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Gustav Meyrink: Der Golem

Hörspiel mit Paul Hoffmann, Helen Hesse, Peter Ahrens, Robert Michal u.a.
Regie: Friedrich-Carl Kobbe
2 CDs
Spieldauer: 86:31 Min.
ISBN 3-7844-4030-4
München: Langen Müller Audio-Books 2003

"Der Golem" entstand 1913/14 und wurde zuerst von mehreren Verlagen abgelehnt, bevor die irrtümlich 20.000 Exemplare (statt der vorgesehenen 2.000) 1915 reißenden Absatz fanden. Innerhalb von zwei Jahren wurden 145.000 Stück des Erfolgsromans Gustav Meyers, der sich Meyrink genannt hatte, verkauft. "Der Golem" gilt als ein Klassiker der phantastischen Literatur, zu der auch die Zeitgenossen Alfred Kubin, Leo Perutz und der junge Franz Kafka unvergessene Beiträge lieferten.

Die ungekürzte Hörfassung von Gustav Meyrinks berühmtestem Werk ist auf acht CDs lieferbar (erschienen 2003 bei Ullstein, gelesen von Wolf Euba, Anm. d. Red.), die hier besprochene Hörspielfassung fasst den Romaninhalt auf zwei CDs zusammen. Dabei gelingt es Friedrich-Carl Kobbe als Regisseur der Produktion des Bayerischen Rundfunks überzeugend die geheimnisvoll-gespenstische, durchaus düstere Atmosphäre der Vorlage den HörerInnen eindringlich zu vermitteln. Besonders der Einsatz von Musik löst eine psychologische Wirkung aus, die das verwirrend Irritierende der Handlung noch betont. Verwirrend ist für die Hörerin/den Hörer herkömmlicher Kriminalliteratur, in der Fälle entlang einer mehr oder weniger logischen Kausalkette aufgelöst werden, vor allem das Fehlen eines Punktes, von dem frau/man aus das Vorgefallene eindeutig zuordnen kann.

"Der Golem" spielt im alten Prag, in Gassen, in die kein Licht fällt, in dunklen Räumen, unterirdischen Schächten, im Dom, in einer seltsamen Spelunke. Die Atmosphäre ist manchmal nur impressionistisch angedeutet, dann wieder expressionistisch vorgestellt. Dabei entsteht ein Raum, in dem alles symbolistisch aufgeladen wird, ohne dass gleich eine Bedeutung mitgeliefert wird. Seltsam auch das Personal des Hörspiels. Ein Gemmenschneider, der schon im Irrenhaus war, ein verbummelter Student, ein habgieriger Händler, ein jüdischer Weiser und seine wundersüchtige Tochter, der Wirt des Café "Chaos" und eine Gräfin, die eine Affäre verbergen muss, sie alle sind irgendwie miteinander in einen Kriminalfall verwickelt. Und dann ist da noch der eigentliche Held dieser Geschichte, der Golem, jener angeblich von Rabbi Löw im 17. Jahrhundert geschaffene Homunkulus.

Dass es im Text um einen Showdown zwischen einer Menschenmaschine und ihren antiquierten Konstrukteuren geht, was am Beginn des 21. Jahrhunderts ein passables Thema wäre, erscheint übertrieben, auch wenn der Gemmenschneider zumindest einmal in "fremden modrigen Kleidern" dem Golem gegenüber sitzt, der ihn mit seinem "eigenen Gesicht" anstarrt.

Es geht Meyrink nicht so sehr um die Frage nach der Möglichkeit der Kreation menschlichen Lebens, wie sie zuletzt etwa Harry Mulisch in "Die Prozedur" abhandelt, sondern eher um die Fragen "Was ist Wirklichkeit?" und "Wer bin ich?".

Das Hörspiel endet damit, dass der Gemmenschneider, der seit er einen Hut verwechselt hat, in die ausgefallensten Situationen gerät, wegen Mordverdacht im Gefängnis landet, nach Jahren unvermittelt frei gelassen wird. (Offensichtlich wollte der Autor durch skurrilen Humor das Grauen etwas erträglicher machen, was auch die Sprecherinnen und Sprecher andeuten.) Jedenfalls wacht der Kunsthandwerker zuletzt in einem Hotelzimmer auf, wobei im bewusst wird, dass er das Ganze nur geträumt haben kann. Durch die Vermischung von Unglaublichem und Gängigem, von Einsichtigem und Nicht-Erfassbarem gelingt es Meyrink eine für den phantastischen Roman ganz typische Stimmung zu erzeugen, die in dieser Produktion gut aufbereitet ist. Allerdings ist dieses Hörspiel keine leichte Kost, sondern setzt beträchtliche Konzentration auch auf Seiten der Hörerschaft voraus. Nach 90 Minuten sollten nicht Kopfschmerzen vor lauter Ratlosigkeit aufkommen, sondern vielmehr vielleicht auch ein bisschen Schmunzeln über einen Ausflug in den Bereich des Okkulten, der in der Krisenzeit der zwanziger Jahre (wie heute?) beträchtliche Konjunktur hatte.

Helmut Sturm
19. Jänner 2004

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