Gelesen von Udo Samel und Susanne Lothar
Spieldauer 52:43 Min.
ISBN: 3-0369-1109-X
Kein & Aber Records 2001
Fritz Lang (1890-1976) war ein wahrer Meister. Gefürchtet für sein Temperament und seine völlige Hingabe beim Regieführen, die ihn und sein Team in ständiger Aufruhr hielt. Er war die Inkarnation des Perfektionisten. So zumindest charakterisierte der Regisseur Robert Siodmak seinen Regiekollegen. Der Filmemacher solch bedeutender Werke wie "Dr. Mabuse", "Die Nibelungen" oder "Metropolis" war aber auch ein Mensch, der sich und sein Leben selbst inszenierte, der Legenden um seine Person beförderte, ein "Diktator und Lebemann" war, der privat aber unbemerkt bleiben wollte, um damit noch nachdrücklicher sein ihm öffentliches Wunschbild lancieren zu können. Aufschluß über den "Privatmann" Fritz Lang und Einblicke in persönliche Beobachtungen und Urteile des Filmemachers bietet der Briefwechsel des gebürtigen Wieners mit seiner ebenfalls aus Wien stammenden Jugendfreundin und lebenslangen Vertrauten Eleanor Rosé (1894-1992), der im Jahre 2000 von der deutschen Kinemathek anläßlich der Retrospektive "Fritz Lang" im Rahmen der Internationalen Filmfestspiele Berlin vorgestellt wurde.
Eleanor Rosé hatte den jungen Fritz Lang vermutlich schon aus Wien gekannt, bevor sie einander 1912 in München wiederbegegneten. In den zwanziger Jahren lebten und arbeiteten beide in Berlin. Mit den Jahren verloren sie einander aus den Augen - während Lang in die Vereinigten Staaten emigrierte, übersiedelte Eleanor Rosé mit ihrer Familie zuerst nach Frankreich und später nach London. Erst mit einem Brief von Eleanor Rosé im Herbst 1944, in dem es heißt, I should like to know more about you than I can find in the papers, wurde diese Beziehung in Form eines sehr umfangreichen und über viele Jahre anhaltenden Briefwechsels fortgeführt. Es liegen etwa 700 Schreiben aus den Jahren 1933 bis 1976 vor.
Ein bei Kein & Aber Records erschienenes Hörbuch präsentiert nun eine Auswahl von 21 Briefen dieser Korrespondenz, die den Bogen von 1945 bis zum Todesjahr Langs 1976 spannt, gelesen von den Schauspielern Udo Samel und Susanne Lothar. Die Textcollage, die bewußt Persönliches in den Vordergrund stellt, spiegelt eine Korrespondenz inniger Vertrautheit, freundschaftlicher Neckereien, zärtlicher Witze, subtiler Ironie und einer vielleicht "unerfüllten" Liebe, dokumentiert aber vor allem eine besondere Freundschaft.
Bei "Caesar" und "Cleopatra" - wie die beiden einander hauptsächlich nennen - ist es Cleopatra, die ihrem Caesar zwar liebevoll, aber nicht ohne Kritik und mit leicht spöttischem Ton begegnet: Die splendid isolation nützt sich ein wenig ab mit der Zeit, schreibt sie in der mal englisch, mal deutsch geführten Korrespondenz.
Nachdem Fritz Lang wiederholt ankündigt, Eleanor besuchen zu wollen, antwortet sie ihm nicht ohne leicht bittere Ironie: "Vielleicht" scheint dein Lieblingswort zu sein. Nicht wahr, mein lieber C.?
Caesar ist der international erfolgreiche und verehrte Regisseur, vielbeschäftigt, von Ungeduld und Perfektionismus gezeichnet und manches Mal mit seiner Briefantwort im Verzug: First of all, I wouldn't like, that the old girl would stop writing.
Eleanor weiß genau, wie sie ihrem Freund begegnen muß: Seit langem schleiche ich um mein Briefpapier herum und rede mir zu: Warten wir noch ein wenig. Und dann sage ich mir: Du hast es gern, sogar nötig, immer wieder, Dich geliebt zu wissen.
Es ist die intelligente, feinfühlige und respektvolle Art Cleopatras, die es Caesar in seinen Briefen erlaubt, der charmante, witzige, von vielen verehrte Star zu bleiben, als der er sich offensichtlich so gerne sieht.
Die Zärtlichkeiten wie auch das Leid der beiden begleiten des öfteren zwei Stellvertreter, die sogar selbst zur Feder greifen. Magali, die Lieblingskatze Cleopatras, und Peter, der Stoffaffe seines Herrn Caesars: Peter läßt dich herzlich grüßen. Er meditiert sehr viel und genießt die kalifornische Sonne. Er liebt Martinis, raucht hier und da aus einer langen Pfeife und hat sich Kaugummi angewöhnt. Er erbietet Magali hoheitsvoll sein Wohlwollen. Und die Antwort: Tausend liebe Wünsche, ein holdes Katzenantlitz blickt zu mir auf - Grrrrrrrrrrrrrrrr ...
Die Auswahl der Briefe bezieht auch Zeitgeschichtliches - besonders der sechziger Jahre - mit ein. Lang kommentiert die amerikanische Politik, speziell den Vietnam-Krieg und streift Grass wie auch Heidegger. Als sein Freund Theodor Adorno stirbt, schreibt er an Eleanor: Er starb an einem Herzschlag. Wahrscheinlich hervorgerufen dadurch, daß seine Studenten das taten, was er sie die letzten 20 Jahre gelehrt hat, nämlich zu rebellieren. [...] Ich konnte ihn auch seinerzeit nicht davon überzeugen, daß mit Erfindung der Pille und dem Sex-Erleben der jungen Generation es kein Sex-Tabu mehr gab. Eleanor antwortet ihm darauf: Übertretung des Tabus heißt nicht Aufhebung. Verbot mag von der Autorität kommen, die Tabus liegen in der Psyche verankert und können nur von innen heraus gelöst werden. Schließlich gibt sie ihm noch kokett den Ratschlag auf den Weg mit, die Fachliteratur dazu zu lesen - Hurry up!
Durch die glänzende Vortragsweise der beiden Schauspieler wird in diesem Hörbuch der dialogische Charakter des Briefwechsels um ein Vielfaches authentischer und unterhaltsamer, als es eine gedruckte Ausgabe vermitteln könnte; und mit Recht zeigt diese Produktion, was Tilman Spreckelsen in der FAZ feststellte, nämlich was in dem akustischen Medium Hörbuch möglich ist. Einzig der Hinweis, daß es sich bei der Korrespondenz um weitaus mehr als diese 21 Briefe handelt, fehlt im sonst seriös gestalteten Booklet.
Der Briefwechsel von Fritz Lang mit Eleanor Rosé ermöglicht es, den Regisseur in seinem privaten Lebenszusammenhang, abseits seiner Selbstinszenierungen kennenzulernen. Mit einem Brief von Eleanor Rosé an Fritz Langs Witwe Lily Latté, den sie ihr nach dessen Tod 1976 schrieb, endet die CD. Ein letztes Mal kommt der Schmerz über Caesars ausbleibende Besuche und die Wehmut der Erinnerungen zum Vorschein, wenn sie ihren Vertrauten als maßlos in seinem Gefühlsleben, heftig im Hassen und Lieben, ambivalent und unbeständig portraitiert - und dann letztlich doch auch den Mythos "Fritz Lang" nährt, wenn sie schreibt: Jetzt ist alles vorüber und sie können sich nicht denken, wie sehr ich wünsche, daß das Losreißen von dieser verlogenen Welt ohne Kampf geschah. Er hatte ja längst genug - ich möchte sagen, er hatte schon immer genug, schon mit 22 Jahren - der Wille zur Macht trieb ihn immer wieder an.
Originalbeitrag
Michael Hansel
27. Juni 2002