, die an Magenkrebs gestorben ist. Die andere hat zugehört, mit Kopf und Hut mitfühlend genickt. Bis sie den Brechreiz erwähnt hat – das erste Zeichen der Krankheit. Da ist die blass geworden, hat wohl Angst gekriegt. Sie hat es befriedigt registriert. Sich sogar boshaft für die Taktlosigkeit entschuldigt. Ihr Verhältnis ist seitdem abgekühlt, sie reden kaum miteinander. Ihr ist es recht. (S. 16f)
© 2008 Milena Verlag, Wien.
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